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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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drückte, ob dieser zur Ehre, zum Ruhme und zur gesetzlichen Freiheit des großen
Oestreich wirkte -- -- sollen wieder parteiische Richter beurtheilen, also die
Zukunft.




Die "Presse" und ihre Principien.



Unter den östreichischen Journalen hat unleugbar die "Presse" die größte
Verbreitung. Wer aber aus dieser Thatsache den Schluß ziehen wollte, daß sie
auch zugleich die öffentliche Meinung selbst nur einer relativen Majorität reprä-
sentirt, würde mehrere wesentliche Momente der Beurtheilung außer Acht lassen.
Er würde vergessen, daß die "Presse" nicht nur das billigste unter den Journa¬
len ist, sondern auch, daß fast in allen Theilen der Monarchie und namentlich im
Hauptquartier der Journalistik, in Wien, die oppositionelle Presse gänzlich unter¬
drückt wurde, während das Bedürfniß nach Tagesblättern in Oestreich außeror¬
dentlich ist, daß ferner in unsern Tagen der politischen und nationalen Aufregung
jeder Zeitungsleser selbst aus den Blättern der entgegengesetzten Richtung nur die
Bestätigung der eigenen Ansicht herausliest, und endlich, daß sich der Gebildete
jeder Meinung, angezogen von dem anständigen Ton dieses Journals, welcher von
dem seiner Gesinnungsgenossen sehr vortheilhaft absticht, bei der geringen Auswahl
an Organen, gerne für dieses Blatt entscheidet. Ueberdies vertritt die "Presse"
bisher trotz aller Protestationen unter einigen Reserven immer die jeweilige Ne¬
gierung, was sie "gouvernemental" nennt, und gewinnt dadurch für den Leser
an Bedeutung und Interesse. Möglich, daß die Redaction der "Presse" von der
aufrichtigen Ueberzeugung geleitet wird, wie unter den heutigen Verhältnissen eher
die Wohlfahrt des Landes als die Freiheit seiner Bürger in den Vordergrund
treten müsse. Aber es wird noch jedem Leser der "Presse" erinnerlich sein, daß sie
unter dem Ministerium Stadion mit allen Waffen der Beredsamkeit die Theilung
Deutschlands in Nord- und Süddeutschland verfocht. Seitdem ist Stadion abge¬
treten und die "Presse," welche sich in der Uebergangsperiode auf die reine Nega¬
tion verlegte, fängt jetzt an, auf den Bund vou 1815 zurückzugehen, obwohl ihr
schmähliches Theilungsproject von ehemals gerade heute mehr Chancen böte, als
früher.

Der Standpunkt, von welchem die Redaction der "Presse" den Staat selbst und
jede Negierungsmaßregel betrachtet, ist wie sie sich rühmt der "nationalökonomische."
Es läßt sich uicht leugnen, daß diese Anschauungsweise ihr anscheinend hinlängliche
Berechtigung gibt, ihr Streben für vorzugsweise "praktisch" zu halten. Staaten,


Grenzboten. in. 184S. 49

drückte, ob dieser zur Ehre, zum Ruhme und zur gesetzlichen Freiheit des großen
Oestreich wirkte — — sollen wieder parteiische Richter beurtheilen, also die
Zukunft.




Die „Presse" und ihre Principien.



Unter den östreichischen Journalen hat unleugbar die „Presse" die größte
Verbreitung. Wer aber aus dieser Thatsache den Schluß ziehen wollte, daß sie
auch zugleich die öffentliche Meinung selbst nur einer relativen Majorität reprä-
sentirt, würde mehrere wesentliche Momente der Beurtheilung außer Acht lassen.
Er würde vergessen, daß die „Presse" nicht nur das billigste unter den Journa¬
len ist, sondern auch, daß fast in allen Theilen der Monarchie und namentlich im
Hauptquartier der Journalistik, in Wien, die oppositionelle Presse gänzlich unter¬
drückt wurde, während das Bedürfniß nach Tagesblättern in Oestreich außeror¬
dentlich ist, daß ferner in unsern Tagen der politischen und nationalen Aufregung
jeder Zeitungsleser selbst aus den Blättern der entgegengesetzten Richtung nur die
Bestätigung der eigenen Ansicht herausliest, und endlich, daß sich der Gebildete
jeder Meinung, angezogen von dem anständigen Ton dieses Journals, welcher von
dem seiner Gesinnungsgenossen sehr vortheilhaft absticht, bei der geringen Auswahl
an Organen, gerne für dieses Blatt entscheidet. Ueberdies vertritt die „Presse"
bisher trotz aller Protestationen unter einigen Reserven immer die jeweilige Ne¬
gierung, was sie „gouvernemental" nennt, und gewinnt dadurch für den Leser
an Bedeutung und Interesse. Möglich, daß die Redaction der „Presse" von der
aufrichtigen Ueberzeugung geleitet wird, wie unter den heutigen Verhältnissen eher
die Wohlfahrt des Landes als die Freiheit seiner Bürger in den Vordergrund
treten müsse. Aber es wird noch jedem Leser der „Presse" erinnerlich sein, daß sie
unter dem Ministerium Stadion mit allen Waffen der Beredsamkeit die Theilung
Deutschlands in Nord- und Süddeutschland verfocht. Seitdem ist Stadion abge¬
treten und die „Presse," welche sich in der Uebergangsperiode auf die reine Nega¬
tion verlegte, fängt jetzt an, auf den Bund vou 1815 zurückzugehen, obwohl ihr
schmähliches Theilungsproject von ehemals gerade heute mehr Chancen böte, als
früher.

Der Standpunkt, von welchem die Redaction der „Presse" den Staat selbst und
jede Negierungsmaßregel betrachtet, ist wie sie sich rühmt der „nationalökonomische."
Es läßt sich uicht leugnen, daß diese Anschauungsweise ihr anscheinend hinlängliche
Berechtigung gibt, ihr Streben für vorzugsweise „praktisch" zu halten. Staaten,


Grenzboten. in. 184S. 49
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[0385] drückte, ob dieser zur Ehre, zum Ruhme und zur gesetzlichen Freiheit des großen Oestreich wirkte — — sollen wieder parteiische Richter beurtheilen, also die Zukunft. Die „Presse" und ihre Principien. Unter den östreichischen Journalen hat unleugbar die „Presse" die größte Verbreitung. Wer aber aus dieser Thatsache den Schluß ziehen wollte, daß sie auch zugleich die öffentliche Meinung selbst nur einer relativen Majorität reprä- sentirt, würde mehrere wesentliche Momente der Beurtheilung außer Acht lassen. Er würde vergessen, daß die „Presse" nicht nur das billigste unter den Journa¬ len ist, sondern auch, daß fast in allen Theilen der Monarchie und namentlich im Hauptquartier der Journalistik, in Wien, die oppositionelle Presse gänzlich unter¬ drückt wurde, während das Bedürfniß nach Tagesblättern in Oestreich außeror¬ dentlich ist, daß ferner in unsern Tagen der politischen und nationalen Aufregung jeder Zeitungsleser selbst aus den Blättern der entgegengesetzten Richtung nur die Bestätigung der eigenen Ansicht herausliest, und endlich, daß sich der Gebildete jeder Meinung, angezogen von dem anständigen Ton dieses Journals, welcher von dem seiner Gesinnungsgenossen sehr vortheilhaft absticht, bei der geringen Auswahl an Organen, gerne für dieses Blatt entscheidet. Ueberdies vertritt die „Presse" bisher trotz aller Protestationen unter einigen Reserven immer die jeweilige Ne¬ gierung, was sie „gouvernemental" nennt, und gewinnt dadurch für den Leser an Bedeutung und Interesse. Möglich, daß die Redaction der „Presse" von der aufrichtigen Ueberzeugung geleitet wird, wie unter den heutigen Verhältnissen eher die Wohlfahrt des Landes als die Freiheit seiner Bürger in den Vordergrund treten müsse. Aber es wird noch jedem Leser der „Presse" erinnerlich sein, daß sie unter dem Ministerium Stadion mit allen Waffen der Beredsamkeit die Theilung Deutschlands in Nord- und Süddeutschland verfocht. Seitdem ist Stadion abge¬ treten und die „Presse," welche sich in der Uebergangsperiode auf die reine Nega¬ tion verlegte, fängt jetzt an, auf den Bund vou 1815 zurückzugehen, obwohl ihr schmähliches Theilungsproject von ehemals gerade heute mehr Chancen böte, als früher. Der Standpunkt, von welchem die Redaction der „Presse" den Staat selbst und jede Negierungsmaßregel betrachtet, ist wie sie sich rühmt der „nationalökonomische." Es läßt sich uicht leugnen, daß diese Anschauungsweise ihr anscheinend hinlängliche Berechtigung gibt, ihr Streben für vorzugsweise „praktisch" zu halten. Staaten, Grenzboten. in. 184S. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/385>, abgerufen am 05.02.2025.