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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Die Grenzboten ,ab die kaiserliche Regierung.

Seit die gegenwärtige Redaktion der Grenzboten besteht, versteht unsere
Wochenschrift die leitenden Grundsätze des Programms, welches Andriani aufge¬
stellt hat: Politische Trennung des Kaiserstaats von den deutschen Staaten¬
bildungen , föderative Organisation des östreichischen Staats mit einer starken
Neichsregiernng, und ein völkerrechtliches Bündniß zwischen Oestreich und dem
deutschen Bundesstaat. Für diese Prinzipien, von deren cousequenter Durch¬
führung uns alles politische Heil Oestreichs und Deutschlands abzuhängen scheint,
haben wir uns im Jahre -58 mit der großdentschen Demokratie Wiens herum¬
geschlagen, und im Jahre -59 gegen das Ministerium Schwarzenberg gekämpft,
welches seit der Auflösung des Reichstags von Kremsier allmälig vou dem Boden
seines eigenen Programms, welches den Ueberzeugungen unseres Blattes sehr
nahe stand, herunter gedrängt und zu eiuer Reihe vou unerhörten und höchst ge¬
fährlichen Maßregeln getrieben worden ist, welche seht wie ein Netz die unheiligen
Häupter umstricken und von den Ministersesseln herabziehen. Wir stehen in
Waffen gegen das Ministerium, weil wir hinter den revolutionären und unsitt¬
lichen Maßregeln desselben einen Abgrund gähnen sehen, der mehr verschlingen
wird, als die Personen der Minister. Seit jenem Schwindler Law hat es kein
unsolideres, Treu und Ehrlichkeit mehr vernichtendes Verfahren gegeben, als die
Finanzoperationen der kaiserlichen Regierung sind; seit dem dreißigjährigen Kriege
keine so gesetzlose und tyrannische Soldatenhcrrschaft, als jetzt aus deu meisten
Provinzen des Staates liegt; seit den Organisationsplänen der französischen Re¬
volution kein so gefährliches Spiel mit papiernen Gesetzentwürfen und unausführ¬
baren Organisationöplänen. Das Elend, welches durch alle diese Maßregeln in deu
Kaiserstaat hereingeschleppt worden ist, beginnt jetzt anch dem'Kurzsichtigen klar zu
werden, lind wer den Staat liebt, und seine (Mstenz für etwas Nützliches und Großes
hält, der hat die ernste Pflicht, dagegen aufzutreten, ohne Schonung und ohne Furcht.
Nußer der blöden oder vertrauenden Masse, welche Jedem folgt, der die Macht
in Händen hat, besitzt die gegenwärtige Regierung Oestreichs in deu. Gränzen
des Reiches nur eine Klasse von Verbündeten, die demokratischen Pessimisten, welche
mit kaltem Lächeln zusehen, wie der Staat der Habsburger zu Grunde geht.
Glücklicherweise ist diese Partei in Oestreich weniger zahlreich, als in andern Staa¬
ten. Unsere Partei aber, die man in Deutschland mit vieldeutigen Wort die
liberale nennt, ist jetzt in und für Oestreich die conservirende; sie will die Red¬
lichkeit conserviren, das Gesetz, das kaiserliche Wort, das Leben der Provinzen,
weil nnr durch die Conservirung vou alle dem der Bestand des kaiserlichen Staates
möglich wird. Und die das nicht wollen, oder richtiger gesagt, die das nicht
mehr können, auch wenn sie wollen, das sind die gegenwärtigen Regenten des
Staats, die Generäle und' das Ministerium Schwarzenberg. Und in diesem Sinne


Die Grenzboten ,ab die kaiserliche Regierung.

Seit die gegenwärtige Redaktion der Grenzboten besteht, versteht unsere
Wochenschrift die leitenden Grundsätze des Programms, welches Andriani aufge¬
stellt hat: Politische Trennung des Kaiserstaats von den deutschen Staaten¬
bildungen , föderative Organisation des östreichischen Staats mit einer starken
Neichsregiernng, und ein völkerrechtliches Bündniß zwischen Oestreich und dem
deutschen Bundesstaat. Für diese Prinzipien, von deren cousequenter Durch¬
führung uns alles politische Heil Oestreichs und Deutschlands abzuhängen scheint,
haben wir uns im Jahre -58 mit der großdentschen Demokratie Wiens herum¬
geschlagen, und im Jahre -59 gegen das Ministerium Schwarzenberg gekämpft,
welches seit der Auflösung des Reichstags von Kremsier allmälig vou dem Boden
seines eigenen Programms, welches den Ueberzeugungen unseres Blattes sehr
nahe stand, herunter gedrängt und zu eiuer Reihe vou unerhörten und höchst ge¬
fährlichen Maßregeln getrieben worden ist, welche seht wie ein Netz die unheiligen
Häupter umstricken und von den Ministersesseln herabziehen. Wir stehen in
Waffen gegen das Ministerium, weil wir hinter den revolutionären und unsitt¬
lichen Maßregeln desselben einen Abgrund gähnen sehen, der mehr verschlingen
wird, als die Personen der Minister. Seit jenem Schwindler Law hat es kein
unsolideres, Treu und Ehrlichkeit mehr vernichtendes Verfahren gegeben, als die
Finanzoperationen der kaiserlichen Regierung sind; seit dem dreißigjährigen Kriege
keine so gesetzlose und tyrannische Soldatenhcrrschaft, als jetzt aus deu meisten
Provinzen des Staates liegt; seit den Organisationsplänen der französischen Re¬
volution kein so gefährliches Spiel mit papiernen Gesetzentwürfen und unausführ¬
baren Organisationöplänen. Das Elend, welches durch alle diese Maßregeln in deu
Kaiserstaat hereingeschleppt worden ist, beginnt jetzt anch dem'Kurzsichtigen klar zu
werden, lind wer den Staat liebt, und seine (Mstenz für etwas Nützliches und Großes
hält, der hat die ernste Pflicht, dagegen aufzutreten, ohne Schonung und ohne Furcht.
Nußer der blöden oder vertrauenden Masse, welche Jedem folgt, der die Macht
in Händen hat, besitzt die gegenwärtige Regierung Oestreichs in deu. Gränzen
des Reiches nur eine Klasse von Verbündeten, die demokratischen Pessimisten, welche
mit kaltem Lächeln zusehen, wie der Staat der Habsburger zu Grunde geht.
Glücklicherweise ist diese Partei in Oestreich weniger zahlreich, als in andern Staa¬
ten. Unsere Partei aber, die man in Deutschland mit vieldeutigen Wort die
liberale nennt, ist jetzt in und für Oestreich die conservirende; sie will die Red¬
lichkeit conserviren, das Gesetz, das kaiserliche Wort, das Leben der Provinzen,
weil nnr durch die Conservirung vou alle dem der Bestand des kaiserlichen Staates
möglich wird. Und die das nicht wollen, oder richtiger gesagt, die das nicht
mehr können, auch wenn sie wollen, das sind die gegenwärtigen Regenten des
Staats, die Generäle und' das Ministerium Schwarzenberg. Und in diesem Sinne


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[0238] Die Grenzboten ,ab die kaiserliche Regierung. Seit die gegenwärtige Redaktion der Grenzboten besteht, versteht unsere Wochenschrift die leitenden Grundsätze des Programms, welches Andriani aufge¬ stellt hat: Politische Trennung des Kaiserstaats von den deutschen Staaten¬ bildungen , föderative Organisation des östreichischen Staats mit einer starken Neichsregiernng, und ein völkerrechtliches Bündniß zwischen Oestreich und dem deutschen Bundesstaat. Für diese Prinzipien, von deren cousequenter Durch¬ führung uns alles politische Heil Oestreichs und Deutschlands abzuhängen scheint, haben wir uns im Jahre -58 mit der großdentschen Demokratie Wiens herum¬ geschlagen, und im Jahre -59 gegen das Ministerium Schwarzenberg gekämpft, welches seit der Auflösung des Reichstags von Kremsier allmälig vou dem Boden seines eigenen Programms, welches den Ueberzeugungen unseres Blattes sehr nahe stand, herunter gedrängt und zu eiuer Reihe vou unerhörten und höchst ge¬ fährlichen Maßregeln getrieben worden ist, welche seht wie ein Netz die unheiligen Häupter umstricken und von den Ministersesseln herabziehen. Wir stehen in Waffen gegen das Ministerium, weil wir hinter den revolutionären und unsitt¬ lichen Maßregeln desselben einen Abgrund gähnen sehen, der mehr verschlingen wird, als die Personen der Minister. Seit jenem Schwindler Law hat es kein unsolideres, Treu und Ehrlichkeit mehr vernichtendes Verfahren gegeben, als die Finanzoperationen der kaiserlichen Regierung sind; seit dem dreißigjährigen Kriege keine so gesetzlose und tyrannische Soldatenhcrrschaft, als jetzt aus deu meisten Provinzen des Staates liegt; seit den Organisationsplänen der französischen Re¬ volution kein so gefährliches Spiel mit papiernen Gesetzentwürfen und unausführ¬ baren Organisationöplänen. Das Elend, welches durch alle diese Maßregeln in deu Kaiserstaat hereingeschleppt worden ist, beginnt jetzt anch dem'Kurzsichtigen klar zu werden, lind wer den Staat liebt, und seine (Mstenz für etwas Nützliches und Großes hält, der hat die ernste Pflicht, dagegen aufzutreten, ohne Schonung und ohne Furcht. Nußer der blöden oder vertrauenden Masse, welche Jedem folgt, der die Macht in Händen hat, besitzt die gegenwärtige Regierung Oestreichs in deu. Gränzen des Reiches nur eine Klasse von Verbündeten, die demokratischen Pessimisten, welche mit kaltem Lächeln zusehen, wie der Staat der Habsburger zu Grunde geht. Glücklicherweise ist diese Partei in Oestreich weniger zahlreich, als in andern Staa¬ ten. Unsere Partei aber, die man in Deutschland mit vieldeutigen Wort die liberale nennt, ist jetzt in und für Oestreich die conservirende; sie will die Red¬ lichkeit conserviren, das Gesetz, das kaiserliche Wort, das Leben der Provinzen, weil nnr durch die Conservirung vou alle dem der Bestand des kaiserlichen Staates möglich wird. Und die das nicht wollen, oder richtiger gesagt, die das nicht mehr können, auch wenn sie wollen, das sind die gegenwärtigen Regenten des Staats, die Generäle und' das Ministerium Schwarzenberg. Und in diesem Sinne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/238>, abgerufen am 29.06.2024.