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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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durch andere Stimmen. Diese "andere Stimmen" können nur jene des
hohen Ministcrraths sein, da jede andere Kehle in Wien und Oestreich gegen"
wärtig "durch den Strang" beengt ist. Uebersetzen Sie daher diese altöstreichische
Sprache ins Deutsche, so heißt es: Ihr gemeinen Manldreschcr in Wien, Oestreich
und Europa, ich kümmere mich um euch und euer Gerede eben so wenig, als um
die ergebenen Noten der Herren constitutionellen Minister. Meine "ausgedehntesten
Vollmachten" verfügen über Gut und Blut der k. k. Unterthanen, über Recht und
Gesetz, über die künftige Gestalt oder den Ruin Oestreichs!

Und Papa Melden verbietet uns, die Todten zu beweinen und ihre Gräber
mit Blumen zu schmücken. Die Erinnerungen an den März 1848 könnte" gar
leicht den Ruhm unseres standrechtlichen Gnadenspendcrs verdunkeln, dem die vor¬
trefflichen Schießübungen seiner Garnison im hiesiger. Stadtgraben die gleiche Aus¬
zeichnung mit deu übrigen Feldherrn unserer Armee, den F. M. L. Jellachich,
d'Aspre, Wradislaw und Pnchner, den Feldzcngmeistersrang erworben hat. Was
sagen aber die "andern Stimmen" zu diesem Paschatreiben? Sie fletschen im of¬
fiziellen Lloyd die Zähne und kühle" ihr Müthchen, in Ermanglung des Krem-
sierer Reichstags, a" der Frankfurter Nationalversammlung. "Die Männer der
Paulskirche wollen einen Staatsstreich machen und die Verfassung dem deutschen
Volke octroyiren" -- diese" bittern Vorwurf dürfen jene allezeit radikalen östreichi¬
schen Staatsmänner macheu, welche seit dem Oktober bis zum V. März einen tiefen
Abscheu vor jedem Staatsstreich und jedem Octroi bewiesen haben. Wie genau
Graf Stadion über die Stimmung und Politik in Deutschland unterrichtet ist,
zeigte er neulich bei einem Diner in seinem Hause, indem er eine eben angelangte
telegraphische Depesche öffnete und mit feinem Lächeln seinen Gästen mittheilte:
"daß or. Goldmark in Breslau in der goldenen Gans abgestiegen sei." Wahr¬
scheinlich hat Herr v. Schmerling ähnliche wichtige Aufklärungen an das kaiserliche
Cabinet expedüt, bevor er seine Gesaudtcustclle niederlegte. Sonst hätte Fürst
Schwarzenberg unmöglich so energische und entscheidende Noten nach Frankfurt
senden können, daß der alte Welker vor dieser Energie der diplomatischen Hand¬
streiche seinen ganzen Babelban vom Directorium im Stiche ließ! -- Unser Ge¬
meinderath hat endlich die angestammte Treue und Liebe der Wiener für das Kai¬
serhaus in Geldwerth übertragen. ^Er fordert seine Mitbelagerten auf, ruhig und
gutgesinnt zu sein, damit Sr. Majestät bald zurückkehren könne, denn dadurch
allein werde Handel und Gewerbe wieder blühe", die materielle Wahlfahrt der
Hauptstadt gesichert werden. -- Ueber das Schicksal Fischhofs ist man noch all¬
gemein in Sorgen. Fischhof scheint unsern Gewalthabern als personificirter Aus¬
druck der Wiener Revolution zu gelten. Sie möchten ihn unschädlich macheu, wie
sie einst in Robert Blum die deutsche Nationalversammlung zu tödten glaubten.
Ueberdies möchten sie gerne ein Exempel statuiren für alle jene Leute, die da
glauben, man könne ungestraft aus einem offiziellen Nichts Ministerialrath werden.


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durch andere Stimmen. Diese „andere Stimmen" können nur jene des
hohen Ministcrraths sein, da jede andere Kehle in Wien und Oestreich gegen»
wärtig „durch den Strang" beengt ist. Uebersetzen Sie daher diese altöstreichische
Sprache ins Deutsche, so heißt es: Ihr gemeinen Manldreschcr in Wien, Oestreich
und Europa, ich kümmere mich um euch und euer Gerede eben so wenig, als um
die ergebenen Noten der Herren constitutionellen Minister. Meine „ausgedehntesten
Vollmachten" verfügen über Gut und Blut der k. k. Unterthanen, über Recht und
Gesetz, über die künftige Gestalt oder den Ruin Oestreichs!

Und Papa Melden verbietet uns, die Todten zu beweinen und ihre Gräber
mit Blumen zu schmücken. Die Erinnerungen an den März 1848 könnte» gar
leicht den Ruhm unseres standrechtlichen Gnadenspendcrs verdunkeln, dem die vor¬
trefflichen Schießübungen seiner Garnison im hiesiger. Stadtgraben die gleiche Aus¬
zeichnung mit deu übrigen Feldherrn unserer Armee, den F. M. L. Jellachich,
d'Aspre, Wradislaw und Pnchner, den Feldzcngmeistersrang erworben hat. Was
sagen aber die „andern Stimmen" zu diesem Paschatreiben? Sie fletschen im of¬
fiziellen Lloyd die Zähne und kühle» ihr Müthchen, in Ermanglung des Krem-
sierer Reichstags, a» der Frankfurter Nationalversammlung. „Die Männer der
Paulskirche wollen einen Staatsstreich machen und die Verfassung dem deutschen
Volke octroyiren" — diese» bittern Vorwurf dürfen jene allezeit radikalen östreichi¬
schen Staatsmänner macheu, welche seit dem Oktober bis zum V. März einen tiefen
Abscheu vor jedem Staatsstreich und jedem Octroi bewiesen haben. Wie genau
Graf Stadion über die Stimmung und Politik in Deutschland unterrichtet ist,
zeigte er neulich bei einem Diner in seinem Hause, indem er eine eben angelangte
telegraphische Depesche öffnete und mit feinem Lächeln seinen Gästen mittheilte:
„daß or. Goldmark in Breslau in der goldenen Gans abgestiegen sei." Wahr¬
scheinlich hat Herr v. Schmerling ähnliche wichtige Aufklärungen an das kaiserliche
Cabinet expedüt, bevor er seine Gesaudtcustclle niederlegte. Sonst hätte Fürst
Schwarzenberg unmöglich so energische und entscheidende Noten nach Frankfurt
senden können, daß der alte Welker vor dieser Energie der diplomatischen Hand¬
streiche seinen ganzen Babelban vom Directorium im Stiche ließ! — Unser Ge¬
meinderath hat endlich die angestammte Treue und Liebe der Wiener für das Kai¬
serhaus in Geldwerth übertragen. ^Er fordert seine Mitbelagerten auf, ruhig und
gutgesinnt zu sein, damit Sr. Majestät bald zurückkehren könne, denn dadurch
allein werde Handel und Gewerbe wieder blühe«, die materielle Wahlfahrt der
Hauptstadt gesichert werden. — Ueber das Schicksal Fischhofs ist man noch all¬
gemein in Sorgen. Fischhof scheint unsern Gewalthabern als personificirter Aus¬
druck der Wiener Revolution zu gelten. Sie möchten ihn unschädlich macheu, wie
sie einst in Robert Blum die deutsche Nationalversammlung zu tödten glaubten.
Ueberdies möchten sie gerne ein Exempel statuiren für alle jene Leute, die da
glauben, man könne ungestraft aus einem offiziellen Nichts Ministerialrath werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/513>, abgerufen am 23.07.2024.