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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Nagy Saildor -- Murat auch im Costüme-Geschmack -- steht in seiner
prachtvollsten Uniform mit Pölteuberg im Gespräche. Dieser, von unscheinbarem
Aeußeren, mit indolenten Zügen als Deckmantel entschiedener Bravour, und von
jeher kein Freund des Denkens, war Görgey immer blindlings gefolgt, wohin
es diesem beliebte, ihn zu führen. Die Ruhe seines Gesichts contrastirte merk¬
würdig mit der sichtbaren Aufgeregtheit seines Nachbarn. Graf Veiningen, Gör-
gey'ö wärmster Freund, schritt seitwärts ans und ab. Er wurde von seinen
Kameraden vergöttert, aber was er immer geleistet, er machte keinen Anspruch
auf Anerkennung, und war zufrieden, einen'Stein zum Nuhmesteurpcl seines
Freundes herbeitragen zu dürfen. Die Generale Lahner, Knezich, Kiss, Obrist
Görgey und Andere saßen zu Pferde und unterhielten sich mit gleichgültigen Ge¬
sprächen. Damjanich, der Koloß an Fleisch und Mu!l,, war als Commandant
in Arad geblieben.

Der neue Diktator erschien im einfachen Kleide, wie er es in der Hitze auf
dein Marsch zu tragen pflegte. Er versuchte freundlich zu blicken. Seine Züge
aber waren ernster, finsterer, eiserner als sonst. Er ritt an den Husaren vor¬
über, hin und wieder ein anfmnnterudeö Wort murmelnd, besichtigte langsam die
Hvnvedbataillone, die narbenbedeckten Krieger der ehemaliger Regimenter Schwar¬
zenberg, Franz .Karl, Prinz von Preußen, Don Miguel, Alerander, Wasa, ritt
dann vor die Fronte, und erklärte sich bereit, Jedem das Commando zu über¬
geben, der sich tüchtig genug glaube, die Armee zu reiten. Er selbst sei es nicht
mehr vermögend. Ein grauer Husaren-Rittmeister sprengte vor die Fronte zu den
Stabsoffizieren hiu, und erklärte: sein und seiner Kameraden Wille sei, sich
durchzuschlagen. Aber Görgey warnte ihn trocken vor jeder "Meuterei, die mit
Flintenkugeln gedämpft werden müsse" und wendete ihm nachlässig den Rücken.

Von ^ Uhr Nachmittags bis spät in die Dunkelheit währte uun die voll¬
ständige Uebergabe der Waffen, die Vertheilnng der Eskorte, der Abmarsch der
Truppen. Sie wurden bis Varkad und von da uach Gyula geführt, wo sie Oest¬
reich in Empfang nahm.

Um 10 Uhr war/s auf den Feldern vor Vilagos leer. Manche Thränen¬
perle mag hier, mit Abendthaudemanten in Eius verschmolzen, einem halbver-
dorrtcn Pflänzchen zum Blühen verlwlfen haben. Dann steigt die Thräne als
Blumenduft zur Wolke aus, sie kehrt als Wetterschlag und Ungewitter zurück zum
heimathlichen Boden.




Kleine Bilder aus England.
4, Auf der stage-Coach.'

Laud und Meer lächelten im reinsten Gold der Augustsonne und ein leichter
Seewind erfrischte die warme Sommerluft, als Freund I. Double-Z)on und ich


Nagy Saildor — Murat auch im Costüme-Geschmack — steht in seiner
prachtvollsten Uniform mit Pölteuberg im Gespräche. Dieser, von unscheinbarem
Aeußeren, mit indolenten Zügen als Deckmantel entschiedener Bravour, und von
jeher kein Freund des Denkens, war Görgey immer blindlings gefolgt, wohin
es diesem beliebte, ihn zu führen. Die Ruhe seines Gesichts contrastirte merk¬
würdig mit der sichtbaren Aufgeregtheit seines Nachbarn. Graf Veiningen, Gör-
gey'ö wärmster Freund, schritt seitwärts ans und ab. Er wurde von seinen
Kameraden vergöttert, aber was er immer geleistet, er machte keinen Anspruch
auf Anerkennung, und war zufrieden, einen'Stein zum Nuhmesteurpcl seines
Freundes herbeitragen zu dürfen. Die Generale Lahner, Knezich, Kiss, Obrist
Görgey und Andere saßen zu Pferde und unterhielten sich mit gleichgültigen Ge¬
sprächen. Damjanich, der Koloß an Fleisch und Mu!l,, war als Commandant
in Arad geblieben.

Der neue Diktator erschien im einfachen Kleide, wie er es in der Hitze auf
dein Marsch zu tragen pflegte. Er versuchte freundlich zu blicken. Seine Züge
aber waren ernster, finsterer, eiserner als sonst. Er ritt an den Husaren vor¬
über, hin und wieder ein anfmnnterudeö Wort murmelnd, besichtigte langsam die
Hvnvedbataillone, die narbenbedeckten Krieger der ehemaliger Regimenter Schwar¬
zenberg, Franz .Karl, Prinz von Preußen, Don Miguel, Alerander, Wasa, ritt
dann vor die Fronte, und erklärte sich bereit, Jedem das Commando zu über¬
geben, der sich tüchtig genug glaube, die Armee zu reiten. Er selbst sei es nicht
mehr vermögend. Ein grauer Husaren-Rittmeister sprengte vor die Fronte zu den
Stabsoffizieren hiu, und erklärte: sein und seiner Kameraden Wille sei, sich
durchzuschlagen. Aber Görgey warnte ihn trocken vor jeder „Meuterei, die mit
Flintenkugeln gedämpft werden müsse" und wendete ihm nachlässig den Rücken.

Von ^ Uhr Nachmittags bis spät in die Dunkelheit währte uun die voll¬
ständige Uebergabe der Waffen, die Vertheilnng der Eskorte, der Abmarsch der
Truppen. Sie wurden bis Varkad und von da uach Gyula geführt, wo sie Oest¬
reich in Empfang nahm.

Um 10 Uhr war/s auf den Feldern vor Vilagos leer. Manche Thränen¬
perle mag hier, mit Abendthaudemanten in Eius verschmolzen, einem halbver-
dorrtcn Pflänzchen zum Blühen verlwlfen haben. Dann steigt die Thräne als
Blumenduft zur Wolke aus, sie kehrt als Wetterschlag und Ungewitter zurück zum
heimathlichen Boden.




Kleine Bilder aus England.
4, Auf der stage-Coach.'

Laud und Meer lächelten im reinsten Gold der Augustsonne und ein leichter
Seewind erfrischte die warme Sommerluft, als Freund I. Double-Z)on und ich


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[0164] Nagy Saildor — Murat auch im Costüme-Geschmack — steht in seiner prachtvollsten Uniform mit Pölteuberg im Gespräche. Dieser, von unscheinbarem Aeußeren, mit indolenten Zügen als Deckmantel entschiedener Bravour, und von jeher kein Freund des Denkens, war Görgey immer blindlings gefolgt, wohin es diesem beliebte, ihn zu führen. Die Ruhe seines Gesichts contrastirte merk¬ würdig mit der sichtbaren Aufgeregtheit seines Nachbarn. Graf Veiningen, Gör- gey'ö wärmster Freund, schritt seitwärts ans und ab. Er wurde von seinen Kameraden vergöttert, aber was er immer geleistet, er machte keinen Anspruch auf Anerkennung, und war zufrieden, einen'Stein zum Nuhmesteurpcl seines Freundes herbeitragen zu dürfen. Die Generale Lahner, Knezich, Kiss, Obrist Görgey und Andere saßen zu Pferde und unterhielten sich mit gleichgültigen Ge¬ sprächen. Damjanich, der Koloß an Fleisch und Mu!l,, war als Commandant in Arad geblieben. Der neue Diktator erschien im einfachen Kleide, wie er es in der Hitze auf dein Marsch zu tragen pflegte. Er versuchte freundlich zu blicken. Seine Züge aber waren ernster, finsterer, eiserner als sonst. Er ritt an den Husaren vor¬ über, hin und wieder ein anfmnnterudeö Wort murmelnd, besichtigte langsam die Hvnvedbataillone, die narbenbedeckten Krieger der ehemaliger Regimenter Schwar¬ zenberg, Franz .Karl, Prinz von Preußen, Don Miguel, Alerander, Wasa, ritt dann vor die Fronte, und erklärte sich bereit, Jedem das Commando zu über¬ geben, der sich tüchtig genug glaube, die Armee zu reiten. Er selbst sei es nicht mehr vermögend. Ein grauer Husaren-Rittmeister sprengte vor die Fronte zu den Stabsoffizieren hiu, und erklärte: sein und seiner Kameraden Wille sei, sich durchzuschlagen. Aber Görgey warnte ihn trocken vor jeder „Meuterei, die mit Flintenkugeln gedämpft werden müsse" und wendete ihm nachlässig den Rücken. Von ^ Uhr Nachmittags bis spät in die Dunkelheit währte uun die voll¬ ständige Uebergabe der Waffen, die Vertheilnng der Eskorte, der Abmarsch der Truppen. Sie wurden bis Varkad und von da uach Gyula geführt, wo sie Oest¬ reich in Empfang nahm. Um 10 Uhr war/s auf den Feldern vor Vilagos leer. Manche Thränen¬ perle mag hier, mit Abendthaudemanten in Eius verschmolzen, einem halbver- dorrtcn Pflänzchen zum Blühen verlwlfen haben. Dann steigt die Thräne als Blumenduft zur Wolke aus, sie kehrt als Wetterschlag und Ungewitter zurück zum heimathlichen Boden. Kleine Bilder aus England. 4, Auf der stage-Coach.' Laud und Meer lächelten im reinsten Gold der Augustsonne und ein leichter Seewind erfrischte die warme Sommerluft, als Freund I. Double-Z)on und ich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/164>, abgerufen am 29.06.2024.