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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Denken wir uns dagegen die deutsche Einheit durch die preußische Hegemo¬
nie vermittelt und die Reichsgewalt sogleich mit größeren Befugnissen ausgestattet,
so kann dieser Weg allerdings die Einheit im Innern schneller herbeiführen, so
wie er sie nach Außen sogleich klar hinstellt. Aber wir dürfen uns anch die Ge¬
fahren nicht verbergen. Der partikularistische Widerstand der Sondcrinteressen,
Dynastien und Winkelradikalen wird viel heftiger entbrennen. Das ist darum
gefährlich, weil Preußen im eignen Innern gar sehr noch der Kräftigung und
Heilung bedarf. Bleibt Preußen jetzt noch sich selbst überlassen, so wird es in
einigen Jahren fester und mächtiger als je dastehen. Und hat es nicht viel für
sich, den Winkelradicalismus sich die Hörner allein abstoßen zu lassen? Sachsen
z. B. scheint jetzt eine Kammer zu bekommen, die sich zu der auseinander gejagten
preußischen Constituante ungefähr verhält, wie Sachsen zu Preußen. Sie wird
natürlich ein Opposttionsheerd gegen Preußen und leicht möglich, daß das ganze
Land so verblendet ist, sich in diese wohlfeile Opposition hineinziehen zu lassen. Diese
Erscheinung wird sich mehr oder minder in allen kleinen Staaten wiederholen,
und so muß Preußen vielleicht seine edelsten Kräfte in einem nutzlosen Kampfe
verschwenden, der zugleich die verpesteten Elemente in seinem eigenen Innern auf¬
wühlt. Läßt man diesen Radicalismus frei gewähren, so muß er sich auf die
innern Zustände zu Hause werfen und da wird er sich bald zu Grnnde richten.
Wenn dann in einigen Jahren der demokratische Gehalt unsrer jetzigen Bewegung
von allen unreinen Beimischungen geläutert und durch die Erfahrung praktisch be¬
stimmt ist, dann wird das Werk der deutschen Einigung, wenn wir es jetzt auch
vorsichtig aufnehmen, mit schnellem Schritt seiner Vollendung zugeführt werden
können. Ob dann von einer preußischen Hegemonie noch die Rede ist, wird da¬
von abhängen, welche Tüchtigkeit die nichtpreußischen Bundesstaaten in ihrem po¬
litischen Leben zu entwickeln vermögen.


- L. Mßlcr.


Der Prager Student im Jahre 1848.
Nebst einer Einleitung.

Die Bedeutung, welche das Studententhum für den im Oktober abgeschlossenen
Cyclus der Wiener Revolutionen hat, liegt klar am Tage, und ist oft genug
besprochen worden. Es ist auch nicht schwer, die psychologische Erklärung dieser
welthistorischen Studentenschaft zu geben, und den Nachweis zu liefern, daß die
östreichische Revolution, welche an Naivetät einer jeden andern den Rang ab¬
läuft, nothwendig von der Universität aus beginnen mußte. --

Das Volk von Paris ging mit der ganzen Wucht jenes Selbstgefühls, wel¬
ches durch die revolutionäre Praxis eines halben Jahrhunderts erworben wird,


Denken wir uns dagegen die deutsche Einheit durch die preußische Hegemo¬
nie vermittelt und die Reichsgewalt sogleich mit größeren Befugnissen ausgestattet,
so kann dieser Weg allerdings die Einheit im Innern schneller herbeiführen, so
wie er sie nach Außen sogleich klar hinstellt. Aber wir dürfen uns anch die Ge¬
fahren nicht verbergen. Der partikularistische Widerstand der Sondcrinteressen,
Dynastien und Winkelradikalen wird viel heftiger entbrennen. Das ist darum
gefährlich, weil Preußen im eignen Innern gar sehr noch der Kräftigung und
Heilung bedarf. Bleibt Preußen jetzt noch sich selbst überlassen, so wird es in
einigen Jahren fester und mächtiger als je dastehen. Und hat es nicht viel für
sich, den Winkelradicalismus sich die Hörner allein abstoßen zu lassen? Sachsen
z. B. scheint jetzt eine Kammer zu bekommen, die sich zu der auseinander gejagten
preußischen Constituante ungefähr verhält, wie Sachsen zu Preußen. Sie wird
natürlich ein Opposttionsheerd gegen Preußen und leicht möglich, daß das ganze
Land so verblendet ist, sich in diese wohlfeile Opposition hineinziehen zu lassen. Diese
Erscheinung wird sich mehr oder minder in allen kleinen Staaten wiederholen,
und so muß Preußen vielleicht seine edelsten Kräfte in einem nutzlosen Kampfe
verschwenden, der zugleich die verpesteten Elemente in seinem eigenen Innern auf¬
wühlt. Läßt man diesen Radicalismus frei gewähren, so muß er sich auf die
innern Zustände zu Hause werfen und da wird er sich bald zu Grnnde richten.
Wenn dann in einigen Jahren der demokratische Gehalt unsrer jetzigen Bewegung
von allen unreinen Beimischungen geläutert und durch die Erfahrung praktisch be¬
stimmt ist, dann wird das Werk der deutschen Einigung, wenn wir es jetzt auch
vorsichtig aufnehmen, mit schnellem Schritt seiner Vollendung zugeführt werden
können. Ob dann von einer preußischen Hegemonie noch die Rede ist, wird da¬
von abhängen, welche Tüchtigkeit die nichtpreußischen Bundesstaaten in ihrem po¬
litischen Leben zu entwickeln vermögen.


- L. Mßlcr.


Der Prager Student im Jahre 1848.
Nebst einer Einleitung.

Die Bedeutung, welche das Studententhum für den im Oktober abgeschlossenen
Cyclus der Wiener Revolutionen hat, liegt klar am Tage, und ist oft genug
besprochen worden. Es ist auch nicht schwer, die psychologische Erklärung dieser
welthistorischen Studentenschaft zu geben, und den Nachweis zu liefern, daß die
östreichische Revolution, welche an Naivetät einer jeden andern den Rang ab¬
läuft, nothwendig von der Universität aus beginnen mußte. —

Das Volk von Paris ging mit der ganzen Wucht jenes Selbstgefühls, wel¬
ches durch die revolutionäre Praxis eines halben Jahrhunderts erworben wird,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/36>, abgerufen am 22.12.2024.