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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Wir werden fortfahren, die gegenwärtige Lage Oestreichs, so wie sie in
Wahrheit ist, darzustellen, die Männer, welche jetzt regieren, und ihre Hand¬
lungen zu beurtheilen und der trostlosen Gegenwart des Staats das praktische
Ideal eines verjüngten und kräftigern Oestreichs vorzuhalten. Unsere Absicht ist,
das durchsetzen zu helfen, was dem Kaiserstaat die einzige Möglichkeit einer ge¬
sicherten Zukunft gibt:

Das; ein Ende gewacht werde mit der administrativen Herrschaft der com-
mandirenden Generäle; daß das Ministerium Schwarzenberg einem andern Platz
mache, welches den Staat "ach deu Grundsätzen des Programms von Nndriani
organisirt.

Beide Forderungen wird unsere Partei durchsetzen, aber Schweres wird
Oestreich und wir alle bis dahin noch tragen müssen; zunächst wahrscheinlich ein
Ministerium von reinen HochtoryS.




A u s Prag.

Die Baume grünen wieder! noch vierzehn Tage, und ein Jahr ist um, seit man
das ernste Prag, das seit dem Jahre 1620 ernst geblieben, dem Kriegsgesctze ungesetz¬
lich unterwarf, und doch ist in unseren trostlosen Zuständen keine Aenderung eingetreten,
es wäre denn, daß sie noch mißlicher, noch hoffnungsloser wurden, als sie das im Jahre
1840 gewesen, als die Baume wieder grünten.

Ach, unsere Hoffnungen grünen nicht! Einer Schädelstätte gestorbener Hoffnungen,
erstickter Wünsche, zertretener Rechte gleicht unser schönes Vaterland, es siehet einer rus¬
sisch grünen Zukunft entgegen. Die Willkür wird täglich kühner, und wirthschaftet pro¬
visorisch in einer Weise, welche allgemach auch die Gutgesinnten stutzig macht und zu
der Ansicht bringt, es dürsten die ihnen so verhaßten Rcichstagsdcputirten am Ende
dennoch Recht gehabt haben.

Was Maria Theresia, was Joseph der unsterbliche liberale Despot, dem Papismus
abgerungen, gibt das Ministerium heute preis, sehet das i>I"<!odnen i-egium auf, macht
nicht die katholische Kirche, wohl aber die Hierarcheu frei, überantwortet den nie¬
dern Clerus ihrer Allmacht und Willkür, öffnet papistisch-pfäffischen Umtrieb Thür und
Thor, welcher sich demnächst der malkontcntcn Partei des Hochadcls verbünden und die
Freihcitsclcmcutc Oestreichs ersticke" soll.

Die Presse der Hauptstädte wird geknebelt, die Hierarcheu aber macht man
frei, und ist jesuitisch kühn genug, uns zu sagen, in einem Staate, wo heute alles
frei geworden sei, müsse es die Kirche -- ? ebenfalls frei sein, das liege in der Consequenz.

Das kaiserliche Dekret, ohne Gegenzeichnung eines Ministers, lautet
ganz definitiv, womit uus angedeutet werden soll, diese Frage gehöre gar nicht in das
constitutionelle Bereich, ihre Entscheidung sei ein Prärogativ der Krone. Diese entsetz¬
liche Maßregel, welche Oestreich um ein Jahrhundert zurückwirft, ist -- so meint man


Grenzboten.it. 1850. Z9

Wir werden fortfahren, die gegenwärtige Lage Oestreichs, so wie sie in
Wahrheit ist, darzustellen, die Männer, welche jetzt regieren, und ihre Hand¬
lungen zu beurtheilen und der trostlosen Gegenwart des Staats das praktische
Ideal eines verjüngten und kräftigern Oestreichs vorzuhalten. Unsere Absicht ist,
das durchsetzen zu helfen, was dem Kaiserstaat die einzige Möglichkeit einer ge¬
sicherten Zukunft gibt:

Das; ein Ende gewacht werde mit der administrativen Herrschaft der com-
mandirenden Generäle; daß das Ministerium Schwarzenberg einem andern Platz
mache, welches den Staat «ach deu Grundsätzen des Programms von Nndriani
organisirt.

Beide Forderungen wird unsere Partei durchsetzen, aber Schweres wird
Oestreich und wir alle bis dahin noch tragen müssen; zunächst wahrscheinlich ein
Ministerium von reinen HochtoryS.




A u s Prag.

Die Baume grünen wieder! noch vierzehn Tage, und ein Jahr ist um, seit man
das ernste Prag, das seit dem Jahre 1620 ernst geblieben, dem Kriegsgesctze ungesetz¬
lich unterwarf, und doch ist in unseren trostlosen Zuständen keine Aenderung eingetreten,
es wäre denn, daß sie noch mißlicher, noch hoffnungsloser wurden, als sie das im Jahre
1840 gewesen, als die Baume wieder grünten.

Ach, unsere Hoffnungen grünen nicht! Einer Schädelstätte gestorbener Hoffnungen,
erstickter Wünsche, zertretener Rechte gleicht unser schönes Vaterland, es siehet einer rus¬
sisch grünen Zukunft entgegen. Die Willkür wird täglich kühner, und wirthschaftet pro¬
visorisch in einer Weise, welche allgemach auch die Gutgesinnten stutzig macht und zu
der Ansicht bringt, es dürsten die ihnen so verhaßten Rcichstagsdcputirten am Ende
dennoch Recht gehabt haben.

Was Maria Theresia, was Joseph der unsterbliche liberale Despot, dem Papismus
abgerungen, gibt das Ministerium heute preis, sehet das i>I»<!odnen i-egium auf, macht
nicht die katholische Kirche, wohl aber die Hierarcheu frei, überantwortet den nie¬
dern Clerus ihrer Allmacht und Willkür, öffnet papistisch-pfäffischen Umtrieb Thür und
Thor, welcher sich demnächst der malkontcntcn Partei des Hochadcls verbünden und die
Freihcitsclcmcutc Oestreichs ersticke» soll.

Die Presse der Hauptstädte wird geknebelt, die Hierarcheu aber macht man
frei, und ist jesuitisch kühn genug, uns zu sagen, in einem Staate, wo heute alles
frei geworden sei, müsse es die Kirche — ? ebenfalls frei sein, das liege in der Consequenz.

Das kaiserliche Dekret, ohne Gegenzeichnung eines Ministers, lautet
ganz definitiv, womit uus angedeutet werden soll, diese Frage gehöre gar nicht in das
constitutionelle Bereich, ihre Entscheidung sei ein Prärogativ der Krone. Diese entsetz¬
liche Maßregel, welche Oestreich um ein Jahrhundert zurückwirft, ist — so meint man


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[0241] Wir werden fortfahren, die gegenwärtige Lage Oestreichs, so wie sie in Wahrheit ist, darzustellen, die Männer, welche jetzt regieren, und ihre Hand¬ lungen zu beurtheilen und der trostlosen Gegenwart des Staats das praktische Ideal eines verjüngten und kräftigern Oestreichs vorzuhalten. Unsere Absicht ist, das durchsetzen zu helfen, was dem Kaiserstaat die einzige Möglichkeit einer ge¬ sicherten Zukunft gibt: Das; ein Ende gewacht werde mit der administrativen Herrschaft der com- mandirenden Generäle; daß das Ministerium Schwarzenberg einem andern Platz mache, welches den Staat «ach deu Grundsätzen des Programms von Nndriani organisirt. Beide Forderungen wird unsere Partei durchsetzen, aber Schweres wird Oestreich und wir alle bis dahin noch tragen müssen; zunächst wahrscheinlich ein Ministerium von reinen HochtoryS. A u s Prag. Die Baume grünen wieder! noch vierzehn Tage, und ein Jahr ist um, seit man das ernste Prag, das seit dem Jahre 1620 ernst geblieben, dem Kriegsgesctze ungesetz¬ lich unterwarf, und doch ist in unseren trostlosen Zuständen keine Aenderung eingetreten, es wäre denn, daß sie noch mißlicher, noch hoffnungsloser wurden, als sie das im Jahre 1840 gewesen, als die Baume wieder grünten. Ach, unsere Hoffnungen grünen nicht! Einer Schädelstätte gestorbener Hoffnungen, erstickter Wünsche, zertretener Rechte gleicht unser schönes Vaterland, es siehet einer rus¬ sisch grünen Zukunft entgegen. Die Willkür wird täglich kühner, und wirthschaftet pro¬ visorisch in einer Weise, welche allgemach auch die Gutgesinnten stutzig macht und zu der Ansicht bringt, es dürsten die ihnen so verhaßten Rcichstagsdcputirten am Ende dennoch Recht gehabt haben. Was Maria Theresia, was Joseph der unsterbliche liberale Despot, dem Papismus abgerungen, gibt das Ministerium heute preis, sehet das i>I»<!odnen i-egium auf, macht nicht die katholische Kirche, wohl aber die Hierarcheu frei, überantwortet den nie¬ dern Clerus ihrer Allmacht und Willkür, öffnet papistisch-pfäffischen Umtrieb Thür und Thor, welcher sich demnächst der malkontcntcn Partei des Hochadcls verbünden und die Freihcitsclcmcutc Oestreichs ersticke» soll. Die Presse der Hauptstädte wird geknebelt, die Hierarcheu aber macht man frei, und ist jesuitisch kühn genug, uns zu sagen, in einem Staate, wo heute alles frei geworden sei, müsse es die Kirche — ? ebenfalls frei sein, das liege in der Consequenz. Das kaiserliche Dekret, ohne Gegenzeichnung eines Ministers, lautet ganz definitiv, womit uus angedeutet werden soll, diese Frage gehöre gar nicht in das constitutionelle Bereich, ihre Entscheidung sei ein Prärogativ der Krone. Diese entsetz¬ liche Maßregel, welche Oestreich um ein Jahrhundert zurückwirft, ist — so meint man Grenzboten.it. 1850. Z9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/241>, abgerufen am 29.06.2024.