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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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komme ich später zurück. Der jüngere Verein, Euterpe, welcher über so bedeu-
tende Mittel keineswegs zu disponiren hat, hat unter der einsichtsvollen Leitung
des jetzigen Dirigenten, Hrn. Riccius, eines jungen, sehr strebsamen Musikers,
einen erfreulichen Aufschwung genommen. -- Von dem eigentlichen Höhepunkt
unserer musikalischen Leistungen, der Kammermusik, ein andermal. -- Nur noch
einige Worte über die Oper. Außer dem Prophet, über den wir oben referirt,
hatten wir zwei Novitäten, das Diamantkreuz vou Siegfried Salomau
aus Kopenhagen und die Deserteure vou Conrad. Der größere Erfolg, den
die letztere Oper davontrug, liegt in localen Gründen. Das Thal von Andorra,
das hier die in hohem Grad verdiente Anerkennung fand, die ihm Berlin ver¬
sagte, ist seit dem Abgang der Frlu. Wurst schlafen gegangen; desto mehr Ge¬
legenheit hatte das Leipziger Publikum, die niedlichen Melodieen ans Martha und
dem Maskenball sich einzuprägen. -- Der Oper droht durch den Abgang des
besten unter unsern Sängern, des Bassisten Salomon, nach Berlin, ein sehr
empfindlicher Verlust, der schwer zu ersetzen sein dürfte, und der noch größer wäre,
wenn es sich bestätigte, daß auch Frl. Mayer uus verläßt. Fr. Gundy ist
wohl nur vorübergehend engagirt; Frim. Bret hat noch wenig Gelegenheit ge¬
habt, sich zu zeigen. In ihrem Debüt als Oberpriesterin in der Vestalin erntete
sie reichen Beifall ein. Frau Günther-Bachmann hat mit ihrem liebens¬
würdigen Gesang, der uur leider zuweilen über die Kräfte angestrengt wird, wie
als Mamsell Zephyrine im Diamantkrenz, einer schwierigen Cvloratur-Partie,
überall aushelfen müssen. -- Von den männlichen Mitgliedern befriedigt der Tenor,
Hr. Wiedemann, am meisten; Hr. Böse, der Baß, hat unsern Behr nicht
ersetzen können, und der Bariton ist gar schwach. Als Tenor-Bnffv leistet Hr.
Henry aucrkeuueuswerthes. -- Das Orchester ist ausgezeichnet, dagegen lassen
die Chöre sehr viel zu wünschen übrig, was nicht an der vortrefflichen musikalische,!
Direction liegt, souderu an der Neigung unsers gegenwärtigen Theaters, mehr
aus die Beine als ans die Kehle zu verwenden. Das Ballet cultivirt sich immer
mehr, und macht doch keinem eine rechte Frende, denn mit der Berliner Pracht
können wir doch nicht wetteifern, und in diesem Genre erregen Sprünge, die nicht
die höchste Höhe erreichen, mir Bedauern.




Die Kampfe des Ministeriums.

Jetzt, wo das Geschick deö Kaiserstaats sich hinter verschloßenen Thüren der
Ministerien und des Kaiserlichen Kabinettes abspielt, bringen nnr einzelne Gerüchte
über das Verhältniß der Machthaber zu einander in das große Publikum, eine


komme ich später zurück. Der jüngere Verein, Euterpe, welcher über so bedeu-
tende Mittel keineswegs zu disponiren hat, hat unter der einsichtsvollen Leitung
des jetzigen Dirigenten, Hrn. Riccius, eines jungen, sehr strebsamen Musikers,
einen erfreulichen Aufschwung genommen. — Von dem eigentlichen Höhepunkt
unserer musikalischen Leistungen, der Kammermusik, ein andermal. — Nur noch
einige Worte über die Oper. Außer dem Prophet, über den wir oben referirt,
hatten wir zwei Novitäten, das Diamantkreuz vou Siegfried Salomau
aus Kopenhagen und die Deserteure vou Conrad. Der größere Erfolg, den
die letztere Oper davontrug, liegt in localen Gründen. Das Thal von Andorra,
das hier die in hohem Grad verdiente Anerkennung fand, die ihm Berlin ver¬
sagte, ist seit dem Abgang der Frlu. Wurst schlafen gegangen; desto mehr Ge¬
legenheit hatte das Leipziger Publikum, die niedlichen Melodieen ans Martha und
dem Maskenball sich einzuprägen. — Der Oper droht durch den Abgang des
besten unter unsern Sängern, des Bassisten Salomon, nach Berlin, ein sehr
empfindlicher Verlust, der schwer zu ersetzen sein dürfte, und der noch größer wäre,
wenn es sich bestätigte, daß auch Frl. Mayer uus verläßt. Fr. Gundy ist
wohl nur vorübergehend engagirt; Frim. Bret hat noch wenig Gelegenheit ge¬
habt, sich zu zeigen. In ihrem Debüt als Oberpriesterin in der Vestalin erntete
sie reichen Beifall ein. Frau Günther-Bachmann hat mit ihrem liebens¬
würdigen Gesang, der uur leider zuweilen über die Kräfte angestrengt wird, wie
als Mamsell Zephyrine im Diamantkrenz, einer schwierigen Cvloratur-Partie,
überall aushelfen müssen. — Von den männlichen Mitgliedern befriedigt der Tenor,
Hr. Wiedemann, am meisten; Hr. Böse, der Baß, hat unsern Behr nicht
ersetzen können, und der Bariton ist gar schwach. Als Tenor-Bnffv leistet Hr.
Henry aucrkeuueuswerthes. — Das Orchester ist ausgezeichnet, dagegen lassen
die Chöre sehr viel zu wünschen übrig, was nicht an der vortrefflichen musikalische,!
Direction liegt, souderu an der Neigung unsers gegenwärtigen Theaters, mehr
aus die Beine als ans die Kehle zu verwenden. Das Ballet cultivirt sich immer
mehr, und macht doch keinem eine rechte Frende, denn mit der Berliner Pracht
können wir doch nicht wetteifern, und in diesem Genre erregen Sprünge, die nicht
die höchste Höhe erreichen, mir Bedauern.




Die Kampfe des Ministeriums.

Jetzt, wo das Geschick deö Kaiserstaats sich hinter verschloßenen Thüren der
Ministerien und des Kaiserlichen Kabinettes abspielt, bringen nnr einzelne Gerüchte
über das Verhältniß der Machthaber zu einander in das große Publikum, eine


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[0036] komme ich später zurück. Der jüngere Verein, Euterpe, welcher über so bedeu- tende Mittel keineswegs zu disponiren hat, hat unter der einsichtsvollen Leitung des jetzigen Dirigenten, Hrn. Riccius, eines jungen, sehr strebsamen Musikers, einen erfreulichen Aufschwung genommen. — Von dem eigentlichen Höhepunkt unserer musikalischen Leistungen, der Kammermusik, ein andermal. — Nur noch einige Worte über die Oper. Außer dem Prophet, über den wir oben referirt, hatten wir zwei Novitäten, das Diamantkreuz vou Siegfried Salomau aus Kopenhagen und die Deserteure vou Conrad. Der größere Erfolg, den die letztere Oper davontrug, liegt in localen Gründen. Das Thal von Andorra, das hier die in hohem Grad verdiente Anerkennung fand, die ihm Berlin ver¬ sagte, ist seit dem Abgang der Frlu. Wurst schlafen gegangen; desto mehr Ge¬ legenheit hatte das Leipziger Publikum, die niedlichen Melodieen ans Martha und dem Maskenball sich einzuprägen. — Der Oper droht durch den Abgang des besten unter unsern Sängern, des Bassisten Salomon, nach Berlin, ein sehr empfindlicher Verlust, der schwer zu ersetzen sein dürfte, und der noch größer wäre, wenn es sich bestätigte, daß auch Frl. Mayer uus verläßt. Fr. Gundy ist wohl nur vorübergehend engagirt; Frim. Bret hat noch wenig Gelegenheit ge¬ habt, sich zu zeigen. In ihrem Debüt als Oberpriesterin in der Vestalin erntete sie reichen Beifall ein. Frau Günther-Bachmann hat mit ihrem liebens¬ würdigen Gesang, der uur leider zuweilen über die Kräfte angestrengt wird, wie als Mamsell Zephyrine im Diamantkrenz, einer schwierigen Cvloratur-Partie, überall aushelfen müssen. — Von den männlichen Mitgliedern befriedigt der Tenor, Hr. Wiedemann, am meisten; Hr. Böse, der Baß, hat unsern Behr nicht ersetzen können, und der Bariton ist gar schwach. Als Tenor-Bnffv leistet Hr. Henry aucrkeuueuswerthes. — Das Orchester ist ausgezeichnet, dagegen lassen die Chöre sehr viel zu wünschen übrig, was nicht an der vortrefflichen musikalische,! Direction liegt, souderu an der Neigung unsers gegenwärtigen Theaters, mehr aus die Beine als ans die Kehle zu verwenden. Das Ballet cultivirt sich immer mehr, und macht doch keinem eine rechte Frende, denn mit der Berliner Pracht können wir doch nicht wetteifern, und in diesem Genre erregen Sprünge, die nicht die höchste Höhe erreichen, mir Bedauern. Die Kampfe des Ministeriums. Jetzt, wo das Geschick deö Kaiserstaats sich hinter verschloßenen Thüren der Ministerien und des Kaiserlichen Kabinettes abspielt, bringen nnr einzelne Gerüchte über das Verhältniß der Machthaber zu einander in das große Publikum, eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/36>, abgerufen am 29.06.2024.