Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Aufwand, wundervolle Decorationen, süperbe Costüme, Sonnenaufgang im We¬
sten, großer Zudrang. Wie mau hört, wird dabei auch Musik gemacht werden.
T)le arme Garcia! Ich horte sie gestern nach Jahren wieder. Große Trümmer-
Überreste! Die Höhe ist zerbröckelt wie bei deu Kapitalen alter Bauwerke ;
im Erdgeschoß dagegen ist noch alles sest, grandios, achtunggebietend. Die wie¬
derholten Sonnenaufgange des Propheten in Paris sollen dieses musikalischeGe
stirn dem Untergange entgegengeführt haben. Das ist traurig und der Prophet
muß sehr großartig sein, wenn man ihm dies Opfer nachsehen soll.

Wollen Sie Berliner überzuckerte Leiden, Schmerzen in Humor eingepökelt,
Misvre in Witz eingewickelt? Dann blättern Sie in einem eben erschienenen Büch¬
lein von Hermann Lessing: "Vor nud Nach dem März!" Primeln und Herbst¬
zeitlose in Einen Straus gebunden. Durch Versehen des Druckers ist auf dem
Titel die Jahreszahl weggeblieben. Der Verfasser meint deu März 18-58. Das
muß künftig deutlich gesagt werden. Denn der berühmte März, der März der
neuen Geschichte, so zu sagen unser März ist schou so alt nud verschwommen,
wie der März wo Cäsar ermordet wurde: Gewisse stylistische Unarten können wir
gar nicht los werden.




Bilder aus Siebenbürgen.
Ein w a l a es i s es e S M ä r es e n. *)

Zu jener Zeit, da noch keine Ungarn und Sachse", uicht einnial Szekler
in Ardalia (Siebenbürgen) wohnten, sondern lauter Walachen, die aber damals
einen andern Namen trugen, geschah es, daß weiter oben, im Gebirge, nicht
weit von der Thordüer Klns, ein Mädchen alle Tage ihre Schafe auf die Waide
trieb. Oft kletterten die Thiere bis hinauf auf des Gebirges Spitzen, wo
jetzt Petcrd liegt, und dann mußte sie ihnen uachklimmeu, so schlecht nud steil
auch der Weg war. Eigentlich war gar kein Pfad in dem sehr dichten Walde,
aber da sie alle Tage dort herumging, kannte sie die ganze Wildniß um die
Felsenschlucht so geuau, daß sie auch Nachts ein verirrtes Schaf gefunden hätte.




Der Verfasser, welcher in Siebenbürgen gelebt hat, als Augenzeuge und Theilnehmer
an den großen und furchtbaren Begebenheiten der letzten Jahre, schrieb diese uralte Sage
dem Munde eines walachischcn Mädchens aus dem schönen Thale deö AranyoS nach. Wir
werden von seiner Hand in den nächsten Heften eine Reihe von Schilderungen bringen, für
deren historische Wahrheit und Genauigkeit uns seine Persönlichkeit und die Stellung, welch¬
er während des Krieges in jenem unglücklichen Lande einnahm, Bürge sind.
**) Der in Siebenbürgen bekannte Felsendurchbruch mit vielen tiefen Höhlen und
Spuren uralter Befestigungen, in wilder Landschaft.
34*

Aufwand, wundervolle Decorationen, süperbe Costüme, Sonnenaufgang im We¬
sten, großer Zudrang. Wie mau hört, wird dabei auch Musik gemacht werden.
T)le arme Garcia! Ich horte sie gestern nach Jahren wieder. Große Trümmer-
Überreste! Die Höhe ist zerbröckelt wie bei deu Kapitalen alter Bauwerke ;
im Erdgeschoß dagegen ist noch alles sest, grandios, achtunggebietend. Die wie¬
derholten Sonnenaufgange des Propheten in Paris sollen dieses musikalischeGe
stirn dem Untergange entgegengeführt haben. Das ist traurig und der Prophet
muß sehr großartig sein, wenn man ihm dies Opfer nachsehen soll.

Wollen Sie Berliner überzuckerte Leiden, Schmerzen in Humor eingepökelt,
Misvre in Witz eingewickelt? Dann blättern Sie in einem eben erschienenen Büch¬
lein von Hermann Lessing: „Vor nud Nach dem März!" Primeln und Herbst¬
zeitlose in Einen Straus gebunden. Durch Versehen des Druckers ist auf dem
Titel die Jahreszahl weggeblieben. Der Verfasser meint deu März 18-58. Das
muß künftig deutlich gesagt werden. Denn der berühmte März, der März der
neuen Geschichte, so zu sagen unser März ist schou so alt nud verschwommen,
wie der März wo Cäsar ermordet wurde: Gewisse stylistische Unarten können wir
gar nicht los werden.




Bilder aus Siebenbürgen.
Ein w a l a es i s es e S M ä r es e n. *)

Zu jener Zeit, da noch keine Ungarn und Sachse», uicht einnial Szekler
in Ardalia (Siebenbürgen) wohnten, sondern lauter Walachen, die aber damals
einen andern Namen trugen, geschah es, daß weiter oben, im Gebirge, nicht
weit von der Thordüer Klns, ein Mädchen alle Tage ihre Schafe auf die Waide
trieb. Oft kletterten die Thiere bis hinauf auf des Gebirges Spitzen, wo
jetzt Petcrd liegt, und dann mußte sie ihnen uachklimmeu, so schlecht nud steil
auch der Weg war. Eigentlich war gar kein Pfad in dem sehr dichten Walde,
aber da sie alle Tage dort herumging, kannte sie die ganze Wildniß um die
Felsenschlucht so geuau, daß sie auch Nachts ein verirrtes Schaf gefunden hätte.




Der Verfasser, welcher in Siebenbürgen gelebt hat, als Augenzeuge und Theilnehmer
an den großen und furchtbaren Begebenheiten der letzten Jahre, schrieb diese uralte Sage
dem Munde eines walachischcn Mädchens aus dem schönen Thale deö AranyoS nach. Wir
werden von seiner Hand in den nächsten Heften eine Reihe von Schilderungen bringen, für
deren historische Wahrheit und Genauigkeit uns seine Persönlichkeit und die Stellung, welch¬
er während des Krieges in jenem unglücklichen Lande einnahm, Bürge sind.
**) Der in Siebenbürgen bekannte Felsendurchbruch mit vielen tiefen Höhlen und
Spuren uralter Befestigungen, in wilder Landschaft.
34*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185531"/>
          <p xml:id="ID_602" prev="#ID_601"> Aufwand, wundervolle Decorationen, süperbe Costüme, Sonnenaufgang im We¬<lb/>
sten, großer Zudrang. Wie mau hört, wird dabei auch Musik gemacht werden.<lb/>
T)le arme Garcia! Ich horte sie gestern nach Jahren wieder. Große Trümmer-<lb/>
Überreste! Die Höhe ist zerbröckelt wie bei deu Kapitalen alter Bauwerke ;<lb/>
im Erdgeschoß dagegen ist noch alles sest, grandios, achtunggebietend. Die wie¬<lb/>
derholten Sonnenaufgange des Propheten in Paris sollen dieses musikalischeGe<lb/>
stirn dem Untergange entgegengeführt haben. Das ist traurig und der Prophet<lb/>
muß sehr großartig sein, wenn man ihm dies Opfer nachsehen soll.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_603"> Wollen Sie Berliner überzuckerte Leiden, Schmerzen in Humor eingepökelt,<lb/>
Misvre in Witz eingewickelt? Dann blättern Sie in einem eben erschienenen Büch¬<lb/>
lein von Hermann Lessing: &#x201E;Vor nud Nach dem März!" Primeln und Herbst¬<lb/>
zeitlose in Einen Straus gebunden. Durch Versehen des Druckers ist auf dem<lb/>
Titel die Jahreszahl weggeblieben. Der Verfasser meint deu März 18-58. Das<lb/>
muß künftig deutlich gesagt werden. Denn der berühmte März, der März der<lb/>
neuen Geschichte, so zu sagen unser März ist schou so alt nud verschwommen,<lb/>
wie der März wo Cäsar ermordet wurde: Gewisse stylistische Unarten können wir<lb/>
gar nicht los werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Bilder aus Siebenbürgen.<lb/>
Ein w a l a es i s es e S M ä r es e n. *)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_604" next="#ID_605"> Zu jener Zeit, da noch keine Ungarn und Sachse», uicht einnial Szekler<lb/>
in Ardalia (Siebenbürgen) wohnten, sondern lauter Walachen, die aber damals<lb/>
einen andern Namen trugen, geschah es, daß weiter oben, im Gebirge, nicht<lb/>
weit von der Thordüer Klns, ein Mädchen alle Tage ihre Schafe auf die Waide<lb/>
trieb. Oft kletterten die Thiere bis hinauf auf des Gebirges Spitzen, wo<lb/>
jetzt Petcrd liegt, und dann mußte sie ihnen uachklimmeu, so schlecht nud steil<lb/>
auch der Weg war. Eigentlich war gar kein Pfad in dem sehr dichten Walde,<lb/>
aber da sie alle Tage dort herumging, kannte sie die ganze Wildniß um die<lb/>
Felsenschlucht so geuau, daß sie auch Nachts ein verirrtes Schaf gefunden hätte.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_22" place="foot"> Der Verfasser, welcher in Siebenbürgen gelebt hat, als Augenzeuge und Theilnehmer<lb/>
an den großen und furchtbaren Begebenheiten der letzten Jahre, schrieb diese uralte Sage<lb/>
dem Munde eines walachischcn Mädchens aus dem schönen Thale deö AranyoS nach. Wir<lb/>
werden von seiner Hand in den nächsten Heften eine Reihe von Schilderungen bringen, für<lb/>
deren historische Wahrheit und Genauigkeit uns seine Persönlichkeit und die Stellung, welch¬<lb/>
er während des Krieges in jenem unglücklichen Lande einnahm, Bürge sind.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_23" place="foot"> **) Der in Siebenbürgen bekannte Felsendurchbruch mit vielen tiefen Höhlen und<lb/>
Spuren uralter Befestigungen, in wilder Landschaft.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 34*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0195] Aufwand, wundervolle Decorationen, süperbe Costüme, Sonnenaufgang im We¬ sten, großer Zudrang. Wie mau hört, wird dabei auch Musik gemacht werden. T)le arme Garcia! Ich horte sie gestern nach Jahren wieder. Große Trümmer- Überreste! Die Höhe ist zerbröckelt wie bei deu Kapitalen alter Bauwerke ; im Erdgeschoß dagegen ist noch alles sest, grandios, achtunggebietend. Die wie¬ derholten Sonnenaufgange des Propheten in Paris sollen dieses musikalischeGe stirn dem Untergange entgegengeführt haben. Das ist traurig und der Prophet muß sehr großartig sein, wenn man ihm dies Opfer nachsehen soll. Wollen Sie Berliner überzuckerte Leiden, Schmerzen in Humor eingepökelt, Misvre in Witz eingewickelt? Dann blättern Sie in einem eben erschienenen Büch¬ lein von Hermann Lessing: „Vor nud Nach dem März!" Primeln und Herbst¬ zeitlose in Einen Straus gebunden. Durch Versehen des Druckers ist auf dem Titel die Jahreszahl weggeblieben. Der Verfasser meint deu März 18-58. Das muß künftig deutlich gesagt werden. Denn der berühmte März, der März der neuen Geschichte, so zu sagen unser März ist schou so alt nud verschwommen, wie der März wo Cäsar ermordet wurde: Gewisse stylistische Unarten können wir gar nicht los werden. Bilder aus Siebenbürgen. Ein w a l a es i s es e S M ä r es e n. *) Zu jener Zeit, da noch keine Ungarn und Sachse», uicht einnial Szekler in Ardalia (Siebenbürgen) wohnten, sondern lauter Walachen, die aber damals einen andern Namen trugen, geschah es, daß weiter oben, im Gebirge, nicht weit von der Thordüer Klns, ein Mädchen alle Tage ihre Schafe auf die Waide trieb. Oft kletterten die Thiere bis hinauf auf des Gebirges Spitzen, wo jetzt Petcrd liegt, und dann mußte sie ihnen uachklimmeu, so schlecht nud steil auch der Weg war. Eigentlich war gar kein Pfad in dem sehr dichten Walde, aber da sie alle Tage dort herumging, kannte sie die ganze Wildniß um die Felsenschlucht so geuau, daß sie auch Nachts ein verirrtes Schaf gefunden hätte. Der Verfasser, welcher in Siebenbürgen gelebt hat, als Augenzeuge und Theilnehmer an den großen und furchtbaren Begebenheiten der letzten Jahre, schrieb diese uralte Sage dem Munde eines walachischcn Mädchens aus dem schönen Thale deö AranyoS nach. Wir werden von seiner Hand in den nächsten Heften eine Reihe von Schilderungen bringen, für deren historische Wahrheit und Genauigkeit uns seine Persönlichkeit und die Stellung, welch¬ er während des Krieges in jenem unglücklichen Lande einnahm, Bürge sind. **) Der in Siebenbürgen bekannte Felsendurchbruch mit vielen tiefen Höhlen und Spuren uralter Befestigungen, in wilder Landschaft. 34*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/195
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/195>, abgerufen am 29.06.2024.