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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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am Siege. Noch lange wird das Urtheil der Menschen über sie sehr verschieden
lauten, aber über diesen Erfolg wird die Freude doch eine allgemeine sein/)





Die Momken bei den Serben.



Bei alleu kriegerischen Völkern, welche in der Periode ihres Wachsthums
sind, wo die persönliche Tapferkeit des Maunes als die höchste Tugend gilt, ent¬
wickeln sich die idealen Empfindungen der kriegerischen Ehre gegenüber dem Feind,
und der kriegerische" Treue gegenüber dem Verbündeten stark und eigenthümlich.
Wenn das Volk in viele Stamme, angesehene Familien und selbstständige Ort¬
schaften geschieden ist und die Kriegführung in Raufereien und Fehden einzelner
Häuptlinge besteht, da wird natürlich auch die Poesie des Kampfes eine andre
als da, wo größere Truppenmassen mit fester militärischer Organisation in das
Feld rücken. Es ist sehr interessant und lehrreich, die Natur der Empfindungen,
durch welche ein einfaches Volk die ersten Schritte auf dein Gebiet der Huma¬
nität macht, zu untersuchen und die Aehnlichkeite" und Verschiedenheiten, welche
sich bei den verschiedenen Völker zeigen, neben einander zu halten. Die Treue
gegen deu Häuptling war bei den ältesten Römern, bei den Germanen, bei den
Celten, wie jetzt bei den Serben eine männliche Tugend, welche durch deu Glanz
der Religion verklärt, den rohen Egoismus des Einzelnen aufhob. Wenn die
Familie der erste Grund war, aus welchem sich die Idee des Patriotismus aufbaute,
so war das Verhältniß zwischen dem Häuptling und seinen Augehörigen die nächste
Stufe zur Ausbildung derselben. -- Noch bis in die neueste Zeit bestand bei den
Serben der uralte Brauch, daß junge Männer, Abenteurer, Schutzbedürftige, Stamm-
genossen mit einem Häuptling, einem Verwandten oder Fremden, in ein inniges
Verhältniß traten, welches sie ihm persönlich näher stellte, als viele Mitglieder
seiner Familie. Sie heißen seine Momken, sind seine Gefährten und Vertrauten
bei allen Unternehmungen, vor Allein verpflichtet, Sinn persönliches Interesse wahr-'
zunehmen, sein Leben mit dein ihren zu erkaufen, seinen Tod unversöhnlich zu
räche". Dafür werden sie voll ihm unterhalten, er gibt ihnen Brod und Wein,
Kleider, Pferde und Waffen, aber keinen Sold, denn die gegenseitige Verpflich¬
tung ist wie die zwischen Verwandte", seine Börse aber steht ihnen offen, ohne
daß beide Theile mit einannder abrechne", außer auf dem Schlachtfeld.


Wir daven diese" Artikel gern aufgenommen. ES macht einer Redaction mehr Frende
zu rühmen, als zu tadeln; wir sind überzeugt, daß der verehrte Einsender in Vielem Recht
hat, und mühen uns ehrlich, mit unserm Urtheil dem seinen zu folgen. Aber es ist ihm doch
nicht gelungen, unsere schwarzen Gedanken in ministerielles Weis? zu verwandeln.

am Siege. Noch lange wird das Urtheil der Menschen über sie sehr verschieden
lauten, aber über diesen Erfolg wird die Freude doch eine allgemeine sein/)





Die Momken bei den Serben.



Bei alleu kriegerischen Völkern, welche in der Periode ihres Wachsthums
sind, wo die persönliche Tapferkeit des Maunes als die höchste Tugend gilt, ent¬
wickeln sich die idealen Empfindungen der kriegerischen Ehre gegenüber dem Feind,
und der kriegerische» Treue gegenüber dem Verbündeten stark und eigenthümlich.
Wenn das Volk in viele Stamme, angesehene Familien und selbstständige Ort¬
schaften geschieden ist und die Kriegführung in Raufereien und Fehden einzelner
Häuptlinge besteht, da wird natürlich auch die Poesie des Kampfes eine andre
als da, wo größere Truppenmassen mit fester militärischer Organisation in das
Feld rücken. Es ist sehr interessant und lehrreich, die Natur der Empfindungen,
durch welche ein einfaches Volk die ersten Schritte auf dein Gebiet der Huma¬
nität macht, zu untersuchen und die Aehnlichkeite» und Verschiedenheiten, welche
sich bei den verschiedenen Völker zeigen, neben einander zu halten. Die Treue
gegen deu Häuptling war bei den ältesten Römern, bei den Germanen, bei den
Celten, wie jetzt bei den Serben eine männliche Tugend, welche durch deu Glanz
der Religion verklärt, den rohen Egoismus des Einzelnen aufhob. Wenn die
Familie der erste Grund war, aus welchem sich die Idee des Patriotismus aufbaute,
so war das Verhältniß zwischen dem Häuptling und seinen Augehörigen die nächste
Stufe zur Ausbildung derselben. — Noch bis in die neueste Zeit bestand bei den
Serben der uralte Brauch, daß junge Männer, Abenteurer, Schutzbedürftige, Stamm-
genossen mit einem Häuptling, einem Verwandten oder Fremden, in ein inniges
Verhältniß traten, welches sie ihm persönlich näher stellte, als viele Mitglieder
seiner Familie. Sie heißen seine Momken, sind seine Gefährten und Vertrauten
bei allen Unternehmungen, vor Allein verpflichtet, Sinn persönliches Interesse wahr-'
zunehmen, sein Leben mit dein ihren zu erkaufen, seinen Tod unversöhnlich zu
räche». Dafür werden sie voll ihm unterhalten, er gibt ihnen Brod und Wein,
Kleider, Pferde und Waffen, aber keinen Sold, denn die gegenseitige Verpflich¬
tung ist wie die zwischen Verwandte», seine Börse aber steht ihnen offen, ohne
daß beide Theile mit einannder abrechne», außer auf dem Schlachtfeld.


Wir daven diese» Artikel gern aufgenommen. ES macht einer Redaction mehr Frende
zu rühmen, als zu tadeln; wir sind überzeugt, daß der verehrte Einsender in Vielem Recht
hat, und mühen uns ehrlich, mit unserm Urtheil dem seinen zu folgen. Aber es ist ihm doch
nicht gelungen, unsere schwarzen Gedanken in ministerielles Weis? zu verwandeln.
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[0042] am Siege. Noch lange wird das Urtheil der Menschen über sie sehr verschieden lauten, aber über diesen Erfolg wird die Freude doch eine allgemeine sein/) Die Momken bei den Serben. Bei alleu kriegerischen Völkern, welche in der Periode ihres Wachsthums sind, wo die persönliche Tapferkeit des Maunes als die höchste Tugend gilt, ent¬ wickeln sich die idealen Empfindungen der kriegerischen Ehre gegenüber dem Feind, und der kriegerische» Treue gegenüber dem Verbündeten stark und eigenthümlich. Wenn das Volk in viele Stamme, angesehene Familien und selbstständige Ort¬ schaften geschieden ist und die Kriegführung in Raufereien und Fehden einzelner Häuptlinge besteht, da wird natürlich auch die Poesie des Kampfes eine andre als da, wo größere Truppenmassen mit fester militärischer Organisation in das Feld rücken. Es ist sehr interessant und lehrreich, die Natur der Empfindungen, durch welche ein einfaches Volk die ersten Schritte auf dein Gebiet der Huma¬ nität macht, zu untersuchen und die Aehnlichkeite» und Verschiedenheiten, welche sich bei den verschiedenen Völker zeigen, neben einander zu halten. Die Treue gegen deu Häuptling war bei den ältesten Römern, bei den Germanen, bei den Celten, wie jetzt bei den Serben eine männliche Tugend, welche durch deu Glanz der Religion verklärt, den rohen Egoismus des Einzelnen aufhob. Wenn die Familie der erste Grund war, aus welchem sich die Idee des Patriotismus aufbaute, so war das Verhältniß zwischen dem Häuptling und seinen Augehörigen die nächste Stufe zur Ausbildung derselben. — Noch bis in die neueste Zeit bestand bei den Serben der uralte Brauch, daß junge Männer, Abenteurer, Schutzbedürftige, Stamm- genossen mit einem Häuptling, einem Verwandten oder Fremden, in ein inniges Verhältniß traten, welches sie ihm persönlich näher stellte, als viele Mitglieder seiner Familie. Sie heißen seine Momken, sind seine Gefährten und Vertrauten bei allen Unternehmungen, vor Allein verpflichtet, Sinn persönliches Interesse wahr-' zunehmen, sein Leben mit dein ihren zu erkaufen, seinen Tod unversöhnlich zu räche». Dafür werden sie voll ihm unterhalten, er gibt ihnen Brod und Wein, Kleider, Pferde und Waffen, aber keinen Sold, denn die gegenseitige Verpflich¬ tung ist wie die zwischen Verwandte», seine Börse aber steht ihnen offen, ohne daß beide Theile mit einannder abrechne», außer auf dem Schlachtfeld. Wir daven diese» Artikel gern aufgenommen. ES macht einer Redaction mehr Frende zu rühmen, als zu tadeln; wir sind überzeugt, daß der verehrte Einsender in Vielem Recht hat, und mühen uns ehrlich, mit unserm Urtheil dem seinen zu folgen. Aber es ist ihm doch nicht gelungen, unsere schwarzen Gedanken in ministerielles Weis? zu verwandeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/42>, abgerufen am 22.07.2024.