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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Jo den Wintermonaten hat der Finanzminister die Reduction der Armee als
"im Werk begriffen" angezeigt; aber es wurde damals nicht ein Mann entlassen,
und wir stehen jeht am Vorabend einer neu beginnenden Recrutirung. Die Ausgaben
für militärische Zwecke sind nicht in der Verminderung, sondern in der Vermehrung,
wenn man bedenkt, daß die eigentliche KriegSgage aufgehört habe. Die zahlreichen
Avancements und Pensionirnugeu mit hohem Chargen sind ein Danaidenfaß der
Kriegskasse.

Der Minister, welcher sich bei dein Voranschlage für 1849 blos in der Rubrik
für das Militär in 190 Millionen irrte, irrt sich auch in der Angabe, daß eine
Verminderung der außerordentlichen Ausgaben in Aussicht stehe. ES hätte nicht
der militärischen Zurüstungen Preußens bedurft, um den jetzigen Stand blos als
einen bewaffneten Frieden erkennen zu lassen; das Schwarzenberg'sche Ministerium
kann sich nach Außen wie nach Innen blos durch das Militär erhalte", und
Kraus muß die Geldmittel dafür herbeischaffen. Die enorme Steuerquote wird
im laufenden Jahre einen Theil des Deficits decken, aber sie wird nicht die
Überschwemmung durch das bereits angefertigte Papiergeld verhindern, sondern
noch neue Bäche hinznflnthen.

Der Minister dentet im FiuauzauSweis darauf hin, daß in den ersten
3 Monaten des neuen VerwaltuugöjahreS das Deficit blos 8'/^, 4'/s und 5 Mill.
betrage" habe; er rechnet es also als eine große Verbesserung, daß ein viertel-
jähriges Deficit von nur 18 Millionen sich ergab.

Die erste Frage hierbei ist, warum der Finanzminister, wenn er die Rechnung
für die Monate November und December 1849, so wie Januar 1859 so genan
kennt, dieselben nicht seiner Pflicht gemäß der Öffentlichkeit übergibt? um so
mehr, da dieser Ausweis, wie er ihn angibt, eine günstige Wirkung ans die Geld-
znstände ausüben und manche Besorgnisse verscheuchen würde ?

Die zweite Frage ist: wie tief zerrüttet müssen die Finanzen sein, wenn der
Minister einen Ausfall vou 18 Mill. für 3 Mouate als einen günstigen Stand¬
punkt anrühmt?!

Der Finanzansweis hat nicht blos wegen der Bestätigung des großen Deficits,
wegen Bekenntnisses, daß das russische Heer "erhalten" werden mußte und wegen
der trüben Aspecten die alten Befürchtungen erneuert, sondern neuerdings das
kleinliche wiukelmäklerische Gebahren des Finanzministeriums aufgedeckt.

Um nur Eines zu erwähnen, heben wir den unter der Rubrik "besondere
Zuflüsse" gestellten Posten: durch W echselgeschäfte 5,175,999 Fi. hervor.
Der Finanzminister machte also Wechselgeschäfte! Wir wußten dies, aber wir
glaubten uicht, daß ein solches Bekenntniß werde abgelegt werden. Welcher Art
diese Wechsclgeschäfte waren, ob blos eine Verwerthung der sardinischen Entschädi¬
gung oder Borseumanoeuvreö, ist nicht angedeutet.

Die Capitalisirung der ZiusencoupvnS ist der Beginn einer neuen Art von


Jo den Wintermonaten hat der Finanzminister die Reduction der Armee als
„im Werk begriffen" angezeigt; aber es wurde damals nicht ein Mann entlassen,
und wir stehen jeht am Vorabend einer neu beginnenden Recrutirung. Die Ausgaben
für militärische Zwecke sind nicht in der Verminderung, sondern in der Vermehrung,
wenn man bedenkt, daß die eigentliche KriegSgage aufgehört habe. Die zahlreichen
Avancements und Pensionirnugeu mit hohem Chargen sind ein Danaidenfaß der
Kriegskasse.

Der Minister, welcher sich bei dein Voranschlage für 1849 blos in der Rubrik
für das Militär in 190 Millionen irrte, irrt sich auch in der Angabe, daß eine
Verminderung der außerordentlichen Ausgaben in Aussicht stehe. ES hätte nicht
der militärischen Zurüstungen Preußens bedurft, um den jetzigen Stand blos als
einen bewaffneten Frieden erkennen zu lassen; das Schwarzenberg'sche Ministerium
kann sich nach Außen wie nach Innen blos durch das Militär erhalte», und
Kraus muß die Geldmittel dafür herbeischaffen. Die enorme Steuerquote wird
im laufenden Jahre einen Theil des Deficits decken, aber sie wird nicht die
Überschwemmung durch das bereits angefertigte Papiergeld verhindern, sondern
noch neue Bäche hinznflnthen.

Der Minister dentet im FiuauzauSweis darauf hin, daß in den ersten
3 Monaten des neuen VerwaltuugöjahreS das Deficit blos 8'/^, 4'/s und 5 Mill.
betrage» habe; er rechnet es also als eine große Verbesserung, daß ein viertel-
jähriges Deficit von nur 18 Millionen sich ergab.

Die erste Frage hierbei ist, warum der Finanzminister, wenn er die Rechnung
für die Monate November und December 1849, so wie Januar 1859 so genan
kennt, dieselben nicht seiner Pflicht gemäß der Öffentlichkeit übergibt? um so
mehr, da dieser Ausweis, wie er ihn angibt, eine günstige Wirkung ans die Geld-
znstände ausüben und manche Besorgnisse verscheuchen würde ?

Die zweite Frage ist: wie tief zerrüttet müssen die Finanzen sein, wenn der
Minister einen Ausfall vou 18 Mill. für 3 Mouate als einen günstigen Stand¬
punkt anrühmt?!

Der Finanzansweis hat nicht blos wegen der Bestätigung des großen Deficits,
wegen Bekenntnisses, daß das russische Heer „erhalten" werden mußte und wegen
der trüben Aspecten die alten Befürchtungen erneuert, sondern neuerdings das
kleinliche wiukelmäklerische Gebahren des Finanzministeriums aufgedeckt.

Um nur Eines zu erwähnen, heben wir den unter der Rubrik „besondere
Zuflüsse" gestellten Posten: durch W echselgeschäfte 5,175,999 Fi. hervor.
Der Finanzminister machte also Wechselgeschäfte! Wir wußten dies, aber wir
glaubten uicht, daß ein solches Bekenntniß werde abgelegt werden. Welcher Art
diese Wechsclgeschäfte waren, ob blos eine Verwerthung der sardinischen Entschädi¬
gung oder Borseumanoeuvreö, ist nicht angedeutet.

Die Capitalisirung der ZiusencoupvnS ist der Beginn einer neuen Art von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/512>, abgerufen am 03.07.2024.