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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Aber eS kann ihnen vielleicht gelingen, Fischhof Jahre lang im Kerker zu halten,
oder zum Tode zu verurtheilen, aber sein Geist, wird wie jener Joseph II., stets
dem Volke vor Augen treten, wenn es das Wort Freiheit aussprechen wird.

Die südslavischen Zeitungen bringen uns täglich drohendere Ansprachen an
die Regierung der Gesammtmonarchie. So erklärt eine serbische Zeitung gerade
heraus: "Kaiser, Du kannst aus uns nicht mehr rechnen im Kampfe für die In¬
tegrität des Reiches!" Briefliche Nachrichten, welche hier angelangt sind, bringen
bereits Gerüchte vom Zusammentreffen der Kaiserlichen mit den Serben bei Hatz-
feld. Nehmen Sie dazu, daß die türkischen Serben unter Knicauin bereits nach
Hause gegangen und daß Kossuth, wie mau ebenfalls erzählt, den klugen Staats¬
streich gemacht habe, den föderalistischen Verfassungsentwurf des Kremsierer Reichs¬
tags für die ungarischen Länder zu octroyiren, so können Sie leicht begreifen, daß
der ungarische Krieg in eine ganz neue Phase getreten ist. Die militärische Stel¬
lung der Ungarn scheint in diesem Augenblick mindestens eben so günstig, wie
je die der Kaiserlichen zu sein, und die strategischen Kenntnisse und Erfahrungen
sind jedenfalls auf Seite der ungarisch-polnischen Führer. Auf einen Hauptschlag
jedoch werden die Ungarn schwerlich ihre ganze Sache einsetzen und suchen nur
ihre Festungen so lange wie möglich zu halten. Nun soll auch Baron Hammer-
stein aus Galizien nach Siebenbürgen eingerückt sein. Die Polen werden schwerlich
diese Entblösung ihres Landes von k. k. Truppen unbenutzt lasse". Wenn wir
daher jetzt auf die Ost- und Südgrenzen unsers Reiches Hinblicken, so scheint uns
der Russe die einzige und letzte Stütze und Hilfe unserer Negierung zu sein.
Radetzky marschirt mit der italienischen Armee nach Turin -- um Karl Albert
auf seinem schwankenden Throne zu befestigen, dafür wird vielleicht ein russischer
Feldmarschall nach Pesth und Wien rücken, um Habsburgs Reich mit Eisen zusam-
menzuhalten! Wenn wir jetzt nicht an unserer Zukunft verzweifeln sollen, so müssen
wir abermals an einen zweiten Wiener Kongreß oder an eine göttliche Vorsehung
glauben. Eine neue Revolution oder ein europäischer Krieg? Lassen Sie mich
diese Gedanken nicht aussprechen, Papa Melden saßt mich und hält mich wann
und reitet geschwind in seinem Arm --!!!




Ans Paris.



Die grauen Tage des Careme sind eingebrochen und wir fangen an, die
Langeweile, welche sich mit bleiernen Gewicht über unsere ganze blasirte Gesell¬
schaft gelagert hat, doppelt zu fühlen. Nein, das ist nicht mehr das alte Paris,
und ich hatte Recht, wenn ich in meinem ersten Briefe an Sie, die Physiognomie


Aber eS kann ihnen vielleicht gelingen, Fischhof Jahre lang im Kerker zu halten,
oder zum Tode zu verurtheilen, aber sein Geist, wird wie jener Joseph II., stets
dem Volke vor Augen treten, wenn es das Wort Freiheit aussprechen wird.

Die südslavischen Zeitungen bringen uns täglich drohendere Ansprachen an
die Regierung der Gesammtmonarchie. So erklärt eine serbische Zeitung gerade
heraus: „Kaiser, Du kannst aus uns nicht mehr rechnen im Kampfe für die In¬
tegrität des Reiches!" Briefliche Nachrichten, welche hier angelangt sind, bringen
bereits Gerüchte vom Zusammentreffen der Kaiserlichen mit den Serben bei Hatz-
feld. Nehmen Sie dazu, daß die türkischen Serben unter Knicauin bereits nach
Hause gegangen und daß Kossuth, wie mau ebenfalls erzählt, den klugen Staats¬
streich gemacht habe, den föderalistischen Verfassungsentwurf des Kremsierer Reichs¬
tags für die ungarischen Länder zu octroyiren, so können Sie leicht begreifen, daß
der ungarische Krieg in eine ganz neue Phase getreten ist. Die militärische Stel¬
lung der Ungarn scheint in diesem Augenblick mindestens eben so günstig, wie
je die der Kaiserlichen zu sein, und die strategischen Kenntnisse und Erfahrungen
sind jedenfalls auf Seite der ungarisch-polnischen Führer. Auf einen Hauptschlag
jedoch werden die Ungarn schwerlich ihre ganze Sache einsetzen und suchen nur
ihre Festungen so lange wie möglich zu halten. Nun soll auch Baron Hammer-
stein aus Galizien nach Siebenbürgen eingerückt sein. Die Polen werden schwerlich
diese Entblösung ihres Landes von k. k. Truppen unbenutzt lasse». Wenn wir
daher jetzt auf die Ost- und Südgrenzen unsers Reiches Hinblicken, so scheint uns
der Russe die einzige und letzte Stütze und Hilfe unserer Negierung zu sein.
Radetzky marschirt mit der italienischen Armee nach Turin — um Karl Albert
auf seinem schwankenden Throne zu befestigen, dafür wird vielleicht ein russischer
Feldmarschall nach Pesth und Wien rücken, um Habsburgs Reich mit Eisen zusam-
menzuhalten! Wenn wir jetzt nicht an unserer Zukunft verzweifeln sollen, so müssen
wir abermals an einen zweiten Wiener Kongreß oder an eine göttliche Vorsehung
glauben. Eine neue Revolution oder ein europäischer Krieg? Lassen Sie mich
diese Gedanken nicht aussprechen, Papa Melden saßt mich und hält mich wann
und reitet geschwind in seinem Arm —!!!




Ans Paris.



Die grauen Tage des Careme sind eingebrochen und wir fangen an, die
Langeweile, welche sich mit bleiernen Gewicht über unsere ganze blasirte Gesell¬
schaft gelagert hat, doppelt zu fühlen. Nein, das ist nicht mehr das alte Paris,
und ich hatte Recht, wenn ich in meinem ersten Briefe an Sie, die Physiognomie


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[0514] Aber eS kann ihnen vielleicht gelingen, Fischhof Jahre lang im Kerker zu halten, oder zum Tode zu verurtheilen, aber sein Geist, wird wie jener Joseph II., stets dem Volke vor Augen treten, wenn es das Wort Freiheit aussprechen wird. Die südslavischen Zeitungen bringen uns täglich drohendere Ansprachen an die Regierung der Gesammtmonarchie. So erklärt eine serbische Zeitung gerade heraus: „Kaiser, Du kannst aus uns nicht mehr rechnen im Kampfe für die In¬ tegrität des Reiches!" Briefliche Nachrichten, welche hier angelangt sind, bringen bereits Gerüchte vom Zusammentreffen der Kaiserlichen mit den Serben bei Hatz- feld. Nehmen Sie dazu, daß die türkischen Serben unter Knicauin bereits nach Hause gegangen und daß Kossuth, wie mau ebenfalls erzählt, den klugen Staats¬ streich gemacht habe, den föderalistischen Verfassungsentwurf des Kremsierer Reichs¬ tags für die ungarischen Länder zu octroyiren, so können Sie leicht begreifen, daß der ungarische Krieg in eine ganz neue Phase getreten ist. Die militärische Stel¬ lung der Ungarn scheint in diesem Augenblick mindestens eben so günstig, wie je die der Kaiserlichen zu sein, und die strategischen Kenntnisse und Erfahrungen sind jedenfalls auf Seite der ungarisch-polnischen Führer. Auf einen Hauptschlag jedoch werden die Ungarn schwerlich ihre ganze Sache einsetzen und suchen nur ihre Festungen so lange wie möglich zu halten. Nun soll auch Baron Hammer- stein aus Galizien nach Siebenbürgen eingerückt sein. Die Polen werden schwerlich diese Entblösung ihres Landes von k. k. Truppen unbenutzt lasse». Wenn wir daher jetzt auf die Ost- und Südgrenzen unsers Reiches Hinblicken, so scheint uns der Russe die einzige und letzte Stütze und Hilfe unserer Negierung zu sein. Radetzky marschirt mit der italienischen Armee nach Turin — um Karl Albert auf seinem schwankenden Throne zu befestigen, dafür wird vielleicht ein russischer Feldmarschall nach Pesth und Wien rücken, um Habsburgs Reich mit Eisen zusam- menzuhalten! Wenn wir jetzt nicht an unserer Zukunft verzweifeln sollen, so müssen wir abermals an einen zweiten Wiener Kongreß oder an eine göttliche Vorsehung glauben. Eine neue Revolution oder ein europäischer Krieg? Lassen Sie mich diese Gedanken nicht aussprechen, Papa Melden saßt mich und hält mich wann und reitet geschwind in seinem Arm —!!! Ans Paris. Die grauen Tage des Careme sind eingebrochen und wir fangen an, die Langeweile, welche sich mit bleiernen Gewicht über unsere ganze blasirte Gesell¬ schaft gelagert hat, doppelt zu fühlen. Nein, das ist nicht mehr das alte Paris, und ich hatte Recht, wenn ich in meinem ersten Briefe an Sie, die Physiognomie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/514>, abgerufen am 22.12.2024.