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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Interessant ist die verschiedene Haltung der sächsischen und hannöveriichen
Negierung. Indem Hannover in dem Verwaltungsrath mit einem gewissen Trotz
auftrat und den Anschein biederer Bornirtheit annahm, war Sachsen geschmeidi¬
ger, zartfühlender, eben so selbstsüchtig in seinem Wollen, aber mit Form und
Schein, es hatte nur Zweifel und Bedenken, während Hannover mit seinem Ge¬
wissen hervorpolterte

Die nächste Folge dieser Sitzung war, daß Sachsen und Hannover eine
schriftliche Verwahrung an den Vorsitzenden gelangen lassen und die Erklärung,
daß sie von dem Bündniß vom 28. Mai zwar nicht zurücktreten, aber an den
Sitzungen des Verwaltungsrathes keinen Theil mehr nehmen würden. Minister
von Zeschau ist bereits nach Dresden zurückgereist.

Wohl, die kleinen Königreiche haben Muth bekommen; die Stürme der Demo¬
kratie sind ihnen nicht mehr furchtbar, sie spüren an ihren Throusesseln kein Wan¬
ken mehr und begreisen deshalb anch nicht mehr, weshalb sie auf alle die holden Rechte
der Selbständigkeit verzichte" sollen. König Ludwig hat einen so großen Thron¬
saal gebant, es wäre schade, wenn sein Sohn keine fremden Gesandten darin
empfangen sollte. Der König von Hannover vertheilt gern militärische Orden an
die Würdigen, wohnte er im Bundesstaat, seine Orden würden wenig beachtet
werden. Das ist uicht Spott, sondern bittre Wahrheit. Das ganze Empfinden
der Regenten und ihrer Umgebung sträubt sich gegen den Prozeß einer staatlichen
Concentration, als mehr oder weniger abhängige Theile. Man soll nicht sagen,
daß sie kein Herz für ihr Land hätten, sie sind nnr zu sehr gewohnt, ihren lan¬
desväterlichen Herzen keine größere Ausdehnung zu gestatten, als von einem
Grenzpfahl ihres Gebiets bis zum andern. Unter solchen Umständen wurde es
der kläglichen Politik des von der Pfordten und seinen Kollegen leicht, ohne jeden
Operationsplan und positives Wollen, eine kleine Verschwörung der Königreiche
gegen den Bundesstaat hervorzubringen; sie ist sehr widerlich in ihren Aeußerun¬
gen, verderblich aber wird sie nicht, wenn Preußen fest bleibt.




K. Biedermann: Erinnerungen aus der Paulskirche.
Gustav Mayer.)

ES ließ sich voraussehen, daß die größte "That" des Jahres 48, das Par¬
lament der Paulskirche unter seinen Mitgliedern uicht wenige Geschichtschreiber
finden würde, zumal jetzt, wo in unbefriedigender Gegenwart der größte Theil
unserer parlamentarischen Parteiführer und Redner Muße genug haben, gegen¬
über den diplomatischen Querzügen der Kabinette sich an das großartige, bewegte
Leben der Frankfurter Periode zu erinnern. Der fleißige Laube hat begonnen,


Interessant ist die verschiedene Haltung der sächsischen und hannöveriichen
Negierung. Indem Hannover in dem Verwaltungsrath mit einem gewissen Trotz
auftrat und den Anschein biederer Bornirtheit annahm, war Sachsen geschmeidi¬
ger, zartfühlender, eben so selbstsüchtig in seinem Wollen, aber mit Form und
Schein, es hatte nur Zweifel und Bedenken, während Hannover mit seinem Ge¬
wissen hervorpolterte

Die nächste Folge dieser Sitzung war, daß Sachsen und Hannover eine
schriftliche Verwahrung an den Vorsitzenden gelangen lassen und die Erklärung,
daß sie von dem Bündniß vom 28. Mai zwar nicht zurücktreten, aber an den
Sitzungen des Verwaltungsrathes keinen Theil mehr nehmen würden. Minister
von Zeschau ist bereits nach Dresden zurückgereist.

Wohl, die kleinen Königreiche haben Muth bekommen; die Stürme der Demo¬
kratie sind ihnen nicht mehr furchtbar, sie spüren an ihren Throusesseln kein Wan¬
ken mehr und begreisen deshalb anch nicht mehr, weshalb sie auf alle die holden Rechte
der Selbständigkeit verzichte» sollen. König Ludwig hat einen so großen Thron¬
saal gebant, es wäre schade, wenn sein Sohn keine fremden Gesandten darin
empfangen sollte. Der König von Hannover vertheilt gern militärische Orden an
die Würdigen, wohnte er im Bundesstaat, seine Orden würden wenig beachtet
werden. Das ist uicht Spott, sondern bittre Wahrheit. Das ganze Empfinden
der Regenten und ihrer Umgebung sträubt sich gegen den Prozeß einer staatlichen
Concentration, als mehr oder weniger abhängige Theile. Man soll nicht sagen,
daß sie kein Herz für ihr Land hätten, sie sind nnr zu sehr gewohnt, ihren lan¬
desväterlichen Herzen keine größere Ausdehnung zu gestatten, als von einem
Grenzpfahl ihres Gebiets bis zum andern. Unter solchen Umständen wurde es
der kläglichen Politik des von der Pfordten und seinen Kollegen leicht, ohne jeden
Operationsplan und positives Wollen, eine kleine Verschwörung der Königreiche
gegen den Bundesstaat hervorzubringen; sie ist sehr widerlich in ihren Aeußerun¬
gen, verderblich aber wird sie nicht, wenn Preußen fest bleibt.




K. Biedermann: Erinnerungen aus der Paulskirche.
Gustav Mayer.)

ES ließ sich voraussehen, daß die größte „That" des Jahres 48, das Par¬
lament der Paulskirche unter seinen Mitgliedern uicht wenige Geschichtschreiber
finden würde, zumal jetzt, wo in unbefriedigender Gegenwart der größte Theil
unserer parlamentarischen Parteiführer und Redner Muße genug haben, gegen¬
über den diplomatischen Querzügen der Kabinette sich an das großartige, bewegte
Leben der Frankfurter Periode zu erinnern. Der fleißige Laube hat begonnen,


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[0171] Interessant ist die verschiedene Haltung der sächsischen und hannöveriichen Negierung. Indem Hannover in dem Verwaltungsrath mit einem gewissen Trotz auftrat und den Anschein biederer Bornirtheit annahm, war Sachsen geschmeidi¬ ger, zartfühlender, eben so selbstsüchtig in seinem Wollen, aber mit Form und Schein, es hatte nur Zweifel und Bedenken, während Hannover mit seinem Ge¬ wissen hervorpolterte Die nächste Folge dieser Sitzung war, daß Sachsen und Hannover eine schriftliche Verwahrung an den Vorsitzenden gelangen lassen und die Erklärung, daß sie von dem Bündniß vom 28. Mai zwar nicht zurücktreten, aber an den Sitzungen des Verwaltungsrathes keinen Theil mehr nehmen würden. Minister von Zeschau ist bereits nach Dresden zurückgereist. Wohl, die kleinen Königreiche haben Muth bekommen; die Stürme der Demo¬ kratie sind ihnen nicht mehr furchtbar, sie spüren an ihren Throusesseln kein Wan¬ ken mehr und begreisen deshalb anch nicht mehr, weshalb sie auf alle die holden Rechte der Selbständigkeit verzichte» sollen. König Ludwig hat einen so großen Thron¬ saal gebant, es wäre schade, wenn sein Sohn keine fremden Gesandten darin empfangen sollte. Der König von Hannover vertheilt gern militärische Orden an die Würdigen, wohnte er im Bundesstaat, seine Orden würden wenig beachtet werden. Das ist uicht Spott, sondern bittre Wahrheit. Das ganze Empfinden der Regenten und ihrer Umgebung sträubt sich gegen den Prozeß einer staatlichen Concentration, als mehr oder weniger abhängige Theile. Man soll nicht sagen, daß sie kein Herz für ihr Land hätten, sie sind nnr zu sehr gewohnt, ihren lan¬ desväterlichen Herzen keine größere Ausdehnung zu gestatten, als von einem Grenzpfahl ihres Gebiets bis zum andern. Unter solchen Umständen wurde es der kläglichen Politik des von der Pfordten und seinen Kollegen leicht, ohne jeden Operationsplan und positives Wollen, eine kleine Verschwörung der Königreiche gegen den Bundesstaat hervorzubringen; sie ist sehr widerlich in ihren Aeußerun¬ gen, verderblich aber wird sie nicht, wenn Preußen fest bleibt. K. Biedermann: Erinnerungen aus der Paulskirche. Gustav Mayer.) ES ließ sich voraussehen, daß die größte „That" des Jahres 48, das Par¬ lament der Paulskirche unter seinen Mitgliedern uicht wenige Geschichtschreiber finden würde, zumal jetzt, wo in unbefriedigender Gegenwart der größte Theil unserer parlamentarischen Parteiführer und Redner Muße genug haben, gegen¬ über den diplomatischen Querzügen der Kabinette sich an das großartige, bewegte Leben der Frankfurter Periode zu erinnern. Der fleißige Laube hat begonnen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/171>, abgerufen am 15.01.2025.