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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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und des Verzweifelns an dem eigenen Werke von der anderen Seite wie ein fres¬
sendes Gift das Bündniß zu zerstören drohte, scheint mit dem wiedergekehrten
Vertrauen auf die Sündhaftigkeit Preußens in seinem Fortschreiten gehemmt, und
die Verzagenden fangen uoch eiuiual an zu hoffen.

Während ich dies schreibe, verhandelt man in Erfurt über die Feststellung der
Verfassung, über die Lebendigmachung des Bundesstaats. Niemand kaun zweifeln,
daß der Ausgang jener Verhandlungen von ungleich größerem und entscheidenderem
Belange für Sachsens Stellung zum Bundesstaate sein wird, als die Berathung
nud Beschlußfassung unsrer Kammern, selbst die so günstige der zweiten Kammer.
Hält man dort fest, geht man muthig aus das Ziel los, nicht rechts noch links
sehend und nicht rückwärts schreitend, so ist Sachsen dem Bundesstaate gewonnen,
was mau auch hier dagegen thue und sage; die Nothwendigkeit der Verhältnisse
wird stärker sein, als der Eigenwille der Menschen. Es braucht keinen Bundes-
schiedsgcrichtsspruch und keine Exeeutionsarmee, um Sachsen zu seiner Pflicht gegen
den Bundesstaat zurückzuführen; es braucht nichts, als daß der Bundesstaat sich
selbst nicht aufgebe, dann wird ihm auch Sachsen uicht entgehen.




Cine M?inisterrede zu Crfnrt.

Das Parlament hat in seinen Plenarsitzungen die Berathung der Verfassungs¬
frage begonnen, und bereits haben wir die Stimmen der parlamentarischen Helden
aus den Frankfurter Centren und deu preußischen Kammern wieder auf der Tri¬
büne gehört, von Bismark-Schönhausen an bis Heinrich Gagern. Da unsere
Partei in beiden Häusern die Majorität hat, so würden wir die Verhandlungen
und Beschlüsse des Parlaments mit froher Siegeshoffnung verfolgen können, wenn
die Ansichten der preußischen Negierung über deu Bundesstaat nicht noch in einem
fortwährenden Schwanken begriffen wären, welches fast so schlimm ist, wie die
traurigste Gewißheit. Die preußische" Minister, welche in Erfurt zu sprechen
veranlaßt waren, haben eine sehr bedenkliche Unsicherheit und einen so totale"
Mangel an festem Willen und Plan, wohl wider Willen verrathen, daß die
Niederlagen, welche sie auch in der Meinung des preußischen Volkes dadurch
erlitten habe", gar uicht mehr zu verhüllen siud. Unter ihnen genoß Herr von
Manteuffel die meiste Popularität, wir wollen ihm von Herzen wünschen,
daß er sie sich auch nach seinem Auftreten in Erfurt erhalten möge, trotz seiner
Circularschreiben an die Chefs der Verwaltungsbehörden. Was uns darin un¬
sicher macht, ist an sich eine Kleinigkeit. Er hat den Vogel Phönix in seiner
letzten Rede vergessen, den er sonst nie vergißt und deshalb fehlte seiner Rede
das Auspicium, sie war ohne Hilfe der Götter gehalten, und hatte gottlose Wir¬
kungen, zunächst die, daß sie lachen machte.


und des Verzweifelns an dem eigenen Werke von der anderen Seite wie ein fres¬
sendes Gift das Bündniß zu zerstören drohte, scheint mit dem wiedergekehrten
Vertrauen auf die Sündhaftigkeit Preußens in seinem Fortschreiten gehemmt, und
die Verzagenden fangen uoch eiuiual an zu hoffen.

Während ich dies schreibe, verhandelt man in Erfurt über die Feststellung der
Verfassung, über die Lebendigmachung des Bundesstaats. Niemand kaun zweifeln,
daß der Ausgang jener Verhandlungen von ungleich größerem und entscheidenderem
Belange für Sachsens Stellung zum Bundesstaate sein wird, als die Berathung
nud Beschlußfassung unsrer Kammern, selbst die so günstige der zweiten Kammer.
Hält man dort fest, geht man muthig aus das Ziel los, nicht rechts noch links
sehend und nicht rückwärts schreitend, so ist Sachsen dem Bundesstaate gewonnen,
was mau auch hier dagegen thue und sage; die Nothwendigkeit der Verhältnisse
wird stärker sein, als der Eigenwille der Menschen. Es braucht keinen Bundes-
schiedsgcrichtsspruch und keine Exeeutionsarmee, um Sachsen zu seiner Pflicht gegen
den Bundesstaat zurückzuführen; es braucht nichts, als daß der Bundesstaat sich
selbst nicht aufgebe, dann wird ihm auch Sachsen uicht entgehen.




Cine M?inisterrede zu Crfnrt.

Das Parlament hat in seinen Plenarsitzungen die Berathung der Verfassungs¬
frage begonnen, und bereits haben wir die Stimmen der parlamentarischen Helden
aus den Frankfurter Centren und deu preußischen Kammern wieder auf der Tri¬
büne gehört, von Bismark-Schönhausen an bis Heinrich Gagern. Da unsere
Partei in beiden Häusern die Majorität hat, so würden wir die Verhandlungen
und Beschlüsse des Parlaments mit froher Siegeshoffnung verfolgen können, wenn
die Ansichten der preußischen Negierung über deu Bundesstaat nicht noch in einem
fortwährenden Schwanken begriffen wären, welches fast so schlimm ist, wie die
traurigste Gewißheit. Die preußische» Minister, welche in Erfurt zu sprechen
veranlaßt waren, haben eine sehr bedenkliche Unsicherheit und einen so totale»
Mangel an festem Willen und Plan, wohl wider Willen verrathen, daß die
Niederlagen, welche sie auch in der Meinung des preußischen Volkes dadurch
erlitten habe», gar uicht mehr zu verhüllen siud. Unter ihnen genoß Herr von
Manteuffel die meiste Popularität, wir wollen ihm von Herzen wünschen,
daß er sie sich auch nach seinem Auftreten in Erfurt erhalten möge, trotz seiner
Circularschreiben an die Chefs der Verwaltungsbehörden. Was uns darin un¬
sicher macht, ist an sich eine Kleinigkeit. Er hat den Vogel Phönix in seiner
letzten Rede vergessen, den er sonst nie vergißt und deshalb fehlte seiner Rede
das Auspicium, sie war ohne Hilfe der Götter gehalten, und hatte gottlose Wir¬
kungen, zunächst die, daß sie lachen machte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/143>, abgerufen am 22.07.2024.