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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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größer. Die Soldaten sahen weinend viele Todte, die der Hunger und der Frost
abgerufen; Hunderten waren von der schrecklichen Kälte Füße und Hände erfroren,
sie konnten sich nicht vom Platze schleppen. "n'ne große Anzahl starb sogleich,
weil sie allzu begierig die dargebotenen ^ebensmittel verschlang. Sie hatten
in den letzten Tagen von Baumrinden gelebt und den Durst mit Schnee gestillt. --
sechshundert Flüchtlinge t'amen in Thorda an, ebensoviele in Klansenbnrg; blasse
Jammergestalten mit dem Ausdrucke des (lntsetzenö in den Zügen. -- (5ewa acht-°
hundert Mensche" mögen in jener Schreckenonacht in Enyed ermordet morden
sein.

In denselben Tagen ward auch Jura, einem schönen Marktflecken in den
Ti'orocytl'.er Gebirgen, das Schicksal (Äweds. Dort starben <>8 Ungarn. --

Miearesen, den ich persönlich kannte, wurde von uns nach Thorda gebracht;
sein starker Körper überstand anch diese rauhe Faire ans einem offenen Wagen
unter Strohbündeln, er genaht; aus seinein Munde habe ich die Beschreibung der
S. letzten Augenblicke eines braven, hochherzigen Freundes.




Ungarns Gegenwart*).



(An Manifest der alteonservativen Partei nnter den Magyaren, von einem
der Häupter derselben abgefaßt, und in seiner Art ebenso wichtig, als das Werk
von Andrian, über welches wir vor einigen Wochen referirt haben.

(5s geht ans dieser Schrift, die unter deu lwflichsten, bescheidensten, mitunter
möchte man sagen, demüthigsten Formen einen großen lernst und eine bittere
Ironie versteckt, nnwiderleglick hervor, daß die östreichische Regierung mit ihrem
Centralisatioilsversneh iii llngarii scheitern muß, oder vielmehr schon gescheitert ist.

Von "nserm Standpunkt ans müssen nur bekennen, daß diese Ueberzeugung für
uns keine freudige ist. Wir nuissen hier streng unterscheiden. Der Verfasser hat
ganz richtig nachgewiesen, wie im Einzelnen das Ministerium eine Meuge von
Ungeschicklichkeiten begangen hat, die seiner Sache den größten Schaden gethan
haben; wie es Brutalität in den Formen fortwährend mit einem unklaren Schwanken
in dem Wesen der Sache verbunden hat. <5r zeigt im Einzelnen, wie so Manches
hätte besser gemacht werden können, und wir glauben ihm gern, das; er überall
Recht hat; aber das ist nicht die Haulsaehe.

Der Plan, welchen das Ministerium Stadion in sein Programm aufgenommen
bat: Aufhebung des bisherigen bloß äiißerlicheii. Staatenverbandes, der nnter dem



) Mai >"^1. Win,, Jnöpn-, Hu^l ""5 Mainz.

größer. Die Soldaten sahen weinend viele Todte, die der Hunger und der Frost
abgerufen; Hunderten waren von der schrecklichen Kälte Füße und Hände erfroren,
sie konnten sich nicht vom Platze schleppen. «n'ne große Anzahl starb sogleich,
weil sie allzu begierig die dargebotenen ^ebensmittel verschlang. Sie hatten
in den letzten Tagen von Baumrinden gelebt und den Durst mit Schnee gestillt. —
sechshundert Flüchtlinge t'amen in Thorda an, ebensoviele in Klansenbnrg; blasse
Jammergestalten mit dem Ausdrucke des (lntsetzenö in den Zügen. — (5ewa acht-°
hundert Mensche» mögen in jener Schreckenonacht in Enyed ermordet morden
sein.

In denselben Tagen ward auch Jura, einem schönen Marktflecken in den
Ti'orocytl'.er Gebirgen, das Schicksal (Äweds. Dort starben <>8 Ungarn. —

Miearesen, den ich persönlich kannte, wurde von uns nach Thorda gebracht;
sein starker Körper überstand anch diese rauhe Faire ans einem offenen Wagen
unter Strohbündeln, er genaht; aus seinein Munde habe ich die Beschreibung der
S. letzten Augenblicke eines braven, hochherzigen Freundes.




Ungarns Gegenwart*).



(An Manifest der alteonservativen Partei nnter den Magyaren, von einem
der Häupter derselben abgefaßt, und in seiner Art ebenso wichtig, als das Werk
von Andrian, über welches wir vor einigen Wochen referirt haben.

(5s geht ans dieser Schrift, die unter deu lwflichsten, bescheidensten, mitunter
möchte man sagen, demüthigsten Formen einen großen lernst und eine bittere
Ironie versteckt, nnwiderleglick hervor, daß die östreichische Regierung mit ihrem
Centralisatioilsversneh iii llngarii scheitern muß, oder vielmehr schon gescheitert ist.

Von »nserm Standpunkt ans müssen nur bekennen, daß diese Ueberzeugung für
uns keine freudige ist. Wir nuissen hier streng unterscheiden. Der Verfasser hat
ganz richtig nachgewiesen, wie im Einzelnen das Ministerium eine Meuge von
Ungeschicklichkeiten begangen hat, die seiner Sache den größten Schaden gethan
haben; wie es Brutalität in den Formen fortwährend mit einem unklaren Schwanken
in dem Wesen der Sache verbunden hat. <5r zeigt im Einzelnen, wie so Manches
hätte besser gemacht werden können, und wir glauben ihm gern, das; er überall
Recht hat; aber das ist nicht die Haulsaehe.

Der Plan, welchen das Ministerium Stadion in sein Programm aufgenommen
bat: Aufhebung des bisherigen bloß äiißerlicheii. Staatenverbandes, der nnter dem



) Mai >«^1. Win,, Jnöpn-, Hu^l ""5 Mainz.
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[0346] größer. Die Soldaten sahen weinend viele Todte, die der Hunger und der Frost abgerufen; Hunderten waren von der schrecklichen Kälte Füße und Hände erfroren, sie konnten sich nicht vom Platze schleppen. «n'ne große Anzahl starb sogleich, weil sie allzu begierig die dargebotenen ^ebensmittel verschlang. Sie hatten in den letzten Tagen von Baumrinden gelebt und den Durst mit Schnee gestillt. — sechshundert Flüchtlinge t'amen in Thorda an, ebensoviele in Klansenbnrg; blasse Jammergestalten mit dem Ausdrucke des (lntsetzenö in den Zügen. — (5ewa acht-° hundert Mensche» mögen in jener Schreckenonacht in Enyed ermordet morden sein. In denselben Tagen ward auch Jura, einem schönen Marktflecken in den Ti'orocytl'.er Gebirgen, das Schicksal (Äweds. Dort starben <>8 Ungarn. — Miearesen, den ich persönlich kannte, wurde von uns nach Thorda gebracht; sein starker Körper überstand anch diese rauhe Faire ans einem offenen Wagen unter Strohbündeln, er genaht; aus seinein Munde habe ich die Beschreibung der S. letzten Augenblicke eines braven, hochherzigen Freundes. Ungarns Gegenwart*). (An Manifest der alteonservativen Partei nnter den Magyaren, von einem der Häupter derselben abgefaßt, und in seiner Art ebenso wichtig, als das Werk von Andrian, über welches wir vor einigen Wochen referirt haben. (5s geht ans dieser Schrift, die unter deu lwflichsten, bescheidensten, mitunter möchte man sagen, demüthigsten Formen einen großen lernst und eine bittere Ironie versteckt, nnwiderleglick hervor, daß die östreichische Regierung mit ihrem Centralisatioilsversneh iii llngarii scheitern muß, oder vielmehr schon gescheitert ist. Von »nserm Standpunkt ans müssen nur bekennen, daß diese Ueberzeugung für uns keine freudige ist. Wir nuissen hier streng unterscheiden. Der Verfasser hat ganz richtig nachgewiesen, wie im Einzelnen das Ministerium eine Meuge von Ungeschicklichkeiten begangen hat, die seiner Sache den größten Schaden gethan haben; wie es Brutalität in den Formen fortwährend mit einem unklaren Schwanken in dem Wesen der Sache verbunden hat. <5r zeigt im Einzelnen, wie so Manches hätte besser gemacht werden können, und wir glauben ihm gern, das; er überall Recht hat; aber das ist nicht die Haulsaehe. Der Plan, welchen das Ministerium Stadion in sein Programm aufgenommen bat: Aufhebung des bisherigen bloß äiißerlicheii. Staatenverbandes, der nnter dem ) Mai >«^1. Win,, Jnöpn-, Hu^l ""5 Mainz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/346>, abgerufen am 29.06.2024.