Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Fest veranstaltet hatte; sein Namenszug aus zartem Haidekraut geflochten, prangte
über dem Ehrensitz von frischem Nasen, Feuerwerke erleuchteten mit springenden
Lichtern den See zu unsern Füßen, ans den düstern Haidebergen, welche rings
den Kessel unseres Lagers einschlossen, lagen die phantastischen Schatten der um
das Feuer Geheilten. Als von der Tann mit glänzendem Auge das Wohl Deutsch¬
lands ausbrachte, donnerte dreimal das Pelotonfeuer der Jäger ihm und dem
Vaterland zu Ehren, und dann drängte sich die ganze Menge, Jung und Alt, um
ihn, ihm die Hand zu drücken, ihm zu danken, ihm zu sagen, daß er der Stolz
Aller sei. In schüchterner Ferne standen verwundert die Juden der umliegenden
Dörfer und betrachteten mit starren, stieren Blicken das unbegreifliche Schauspiel.
Es wird uns unvergeßlich sein!

Wen" einem deutschen Manne eine große Zukunft bevorsteht, so ist es von
der Tann. Wir klagen, unsere Feinde freuen sich, daß es uns an bewährten,
tüchtigen Heerführern fehle. Da haben wir Einen, welcher beiden Theilen seiner
Zeit durch Thaten zeigen wird, daß ein Mann , wenn er der Rechte, mehr werth
ist, als hunderttausend Söldlinge. Möge es ihm nur vergönnt sein, einstmals
die Heere eines einigen Deutschlands zu führen -- gegen Deutsche, das sind wir
W. K- überzeugt, wird er niemals seine Waffen tragen.


II. Adolph WieSner,
Abgeordneter der dentschen Nationalversammlung.

Nichts macht uns die Schwierigkeiten unserer politischen Lage anschaulicher,
als die Verwirrung, in die einzelne Köpfe durch sie gerathen, und zwar am mei¬
sten solche, die den Eingebungen des unmittelbaren Gefühls folgen, von denen
man also erwarten sollte, sie würden wenigstens in einem bestimmten Zuge fort¬
gerissen werden. Denn unsere Neigungen durchkreuzen sich viel bunter und irra¬
tioneller, als unsere Interessen. Jene Erfindung eines Spaßvogels, die Darm¬
städter wünschten die deutsche Republik mit dem verstorbenen Großherzog an der
Spitze, ist schlagend: ihre Tollheit wird tausendmal überboten dnrch wirkliche An¬
träge, die in der Paulskirche gestellt sind. So unwahr und so kläglich unsere
Zustände im großen Ganzen wie im Detail sich aufnehmen, sie haben doch in
unsern gemüthlichen deutschen Herzen Wurzel geschlagen, und bei jedem Anflug
von Idealismus regt sich eine Faser unserer Pietät und macht uns unruhig. Um
diese Unruhe zu übertäuben, forciren wir unsere Begeisterung, toben uns in einen
gewissen Fanatismus hinein und reden zuletzt irre.

Die folgende Skizze kann nur so weit Interesse in Anspruch nehmen, als sie
diesen Gefühlsconflict in einem bestimmten Beispiel anschaulich macht. Der ehren¬
werthe Abgeordnete, dem sie gilt, war im März und April 1848 einer der po-


Grenzbottn. ni. 1849. ig

Fest veranstaltet hatte; sein Namenszug aus zartem Haidekraut geflochten, prangte
über dem Ehrensitz von frischem Nasen, Feuerwerke erleuchteten mit springenden
Lichtern den See zu unsern Füßen, ans den düstern Haidebergen, welche rings
den Kessel unseres Lagers einschlossen, lagen die phantastischen Schatten der um
das Feuer Geheilten. Als von der Tann mit glänzendem Auge das Wohl Deutsch¬
lands ausbrachte, donnerte dreimal das Pelotonfeuer der Jäger ihm und dem
Vaterland zu Ehren, und dann drängte sich die ganze Menge, Jung und Alt, um
ihn, ihm die Hand zu drücken, ihm zu danken, ihm zu sagen, daß er der Stolz
Aller sei. In schüchterner Ferne standen verwundert die Juden der umliegenden
Dörfer und betrachteten mit starren, stieren Blicken das unbegreifliche Schauspiel.
Es wird uns unvergeßlich sein!

Wen» einem deutschen Manne eine große Zukunft bevorsteht, so ist es von
der Tann. Wir klagen, unsere Feinde freuen sich, daß es uns an bewährten,
tüchtigen Heerführern fehle. Da haben wir Einen, welcher beiden Theilen seiner
Zeit durch Thaten zeigen wird, daß ein Mann , wenn er der Rechte, mehr werth
ist, als hunderttausend Söldlinge. Möge es ihm nur vergönnt sein, einstmals
die Heere eines einigen Deutschlands zu führen — gegen Deutsche, das sind wir
W. K- überzeugt, wird er niemals seine Waffen tragen.


II. Adolph WieSner,
Abgeordneter der dentschen Nationalversammlung.

Nichts macht uns die Schwierigkeiten unserer politischen Lage anschaulicher,
als die Verwirrung, in die einzelne Köpfe durch sie gerathen, und zwar am mei¬
sten solche, die den Eingebungen des unmittelbaren Gefühls folgen, von denen
man also erwarten sollte, sie würden wenigstens in einem bestimmten Zuge fort¬
gerissen werden. Denn unsere Neigungen durchkreuzen sich viel bunter und irra¬
tioneller, als unsere Interessen. Jene Erfindung eines Spaßvogels, die Darm¬
städter wünschten die deutsche Republik mit dem verstorbenen Großherzog an der
Spitze, ist schlagend: ihre Tollheit wird tausendmal überboten dnrch wirkliche An¬
träge, die in der Paulskirche gestellt sind. So unwahr und so kläglich unsere
Zustände im großen Ganzen wie im Detail sich aufnehmen, sie haben doch in
unsern gemüthlichen deutschen Herzen Wurzel geschlagen, und bei jedem Anflug
von Idealismus regt sich eine Faser unserer Pietät und macht uns unruhig. Um
diese Unruhe zu übertäuben, forciren wir unsere Begeisterung, toben uns in einen
gewissen Fanatismus hinein und reden zuletzt irre.

Die folgende Skizze kann nur so weit Interesse in Anspruch nehmen, als sie
diesen Gefühlsconflict in einem bestimmten Beispiel anschaulich macht. Der ehren¬
werthe Abgeordnete, dem sie gilt, war im März und April 1848 einer der po-


Grenzbottn. ni. 1849. ig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279171"/>
            <p xml:id="ID_454" prev="#ID_453"> Fest veranstaltet hatte; sein Namenszug aus zartem Haidekraut geflochten, prangte<lb/>
über dem Ehrensitz von frischem Nasen, Feuerwerke erleuchteten mit springenden<lb/>
Lichtern den See zu unsern Füßen, ans den düstern Haidebergen, welche rings<lb/>
den Kessel unseres Lagers einschlossen, lagen die phantastischen Schatten der um<lb/>
das Feuer Geheilten. Als von der Tann mit glänzendem Auge das Wohl Deutsch¬<lb/>
lands ausbrachte, donnerte dreimal das Pelotonfeuer der Jäger ihm und dem<lb/>
Vaterland zu Ehren, und dann drängte sich die ganze Menge, Jung und Alt, um<lb/>
ihn, ihm die Hand zu drücken, ihm zu danken, ihm zu sagen, daß er der Stolz<lb/>
Aller sei. In schüchterner Ferne standen verwundert die Juden der umliegenden<lb/>
Dörfer und betrachteten mit starren, stieren Blicken das unbegreifliche Schauspiel.<lb/>
Es wird uns unvergeßlich sein!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_455"> Wen» einem deutschen Manne eine große Zukunft bevorsteht, so ist es von<lb/>
der Tann. Wir klagen, unsere Feinde freuen sich, daß es uns an bewährten,<lb/>
tüchtigen Heerführern fehle. Da haben wir Einen, welcher beiden Theilen seiner<lb/>
Zeit durch Thaten zeigen wird, daß ein Mann , wenn er der Rechte, mehr werth<lb/>
ist, als hunderttausend Söldlinge. Möge es ihm nur vergönnt sein, einstmals<lb/>
die Heere eines einigen Deutschlands zu führen &#x2014; gegen Deutsche, das sind wir<lb/><note type="byline"> W. K-</note> überzeugt, wird er niemals seine Waffen tragen. </p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> II. Adolph WieSner,<lb/>
Abgeordneter der dentschen Nationalversammlung.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_456"> Nichts macht uns die Schwierigkeiten unserer politischen Lage anschaulicher,<lb/>
als die Verwirrung, in die einzelne Köpfe durch sie gerathen, und zwar am mei¬<lb/>
sten solche, die den Eingebungen des unmittelbaren Gefühls folgen, von denen<lb/>
man also erwarten sollte, sie würden wenigstens in einem bestimmten Zuge fort¬<lb/>
gerissen werden. Denn unsere Neigungen durchkreuzen sich viel bunter und irra¬<lb/>
tioneller, als unsere Interessen. Jene Erfindung eines Spaßvogels, die Darm¬<lb/>
städter wünschten die deutsche Republik mit dem verstorbenen Großherzog an der<lb/>
Spitze, ist schlagend: ihre Tollheit wird tausendmal überboten dnrch wirkliche An¬<lb/>
träge, die in der Paulskirche gestellt sind. So unwahr und so kläglich unsere<lb/>
Zustände im großen Ganzen wie im Detail sich aufnehmen, sie haben doch in<lb/>
unsern gemüthlichen deutschen Herzen Wurzel geschlagen, und bei jedem Anflug<lb/>
von Idealismus regt sich eine Faser unserer Pietät und macht uns unruhig. Um<lb/>
diese Unruhe zu übertäuben, forciren wir unsere Begeisterung, toben uns in einen<lb/>
gewissen Fanatismus hinein und reden zuletzt irre.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_457" next="#ID_458"> Die folgende Skizze kann nur so weit Interesse in Anspruch nehmen, als sie<lb/>
diesen Gefühlsconflict in einem bestimmten Beispiel anschaulich macht. Der ehren¬<lb/>
werthe Abgeordnete, dem sie gilt, war im März und April 1848 einer der po-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbottn. ni. 1849. ig</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0145] Fest veranstaltet hatte; sein Namenszug aus zartem Haidekraut geflochten, prangte über dem Ehrensitz von frischem Nasen, Feuerwerke erleuchteten mit springenden Lichtern den See zu unsern Füßen, ans den düstern Haidebergen, welche rings den Kessel unseres Lagers einschlossen, lagen die phantastischen Schatten der um das Feuer Geheilten. Als von der Tann mit glänzendem Auge das Wohl Deutsch¬ lands ausbrachte, donnerte dreimal das Pelotonfeuer der Jäger ihm und dem Vaterland zu Ehren, und dann drängte sich die ganze Menge, Jung und Alt, um ihn, ihm die Hand zu drücken, ihm zu danken, ihm zu sagen, daß er der Stolz Aller sei. In schüchterner Ferne standen verwundert die Juden der umliegenden Dörfer und betrachteten mit starren, stieren Blicken das unbegreifliche Schauspiel. Es wird uns unvergeßlich sein! Wen» einem deutschen Manne eine große Zukunft bevorsteht, so ist es von der Tann. Wir klagen, unsere Feinde freuen sich, daß es uns an bewährten, tüchtigen Heerführern fehle. Da haben wir Einen, welcher beiden Theilen seiner Zeit durch Thaten zeigen wird, daß ein Mann , wenn er der Rechte, mehr werth ist, als hunderttausend Söldlinge. Möge es ihm nur vergönnt sein, einstmals die Heere eines einigen Deutschlands zu führen — gegen Deutsche, das sind wir W. K- überzeugt, wird er niemals seine Waffen tragen. II. Adolph WieSner, Abgeordneter der dentschen Nationalversammlung. Nichts macht uns die Schwierigkeiten unserer politischen Lage anschaulicher, als die Verwirrung, in die einzelne Köpfe durch sie gerathen, und zwar am mei¬ sten solche, die den Eingebungen des unmittelbaren Gefühls folgen, von denen man also erwarten sollte, sie würden wenigstens in einem bestimmten Zuge fort¬ gerissen werden. Denn unsere Neigungen durchkreuzen sich viel bunter und irra¬ tioneller, als unsere Interessen. Jene Erfindung eines Spaßvogels, die Darm¬ städter wünschten die deutsche Republik mit dem verstorbenen Großherzog an der Spitze, ist schlagend: ihre Tollheit wird tausendmal überboten dnrch wirkliche An¬ träge, die in der Paulskirche gestellt sind. So unwahr und so kläglich unsere Zustände im großen Ganzen wie im Detail sich aufnehmen, sie haben doch in unsern gemüthlichen deutschen Herzen Wurzel geschlagen, und bei jedem Anflug von Idealismus regt sich eine Faser unserer Pietät und macht uns unruhig. Um diese Unruhe zu übertäuben, forciren wir unsere Begeisterung, toben uns in einen gewissen Fanatismus hinein und reden zuletzt irre. Die folgende Skizze kann nur so weit Interesse in Anspruch nehmen, als sie diesen Gefühlsconflict in einem bestimmten Beispiel anschaulich macht. Der ehren¬ werthe Abgeordnete, dem sie gilt, war im März und April 1848 einer der po- Grenzbottn. ni. 1849. ig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/145
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/145>, abgerufen am 05.02.2025.