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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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aus bloßer Eitelkeit; eine Umkehr aus bloßer Furcht vor der Holle, vou deren
Existenz mau handgreiflich überzeugt worden ist; und in diese Eitelkeit und Feig¬
heit fortwährend eine sentimentale Stimmung gemischt, die über die nackte Sünde
einen dünnen, lüsternen Schleier wirft -- das alles ist eine sehr unangenehme
Erscheinung, aber lehrreich für diejenigen unserer protestantischen Ncactionars,
die wieder im Begriff sind, jede positive Religion, und die älteste, legitimste am
liebsten gelten zu lassen; lehrreich, so lange noch nicht die lebte Spur eines sitt¬
lichen Princips in ihrem Gemüth verwischt ist.




Schulwesen in Ungarn.
II. Die philosophischen Lehranstalten.

Die Mangelhaftigkeit des östreichischen Gymnasialnnterrichtö hat die Noth¬
wendigkeit erzeugt, den Jüngling, welcher sich einem Hochstndinm ans der Uni¬
versität widmen wollte, durch ein Medium wandern zu lassen, das ihm die
Befähigung zum Empfang eines hohem Unterrichts geben sollte. Dieses Medium
bildete einen Lehrlnrö in zwei Jahrgängen, welcher allgemein "der philosophische"
genannt wurde, aber vielmehr den Namen "Matnritätskurö" verdient hätte. Die
Anstalten, in welchen dieser Kurs gelehrt wurde, waren uuter drei Namen bekannt:
1) Akademien, welche nur bei den Katholiken in Preßburg, Nab, Kassan und
andern Orten anzutreffen waren. 2) Kollegien, ausschließlich bei den Prote¬
stanten helvetischer Evilsession') in Debrezin, Patak (Zempl6nyer Gespannsch.),
Papa (Veßprimer Gespannschast), KeeskeuuU und Nagy Körös (Pesther Gesp.).
Z) Lyceen bei allen drei Confessionen, wie das katholische in Erlau, Temesvür,
Szegedin n. a. O., das lutherisch-protestantische zu Preßburg, Oedeuburg, Kas¬
uars u. s. w., das calviuische zu Szigeth, Lvfonz, Miskolz u. a. O.

Doch stehen diese Namen durchaus in keinem Verhältnisse mit der Rangord¬
nung oder dein innern Gehalt dieser Anstalten, und scheinen sie meist der Laune
des ersten Hundators ihr Entstehen zu verdanken.

Der "Hörer der Philosophie" wurde bei den Katholiken, von den Hanpt-
lehrgegenständen, im ersten Jahre "log-lauf", im zweiten "pIi^siLU"" genannt; bei
den Reformirten "novllius" und "blau"". Osficielle Lehrgegenstände waren:
Z) die eigentlich philosophischen, lind zwar: Logik, Psychologie und mow-
pl>^sica i>un>. für das erste, uiol.al>I>^!c^ dei"i>lou>^ und ^knie>8<>i)1ü^ nior^ki" für
das zweite Jahr. 2) Die mathematische", als: Arithmetik, Geometrie im
ersten, i>uU,llU8i!, u^U^nu, und Physik im zweiten Jahre. 3) Die historischen,



Zwar finden wir auch bei den Katholiken sogenannte Piaristencollegien zu Rosenberg
(LiptanS), DotiS, Gnus, Vcßprini und TemeSv>ir, doch sind diese eigentliche Seminarien
und bloß für geistliche Zöglinge eingerichtet.

aus bloßer Eitelkeit; eine Umkehr aus bloßer Furcht vor der Holle, vou deren
Existenz mau handgreiflich überzeugt worden ist; und in diese Eitelkeit und Feig¬
heit fortwährend eine sentimentale Stimmung gemischt, die über die nackte Sünde
einen dünnen, lüsternen Schleier wirft — das alles ist eine sehr unangenehme
Erscheinung, aber lehrreich für diejenigen unserer protestantischen Ncactionars,
die wieder im Begriff sind, jede positive Religion, und die älteste, legitimste am
liebsten gelten zu lassen; lehrreich, so lange noch nicht die lebte Spur eines sitt¬
lichen Princips in ihrem Gemüth verwischt ist.




Schulwesen in Ungarn.
II. Die philosophischen Lehranstalten.

Die Mangelhaftigkeit des östreichischen Gymnasialnnterrichtö hat die Noth¬
wendigkeit erzeugt, den Jüngling, welcher sich einem Hochstndinm ans der Uni¬
versität widmen wollte, durch ein Medium wandern zu lassen, das ihm die
Befähigung zum Empfang eines hohem Unterrichts geben sollte. Dieses Medium
bildete einen Lehrlnrö in zwei Jahrgängen, welcher allgemein „der philosophische"
genannt wurde, aber vielmehr den Namen „Matnritätskurö" verdient hätte. Die
Anstalten, in welchen dieser Kurs gelehrt wurde, waren uuter drei Namen bekannt:
1) Akademien, welche nur bei den Katholiken in Preßburg, Nab, Kassan und
andern Orten anzutreffen waren. 2) Kollegien, ausschließlich bei den Prote¬
stanten helvetischer Evilsession') in Debrezin, Patak (Zempl6nyer Gespannsch.),
Papa (Veßprimer Gespannschast), KeeskeuuU und Nagy Körös (Pesther Gesp.).
Z) Lyceen bei allen drei Confessionen, wie das katholische in Erlau, Temesvür,
Szegedin n. a. O., das lutherisch-protestantische zu Preßburg, Oedeuburg, Kas¬
uars u. s. w., das calviuische zu Szigeth, Lvfonz, Miskolz u. a. O.

Doch stehen diese Namen durchaus in keinem Verhältnisse mit der Rangord¬
nung oder dein innern Gehalt dieser Anstalten, und scheinen sie meist der Laune
des ersten Hundators ihr Entstehen zu verdanken.

Der „Hörer der Philosophie" wurde bei den Katholiken, von den Hanpt-
lehrgegenständen, im ersten Jahre „log-lauf", im zweiten „pIi^siLU»" genannt; bei
den Reformirten „novllius" und „blau»". Osficielle Lehrgegenstände waren:
Z) die eigentlich philosophischen, lind zwar: Logik, Psychologie und mow-
pl>^sica i>un>. für das erste, uiol.al>I>^!c^ dei»i>lou>^ und ^knie>8<>i)1ü^ nior^ki» für
das zweite Jahr. 2) Die mathematische», als: Arithmetik, Geometrie im
ersten, i>uU,llU8i!, u^U^nu, und Physik im zweiten Jahre. 3) Die historischen,



Zwar finden wir auch bei den Katholiken sogenannte Piaristencollegien zu Rosenberg
(LiptanS), DotiS, Gnus, Vcßprini und TemeSv>ir, doch sind diese eigentliche Seminarien
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[0424] aus bloßer Eitelkeit; eine Umkehr aus bloßer Furcht vor der Holle, vou deren Existenz mau handgreiflich überzeugt worden ist; und in diese Eitelkeit und Feig¬ heit fortwährend eine sentimentale Stimmung gemischt, die über die nackte Sünde einen dünnen, lüsternen Schleier wirft — das alles ist eine sehr unangenehme Erscheinung, aber lehrreich für diejenigen unserer protestantischen Ncactionars, die wieder im Begriff sind, jede positive Religion, und die älteste, legitimste am liebsten gelten zu lassen; lehrreich, so lange noch nicht die lebte Spur eines sitt¬ lichen Princips in ihrem Gemüth verwischt ist. Schulwesen in Ungarn. II. Die philosophischen Lehranstalten. Die Mangelhaftigkeit des östreichischen Gymnasialnnterrichtö hat die Noth¬ wendigkeit erzeugt, den Jüngling, welcher sich einem Hochstndinm ans der Uni¬ versität widmen wollte, durch ein Medium wandern zu lassen, das ihm die Befähigung zum Empfang eines hohem Unterrichts geben sollte. Dieses Medium bildete einen Lehrlnrö in zwei Jahrgängen, welcher allgemein „der philosophische" genannt wurde, aber vielmehr den Namen „Matnritätskurö" verdient hätte. Die Anstalten, in welchen dieser Kurs gelehrt wurde, waren uuter drei Namen bekannt: 1) Akademien, welche nur bei den Katholiken in Preßburg, Nab, Kassan und andern Orten anzutreffen waren. 2) Kollegien, ausschließlich bei den Prote¬ stanten helvetischer Evilsession') in Debrezin, Patak (Zempl6nyer Gespannsch.), Papa (Veßprimer Gespannschast), KeeskeuuU und Nagy Körös (Pesther Gesp.). Z) Lyceen bei allen drei Confessionen, wie das katholische in Erlau, Temesvür, Szegedin n. a. O., das lutherisch-protestantische zu Preßburg, Oedeuburg, Kas¬ uars u. s. w., das calviuische zu Szigeth, Lvfonz, Miskolz u. a. O. Doch stehen diese Namen durchaus in keinem Verhältnisse mit der Rangord¬ nung oder dein innern Gehalt dieser Anstalten, und scheinen sie meist der Laune des ersten Hundators ihr Entstehen zu verdanken. Der „Hörer der Philosophie" wurde bei den Katholiken, von den Hanpt- lehrgegenständen, im ersten Jahre „log-lauf", im zweiten „pIi^siLU»" genannt; bei den Reformirten „novllius" und „blau»". Osficielle Lehrgegenstände waren: Z) die eigentlich philosophischen, lind zwar: Logik, Psychologie und mow- pl>^sica i>un>. für das erste, uiol.al>I>^!c^ dei»i>lou>^ und ^knie>8<>i)1ü^ nior^ki» für das zweite Jahr. 2) Die mathematische», als: Arithmetik, Geometrie im ersten, i>uU,llU8i!, u^U^nu, und Physik im zweiten Jahre. 3) Die historischen, Zwar finden wir auch bei den Katholiken sogenannte Piaristencollegien zu Rosenberg (LiptanS), DotiS, Gnus, Vcßprini und TemeSv>ir, doch sind diese eigentliche Seminarien und bloß für geistliche Zöglinge eingerichtet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/424>, abgerufen am 29.06.2024.