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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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küract nack der letzten Miuisterialverorduuug für immer aufgehoben sei, als neulich
ein Haynaiüschcr Fernau erschien und die Juden aufforderte, die auf keinen
Fall zu erlassende Contribution ohne Widerrede sogleich einzudringen"), und
daß die des Hochverrates verdächtigen Judengemeinden "ud Individuen vor der
militärischen Purisicationsconunission zu erscheinen haben, welche dieselben nur
dann freisprechen kann, wen" die "P n rifi c a ti o n ob co er b er " mit Zeugen
beweise" könne", "daß sie sich weder durch Worte, "och durch Thaten,
weder mit geistige", noch materiellen Mittel", überhaupt an der
Revolution selbstthätig gar uicht betheiligt habe"". Ich führe
Jhue" die Worte des Decrew ganz ohne Eommcntar an und füge nur die Be¬
merkung hinzu, das; die deutsche Sprache mit einen" ganz neuen -- zwar
halb-romanischen -- Worte bereichert wurde, nämlich! "Pnrifieations-
bewerbcr". -- Ein uuter Weiden's Oberredactio" i" Wie" erscheinendes Blatt
"überläßt es seine" Leser" zu urtheile", nicht, ob diese Maßregel billig, sondern
ob sie irgend ans führbar sei".

Eine zweite Verordnung Hayncm's ist rein militärischer Natur und publicirt
das Standrecht gegen jeden Houvcd, der uach der Desertion ergriffen wird, so
wie das Kriegsrecht gegen die Einwohner, welche solchen Deserteurs Vorschub
leisten. In diesem Decret beklagt sich der Obercommandant über den schlechten
Geist, der uuter den eingereihten Houved herrscht, und dieß bestätigen auch die
Spalten der hiesigen officiellen Blätter, welche täglich von Signalements solcher
Deserteure angefüllt sind. Der Magyar schüttelt mit wichtiger Miene das Haupt
und sagt: I.ni."/.iK, Kul,>a on" n' Kvrlbvn!"

Außer diesen zwei Deereten ist hier die allgemeine Aufmerksamkeit nach auf
vier Gegenstände gerichtet. Diese sind Nußland, die Aufhebung der Zwischen-
zölle, die Universität, und das deutsche Theater.

Das undurchdringliche Dunkel, welches "och immer über die Verhandlungen
in Warschau verbreitet ist, hat i" der Presse überhaupt zu deu verschiedensten
Muthmaßungen und den entgegengesetztesten, von beiden Seiten ,,ans zuverläßig-
ster Quelle" geschöpften Berichten Anlaß gegeben. Der Ungar ist noch immer zu
wenig Kosmopolit, um riesenhafte Coalitionen gegen Frankreich, Continentalkriege
gegen England und andre dergl. hochdiplomatische Combinationen auszubrüten,
wie sie in Ihren Journalen täglich zu Dutzenden in die Welt gefordert werden;
ihm ist noch immer Ungar" der Mittelpunkt der Erde, und wen" diese Kaiser
und Könige da draußen sich herumbalge", so ist gewiß die pium^ das schöne




Es scheint, daß der Angriff auf die .Judcnbärtc, von dein ich Ihnen in meinem
letzten Briefe gemeldet, auf einem "Mißverständnis;" berichte. Es sollte heißen anstatt:
"die Juden sollen sich ihre Bärte": "die Juden sollen sich ihre Börsen abnehmen lassen".
Ein magyarisches Sprichwort: ,,Man sieht's, es ist ihnen ein Hund in den Garten
gelaufen."

küract nack der letzten Miuisterialverorduuug für immer aufgehoben sei, als neulich
ein Haynaiüschcr Fernau erschien und die Juden aufforderte, die auf keinen
Fall zu erlassende Contribution ohne Widerrede sogleich einzudringen"), und
daß die des Hochverrates verdächtigen Judengemeinden »ud Individuen vor der
militärischen Purisicationsconunission zu erscheinen haben, welche dieselben nur
dann freisprechen kann, wen» die „P n rifi c a ti o n ob co er b er " mit Zeugen
beweise» könne», „daß sie sich weder durch Worte, »och durch Thaten,
weder mit geistige», noch materiellen Mittel», überhaupt an der
Revolution selbstthätig gar uicht betheiligt habe»". Ich führe
Jhue» die Worte des Decrew ganz ohne Eommcntar an und füge nur die Be¬
merkung hinzu, das; die deutsche Sprache mit einen« ganz neuen — zwar
halb-romanischen — Worte bereichert wurde, nämlich! „Pnrifieations-
bewerbcr". — Ein uuter Weiden's Oberredactio» i» Wie» erscheinendes Blatt
„überläßt es seine» Leser» zu urtheile», nicht, ob diese Maßregel billig, sondern
ob sie irgend ans führbar sei".

Eine zweite Verordnung Hayncm's ist rein militärischer Natur und publicirt
das Standrecht gegen jeden Houvcd, der uach der Desertion ergriffen wird, so
wie das Kriegsrecht gegen die Einwohner, welche solchen Deserteurs Vorschub
leisten. In diesem Decret beklagt sich der Obercommandant über den schlechten
Geist, der uuter den eingereihten Houved herrscht, und dieß bestätigen auch die
Spalten der hiesigen officiellen Blätter, welche täglich von Signalements solcher
Deserteure angefüllt sind. Der Magyar schüttelt mit wichtiger Miene das Haupt
und sagt: I.ni.«/.iK, Kul,>a on» n' Kvrlbvn!"

Außer diesen zwei Deereten ist hier die allgemeine Aufmerksamkeit nach auf
vier Gegenstände gerichtet. Diese sind Nußland, die Aufhebung der Zwischen-
zölle, die Universität, und das deutsche Theater.

Das undurchdringliche Dunkel, welches »och immer über die Verhandlungen
in Warschau verbreitet ist, hat i» der Presse überhaupt zu deu verschiedensten
Muthmaßungen und den entgegengesetztesten, von beiden Seiten ,,ans zuverläßig-
ster Quelle" geschöpften Berichten Anlaß gegeben. Der Ungar ist noch immer zu
wenig Kosmopolit, um riesenhafte Coalitionen gegen Frankreich, Continentalkriege
gegen England und andre dergl. hochdiplomatische Combinationen auszubrüten,
wie sie in Ihren Journalen täglich zu Dutzenden in die Welt gefordert werden;
ihm ist noch immer Ungar» der Mittelpunkt der Erde, und wen» diese Kaiser
und Könige da draußen sich herumbalge», so ist gewiß die pium^ das schöne




Es scheint, daß der Angriff auf die .Judcnbärtc, von dein ich Ihnen in meinem
letzten Briefe gemeldet, auf einem „Mißverständnis;" berichte. Es sollte heißen anstatt:
„die Juden sollen sich ihre Bärte": „die Juden sollen sich ihre Börsen abnehmen lassen".
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/514>, abgerufen am 22.07.2024.