euern Fürsten in die Ohren, daß die letzte Stunde der Entscheidung geschlagen hat. Ist es jetzt noch Zeit zu streiten, ob sich Wittelsbach dem Hohenzoller oder Hohenzoller dem Wittelsbach unterordnen soll? Dreht sich die Welt um Ku- kclöbach und Kakclsbach? Wahrlich, nicht am deutschen Volke möchte man schier verzweifeln, aber an euch, ihr kleinen blindverstockten Pharaohs, die ihr den diplomatischen Zeichendeutern traut und harret und zögert, bis die eiserne Noth euch den Stuhl auf der Gasse bereitet oder die Wogen des rothen Meeres über euern Häuptern und Kronen zusammenschlagen!
Graf Stadion.
ii.
Es ist bekannt, daß uach dem Ausbruche der Octoberrevolution eine Menge Deputirte von der Rechten und deu Centren heimlich die Hauptstadt verließen/ während das Rumpfparlament in beschlußfähiger Auzahl, unter dem Vorsitze Smol- ka's forttagte. Stadion schien lange zu schwanken, ehe er einen bestimmten Ent¬ schluß fassen konnte, zu welcher Partei er sich schlagen sollte, ob zu der geschlos¬ senen Partei der fliehenden Tschechen, oder zu den Männern des Rumpfparlaments- Es fehlte ihm in diesem, wie in allen spätern wichtigen Fällen der Muth einer selbstständigen Meinung. Er leugnete die Kompetenz des Rumpfparlaments und wohnte doch den Sitzungen desselben bei; er äußerte sich in den Kreisen seiner Bekannten mißbilligend über die Richtung welche der Reichstag eingeschlagen, und halte doch nicht den Muth, von der Tribüne herab seine Meinung zu sagen; nicht daß ich etwa durch diese Bemerkung den Grafen Stadion als einen Mann der blassen Furcht bezeichnen wollte, nein: die Besorgniß, man werde seine Fin^ als einen Act der Feigheit auslegen, war das einzige Motiv seines Bleibens. Durch seine Freunde endlich" dennoch zum Rücktritt bewogen, verkehrte er abroech' seind mit einigen Vertrauten in' der Hauptstadt und mit der Hofpartei in OlmG bis er nach langem Zaudern den Entschluß faßte, ein neues Cabinet zu bilden, doch machte er dabei den Wiedereintritt des mit Recht bei allen Parteien ver¬ haßten ol. Bach zur Bedingung, lieber die verschiedenen Stimmungen, welche durch die neue Miuistercombinativn in Wien erzeugt wurden, ist es fruchtlos Ihnen zu schreiben, um so mehr da diese Combination bis zur Einnahme der Stadt nur. gerüchtweise und unvollständig bekannt war. Bald hieß es, Mu-
euern Fürsten in die Ohren, daß die letzte Stunde der Entscheidung geschlagen hat. Ist es jetzt noch Zeit zu streiten, ob sich Wittelsbach dem Hohenzoller oder Hohenzoller dem Wittelsbach unterordnen soll? Dreht sich die Welt um Ku- kclöbach und Kakclsbach? Wahrlich, nicht am deutschen Volke möchte man schier verzweifeln, aber an euch, ihr kleinen blindverstockten Pharaohs, die ihr den diplomatischen Zeichendeutern traut und harret und zögert, bis die eiserne Noth euch den Stuhl auf der Gasse bereitet oder die Wogen des rothen Meeres über euern Häuptern und Kronen zusammenschlagen!
Graf Stadion.
ii.
Es ist bekannt, daß uach dem Ausbruche der Octoberrevolution eine Menge Deputirte von der Rechten und deu Centren heimlich die Hauptstadt verließen/ während das Rumpfparlament in beschlußfähiger Auzahl, unter dem Vorsitze Smol- ka's forttagte. Stadion schien lange zu schwanken, ehe er einen bestimmten Ent¬ schluß fassen konnte, zu welcher Partei er sich schlagen sollte, ob zu der geschlos¬ senen Partei der fliehenden Tschechen, oder zu den Männern des Rumpfparlaments- Es fehlte ihm in diesem, wie in allen spätern wichtigen Fällen der Muth einer selbstständigen Meinung. Er leugnete die Kompetenz des Rumpfparlaments und wohnte doch den Sitzungen desselben bei; er äußerte sich in den Kreisen seiner Bekannten mißbilligend über die Richtung welche der Reichstag eingeschlagen, und halte doch nicht den Muth, von der Tribüne herab seine Meinung zu sagen; nicht daß ich etwa durch diese Bemerkung den Grafen Stadion als einen Mann der blassen Furcht bezeichnen wollte, nein: die Besorgniß, man werde seine Fin^ als einen Act der Feigheit auslegen, war das einzige Motiv seines Bleibens. Durch seine Freunde endlich" dennoch zum Rücktritt bewogen, verkehrte er abroech' seind mit einigen Vertrauten in' der Hauptstadt und mit der Hofpartei in OlmG bis er nach langem Zaudern den Entschluß faßte, ein neues Cabinet zu bilden, doch machte er dabei den Wiedereintritt des mit Recht bei allen Parteien ver¬ haßten ol. Bach zur Bedingung, lieber die verschiedenen Stimmungen, welche durch die neue Miuistercombinativn in Wien erzeugt wurden, ist es fruchtlos Ihnen zu schreiben, um so mehr da diese Combination bis zur Einnahme der Stadt nur. gerüchtweise und unvollständig bekannt war. Bald hieß es, Mu-
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oder Hohenzoller dem Wittelsbach unterordnen soll? Dreht sich die Welt um Ku-
kclöbach und Kakclsbach? Wahrlich, nicht am deutschen Volke möchte man schier
verzweifeln, aber an euch, ihr kleinen blindverstockten Pharaohs, die ihr den
diplomatischen Zeichendeutern traut und harret und zögert, bis die eiserne Noth
euch den Stuhl auf der Gasse bereitet oder die Wogen des rothen Meeres über
euern Häuptern und Kronen zusammenschlagen!
Graf Stadion.
ii.
Es ist bekannt, daß uach dem Ausbruche der Octoberrevolution eine Menge
Deputirte von der Rechten und deu Centren heimlich die Hauptstadt verließen/
während das Rumpfparlament in beschlußfähiger Auzahl, unter dem Vorsitze Smol-
ka's forttagte. Stadion schien lange zu schwanken, ehe er einen bestimmten Ent¬
schluß fassen konnte, zu welcher Partei er sich schlagen sollte, ob zu der geschlos¬
senen Partei der fliehenden Tschechen, oder zu den Männern des Rumpfparlaments-
Es fehlte ihm in diesem, wie in allen spätern wichtigen Fällen der Muth einer
selbstständigen Meinung. Er leugnete die Kompetenz des Rumpfparlaments und
wohnte doch den Sitzungen desselben bei; er äußerte sich in den Kreisen seiner
Bekannten mißbilligend über die Richtung welche der Reichstag eingeschlagen, und
halte doch nicht den Muth, von der Tribüne herab seine Meinung zu sagen;
nicht daß ich etwa durch diese Bemerkung den Grafen Stadion als einen Mann
der blassen Furcht bezeichnen wollte, nein: die Besorgniß, man werde seine Fin^
als einen Act der Feigheit auslegen, war das einzige Motiv seines Bleibens.
Durch seine Freunde endlich" dennoch zum Rücktritt bewogen, verkehrte er abroech'
seind mit einigen Vertrauten in' der Hauptstadt und mit der Hofpartei in OlmG
bis er nach langem Zaudern den Entschluß faßte, ein neues Cabinet zu bilden,
doch machte er dabei den Wiedereintritt des mit Recht bei allen Parteien ver¬
haßten ol. Bach zur Bedingung, lieber die verschiedenen Stimmungen, welche
durch die neue Miuistercombinativn in Wien erzeugt wurden, ist es fruchtlos
Ihnen zu schreiben, um so mehr da diese Combination bis zur Einnahme der
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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/218>, abgerufen am 22.01.2025.
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