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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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K. Ebersberg,

Herausgeber des "Zuschauer", machte sich durch die Verwegenheit bemerklich,
mit welcher er gegen das k. k. Kriegsgericht auftrat. Bewundern Sie den Mann
nicht zu früh. Drei Verbrecher, mehr oder minder betheiligt an den empörenden
Scenen auf dem Latourplatz, waren auf dem Glacis glücklich gehenkt; darauf
wurden einige andere angebliche Mörder Latour's aus Maugel an genügenden
Beweisen blos zu 20 Jahren schwerem Kerker verurtheilt. Das wurmte deu Zu¬
schauer; er schrie: "Aufhängen! im Namen der Gleichberechtigung, aufhängen!"
und beschuldigte das Gericht der Inconsequenz. Es kostete saure Mühe und die
Militärbehörde mußte ihre schwerfälligen Federn in der Wiener Zeitung tüchtig in
Bewegung setzen, bis es gelang, den gerechtigkeitsliebenden Patrioten zum Schwei¬
gen zu bringen. Vor dem März wurde sei" charadenreiches Blatt vorzugsweise
von Gymnasiasten und zwölfjährigen Blaustrümpfen gelesen. Ebers^erg ist Kin-
derschriftsteller von Profession und verdiente, wegen seiner überaus guten Gesin¬
nung, Nnterrichtsmüüster zu werden.


7. Der Soldatenfreund,

Der Moniteur der Armee, ein ernster gehaltenes Blatt, ist ein kompetenter
und interessanter Berichterstatter über alle Angelegenheiten des Heerwesens. Zu¬
gleich spiegelt er getreulich die prätorianischen Regungen ab, die im Schooß der
Armee auftauchen. Die Armee fühlt sich, dem Bürger sowohl wie ihrem Herrn
gegenüber, und fordert eifersüchtig Gleichberechtigung im Avancement und Verbesse¬
rung ihrer pecuniären Verhältnisse. In diesem einen Punkte ist sie konstitutionell;
in andern Dingen ignorirt sie die Verfassung. Selbst an der moralischen Stellung
der Armee scheint ihr weniger gelegen als an Sold und Auszeichnungen; die
Beibehaltung des Spießrutenlaufens und der Bauch, wirkliche oder angebliche
Verbrecher zur Strafe unter's Militär, wie in ein ambulantes Zuchthaus, zu
stecken, haben bis jetzt das Ehrgefühl des östreichischen "Soldatensrennd" nicht
im Mindesten verletzt. Das Ehrgefühl würde ich ihm erlassen, zeigte er nur
einige Achtung vor dem von Kaiser Franz Joseph erlassenen Assentirungsgesetz.
Als am 13. März einige Studenten verhaftet wurden, weil sie zum Andenken
ihrer in der Herrngasse am 13. März 1848 gefallenen Kameraden in aller Stille
einen Trauerflor um deu Hut banden und sich zu einer Seelenmesse in der Ste-
Phanskirche versammelten, tröstete der Soldatenfreund das theilnehmende Publikum
kurz und bündig: Die Märzhelden "werden ihre Trauer in den Reihen unserer
tapfern Armee zu vergessen Gelegenheit finden."


Grenzboten. >V. 1849. Vl>
K. Ebersberg,

Herausgeber des „Zuschauer", machte sich durch die Verwegenheit bemerklich,
mit welcher er gegen das k. k. Kriegsgericht auftrat. Bewundern Sie den Mann
nicht zu früh. Drei Verbrecher, mehr oder minder betheiligt an den empörenden
Scenen auf dem Latourplatz, waren auf dem Glacis glücklich gehenkt; darauf
wurden einige andere angebliche Mörder Latour's aus Maugel an genügenden
Beweisen blos zu 20 Jahren schwerem Kerker verurtheilt. Das wurmte deu Zu¬
schauer; er schrie: „Aufhängen! im Namen der Gleichberechtigung, aufhängen!"
und beschuldigte das Gericht der Inconsequenz. Es kostete saure Mühe und die
Militärbehörde mußte ihre schwerfälligen Federn in der Wiener Zeitung tüchtig in
Bewegung setzen, bis es gelang, den gerechtigkeitsliebenden Patrioten zum Schwei¬
gen zu bringen. Vor dem März wurde sei« charadenreiches Blatt vorzugsweise
von Gymnasiasten und zwölfjährigen Blaustrümpfen gelesen. Ebers^erg ist Kin-
derschriftsteller von Profession und verdiente, wegen seiner überaus guten Gesin¬
nung, Nnterrichtsmüüster zu werden.


7. Der Soldatenfreund,

Der Moniteur der Armee, ein ernster gehaltenes Blatt, ist ein kompetenter
und interessanter Berichterstatter über alle Angelegenheiten des Heerwesens. Zu¬
gleich spiegelt er getreulich die prätorianischen Regungen ab, die im Schooß der
Armee auftauchen. Die Armee fühlt sich, dem Bürger sowohl wie ihrem Herrn
gegenüber, und fordert eifersüchtig Gleichberechtigung im Avancement und Verbesse¬
rung ihrer pecuniären Verhältnisse. In diesem einen Punkte ist sie konstitutionell;
in andern Dingen ignorirt sie die Verfassung. Selbst an der moralischen Stellung
der Armee scheint ihr weniger gelegen als an Sold und Auszeichnungen; die
Beibehaltung des Spießrutenlaufens und der Bauch, wirkliche oder angebliche
Verbrecher zur Strafe unter's Militär, wie in ein ambulantes Zuchthaus, zu
stecken, haben bis jetzt das Ehrgefühl des östreichischen „Soldatensrennd" nicht
im Mindesten verletzt. Das Ehrgefühl würde ich ihm erlassen, zeigte er nur
einige Achtung vor dem von Kaiser Franz Joseph erlassenen Assentirungsgesetz.
Als am 13. März einige Studenten verhaftet wurden, weil sie zum Andenken
ihrer in der Herrngasse am 13. März 1848 gefallenen Kameraden in aller Stille
einen Trauerflor um deu Hut banden und sich zu einer Seelenmesse in der Ste-
Phanskirche versammelten, tröstete der Soldatenfreund das theilnehmende Publikum
kurz und bündig: Die Märzhelden „werden ihre Trauer in den Reihen unserer
tapfern Armee zu vergessen Gelegenheit finden."


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[0476] K. Ebersberg, Herausgeber des „Zuschauer", machte sich durch die Verwegenheit bemerklich, mit welcher er gegen das k. k. Kriegsgericht auftrat. Bewundern Sie den Mann nicht zu früh. Drei Verbrecher, mehr oder minder betheiligt an den empörenden Scenen auf dem Latourplatz, waren auf dem Glacis glücklich gehenkt; darauf wurden einige andere angebliche Mörder Latour's aus Maugel an genügenden Beweisen blos zu 20 Jahren schwerem Kerker verurtheilt. Das wurmte deu Zu¬ schauer; er schrie: „Aufhängen! im Namen der Gleichberechtigung, aufhängen!" und beschuldigte das Gericht der Inconsequenz. Es kostete saure Mühe und die Militärbehörde mußte ihre schwerfälligen Federn in der Wiener Zeitung tüchtig in Bewegung setzen, bis es gelang, den gerechtigkeitsliebenden Patrioten zum Schwei¬ gen zu bringen. Vor dem März wurde sei« charadenreiches Blatt vorzugsweise von Gymnasiasten und zwölfjährigen Blaustrümpfen gelesen. Ebers^erg ist Kin- derschriftsteller von Profession und verdiente, wegen seiner überaus guten Gesin¬ nung, Nnterrichtsmüüster zu werden. 7. Der Soldatenfreund, Der Moniteur der Armee, ein ernster gehaltenes Blatt, ist ein kompetenter und interessanter Berichterstatter über alle Angelegenheiten des Heerwesens. Zu¬ gleich spiegelt er getreulich die prätorianischen Regungen ab, die im Schooß der Armee auftauchen. Die Armee fühlt sich, dem Bürger sowohl wie ihrem Herrn gegenüber, und fordert eifersüchtig Gleichberechtigung im Avancement und Verbesse¬ rung ihrer pecuniären Verhältnisse. In diesem einen Punkte ist sie konstitutionell; in andern Dingen ignorirt sie die Verfassung. Selbst an der moralischen Stellung der Armee scheint ihr weniger gelegen als an Sold und Auszeichnungen; die Beibehaltung des Spießrutenlaufens und der Bauch, wirkliche oder angebliche Verbrecher zur Strafe unter's Militär, wie in ein ambulantes Zuchthaus, zu stecken, haben bis jetzt das Ehrgefühl des östreichischen „Soldatensrennd" nicht im Mindesten verletzt. Das Ehrgefühl würde ich ihm erlassen, zeigte er nur einige Achtung vor dem von Kaiser Franz Joseph erlassenen Assentirungsgesetz. Als am 13. März einige Studenten verhaftet wurden, weil sie zum Andenken ihrer in der Herrngasse am 13. März 1848 gefallenen Kameraden in aller Stille einen Trauerflor um deu Hut banden und sich zu einer Seelenmesse in der Ste- Phanskirche versammelten, tröstete der Soldatenfreund das theilnehmende Publikum kurz und bündig: Die Märzhelden „werden ihre Trauer in den Reihen unserer tapfern Armee zu vergessen Gelegenheit finden." Grenzboten. >V. 1849. Vl>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/476>, abgerufen am 15.01.2025.