Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mein treuer Vox. Deine Tilgend wird mit meinen Sünden in einen Topf ge¬
worfen, und ich fürchte, die Verleumdung wagt sich auch an Deine reine, un¬
eigennützige Seele.


Box
(geschmeichelt).

Ach, Herr Graf, mein gutes Bewußtsein gibt mir die

Kraft, Verleumdung zu verachten.


Wald.

D

(seine Börse einsteckend)
as freut mich Höre, redlicher Box, wenn

Du mir das nächste Mal Geld aus meiner Börse stiehlst, so sei etwas weniger
unverschämt.

(erschrocken).

Box

Wie, gnädiger Herr?

Du hast gestern das Unglück gehabt, ein altes Geldstück zu mausen,


Wald.

das ich persönlich kenne.

Herr Graf, das ist ein ungeheures Mißverständniß. Das Geldstück


Box.

muß ich wiederfinden.

Ja, in Deiner Tasche. Kannst Du denn das abgeschmackte Stehlen


Wald.

nicht lassen? -- Bist Du unzufrieden mit Deinem Lohn? ich will ihn verdoppeln,
wenn Du schwörst, meine Börse in Ruhe zu lassen.

(gerührt).

Box

Herr Graf, es wäre schändlich von mir, wenn ich das an¬

nähme, denn es würde nichts helfen. Wenn Sie mir meinen Gehalt verdoppeln,
so würden sich meine Bedürfnisse verdreifachen, und die zarten Beziehungen zu
Ihrer Börse könnten sich dann leicht bis in das Große steigern.


Wald.

Dann müssen wir's freilich beim Alten lassen. -- Vergiß aber nicht,

daß, wenn wir Beide mit einander spielen, ich die Katze bin und Du die Maus,
und nimm die Versicherung, daß die Sonne des Himmels auf keinen größern,
abgefeimten Spitzbuben herniederscheint, als mein tugendhafter ehrlicher Box ist.

(ab)
Guten Morgen, Herr Box!

(Fortsetzung folgt.)




Der bairische Separatismus.



Neulich brachte die allgemeine Zeitung einige Bemerkungen über den sächsischen
Particularismus. Die folgenden Blätter bitte ich als einen ähnlichen Versuch anzusehn;
sie sind keineswegs aus der Absicht hervorgegangen, mit dem bairischen Particularis¬
mus eine Lanze zu brechen. Wenn irgend einer, so ist er hieb - und stichfester, als
man es sich gewöhnlich vorstellt, und -- die letzten Monate haben das wieder so
einleuchtend als möglich bewiesen -- senkt seine Wurzeln tief in den Grund des gauzeu
Volkslebens. Ein tüchtiger Orkan vermag wohl manchen weitästigen und festwurzelnden
Stamm auszureißen, aber dieser ist von dem vergangenen Sturmjahr, wie es scheint,
nur noch fester gerüttelt worden. -- Ich beginne, wie billig, beim Haupte,


mein treuer Vox. Deine Tilgend wird mit meinen Sünden in einen Topf ge¬
worfen, und ich fürchte, die Verleumdung wagt sich auch an Deine reine, un¬
eigennützige Seele.


Box
(geschmeichelt).

Ach, Herr Graf, mein gutes Bewußtsein gibt mir die

Kraft, Verleumdung zu verachten.


Wald.

D

(seine Börse einsteckend)
as freut mich Höre, redlicher Box, wenn

Du mir das nächste Mal Geld aus meiner Börse stiehlst, so sei etwas weniger
unverschämt.

(erschrocken).

Box

Wie, gnädiger Herr?

Du hast gestern das Unglück gehabt, ein altes Geldstück zu mausen,


Wald.

das ich persönlich kenne.

Herr Graf, das ist ein ungeheures Mißverständniß. Das Geldstück


Box.

muß ich wiederfinden.

Ja, in Deiner Tasche. Kannst Du denn das abgeschmackte Stehlen


Wald.

nicht lassen? — Bist Du unzufrieden mit Deinem Lohn? ich will ihn verdoppeln,
wenn Du schwörst, meine Börse in Ruhe zu lassen.

(gerührt).

Box

Herr Graf, es wäre schändlich von mir, wenn ich das an¬

nähme, denn es würde nichts helfen. Wenn Sie mir meinen Gehalt verdoppeln,
so würden sich meine Bedürfnisse verdreifachen, und die zarten Beziehungen zu
Ihrer Börse könnten sich dann leicht bis in das Große steigern.


Wald.

Dann müssen wir's freilich beim Alten lassen. — Vergiß aber nicht,

daß, wenn wir Beide mit einander spielen, ich die Katze bin und Du die Maus,
und nimm die Versicherung, daß die Sonne des Himmels auf keinen größern,
abgefeimten Spitzbuben herniederscheint, als mein tugendhafter ehrlicher Box ist.

(ab)
Guten Morgen, Herr Box!

(Fortsetzung folgt.)




Der bairische Separatismus.



Neulich brachte die allgemeine Zeitung einige Bemerkungen über den sächsischen
Particularismus. Die folgenden Blätter bitte ich als einen ähnlichen Versuch anzusehn;
sie sind keineswegs aus der Absicht hervorgegangen, mit dem bairischen Particularis¬
mus eine Lanze zu brechen. Wenn irgend einer, so ist er hieb - und stichfester, als
man es sich gewöhnlich vorstellt, und — die letzten Monate haben das wieder so
einleuchtend als möglich bewiesen — senkt seine Wurzeln tief in den Grund des gauzeu
Volkslebens. Ein tüchtiger Orkan vermag wohl manchen weitästigen und festwurzelnden
Stamm auszureißen, aber dieser ist von dem vergangenen Sturmjahr, wie es scheint,
nur noch fester gerüttelt worden. — Ich beginne, wie billig, beim Haupte,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278248"/>
            <p xml:id="ID_1059" prev="#ID_1058"> mein treuer Vox. Deine Tilgend wird mit meinen Sünden in einen Topf ge¬<lb/>
worfen, und ich fürchte, die Verleumdung wagt sich auch an Deine reine, un¬<lb/>
eigennützige Seele.</p><lb/>
            <note type="speaker"> Box</note><lb/>
            <stage> (geschmeichelt).</stage><lb/>
            <p xml:id="ID_1060"> Ach, Herr Graf, mein gutes Bewußtsein gibt mir die</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1061"> Kraft, Verleumdung zu verachten.</p><lb/>
            <note type="speaker"> Wald.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1062"> D<stage> (seine Börse einsteckend)</stage> as freut mich Höre, redlicher Box, wenn</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1063"> Du mir das nächste Mal Geld aus meiner Börse stiehlst, so sei etwas weniger<lb/>
unverschämt.</p><lb/>
            <stage> (erschrocken). </stage><lb/>
            <note type="speaker"> Box</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1064"> Wie, gnädiger Herr?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1065"> Du hast gestern das Unglück gehabt, ein altes Geldstück zu mausen,</p><lb/>
            <note type="speaker"> Wald.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1066"> das ich persönlich kenne.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1067"> Herr Graf, das ist ein ungeheures Mißverständniß. Das Geldstück</p><lb/>
            <note type="speaker"> Box.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1068"> muß ich wiederfinden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1069"> Ja, in Deiner Tasche. Kannst Du denn das abgeschmackte Stehlen</p><lb/>
            <note type="speaker"> Wald.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1070"> nicht lassen? &#x2014; Bist Du unzufrieden mit Deinem Lohn? ich will ihn verdoppeln,<lb/>
wenn Du schwörst, meine Börse in Ruhe zu lassen.</p><lb/>
            <stage> (gerührt).</stage><lb/>
            <note type="speaker"> Box </note><lb/>
            <p xml:id="ID_1071"> Herr Graf, es wäre schändlich von mir, wenn ich das an¬</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1072"> nähme, denn es würde nichts helfen. Wenn Sie mir meinen Gehalt verdoppeln,<lb/>
so würden sich meine Bedürfnisse verdreifachen, und die zarten Beziehungen zu<lb/>
Ihrer Börse könnten sich dann leicht bis in das Große steigern.</p><lb/>
            <note type="speaker"> Wald.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1073"> Dann müssen wir's freilich beim Alten lassen. &#x2014; Vergiß aber nicht,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1074"> daß, wenn wir Beide mit einander spielen, ich die Katze bin und Du die Maus,<lb/>
und nimm die Versicherung, daß die Sonne des Himmels auf keinen größern,<lb/>
abgefeimten Spitzbuben herniederscheint, als mein tugendhafter ehrlicher Box ist.<lb/><stage> (ab)</stage> Guten Morgen, Herr Box! </p><lb/>
            <p xml:id="ID_1075"> (Fortsetzung folgt.)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der bairische Separatismus.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1076"> Neulich brachte die allgemeine Zeitung einige Bemerkungen über den sächsischen<lb/>
Particularismus. Die folgenden Blätter bitte ich als einen ähnlichen Versuch anzusehn;<lb/>
sie sind keineswegs aus der Absicht hervorgegangen, mit dem bairischen Particularis¬<lb/>
mus eine Lanze zu brechen. Wenn irgend einer, so ist er hieb - und stichfester, als<lb/>
man es sich gewöhnlich vorstellt, und &#x2014; die letzten Monate haben das wieder so<lb/>
einleuchtend als möglich bewiesen &#x2014; senkt seine Wurzeln tief in den Grund des gauzeu<lb/>
Volkslebens. Ein tüchtiger Orkan vermag wohl manchen weitästigen und festwurzelnden<lb/>
Stamm auszureißen, aber dieser ist von dem vergangenen Sturmjahr, wie es scheint,<lb/>
nur noch fester gerüttelt worden. &#x2014; Ich beginne, wie billig, beim Haupte,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0260] mein treuer Vox. Deine Tilgend wird mit meinen Sünden in einen Topf ge¬ worfen, und ich fürchte, die Verleumdung wagt sich auch an Deine reine, un¬ eigennützige Seele. Box (geschmeichelt). Ach, Herr Graf, mein gutes Bewußtsein gibt mir die Kraft, Verleumdung zu verachten. Wald. D (seine Börse einsteckend) as freut mich Höre, redlicher Box, wenn Du mir das nächste Mal Geld aus meiner Börse stiehlst, so sei etwas weniger unverschämt. (erschrocken). Box Wie, gnädiger Herr? Du hast gestern das Unglück gehabt, ein altes Geldstück zu mausen, Wald. das ich persönlich kenne. Herr Graf, das ist ein ungeheures Mißverständniß. Das Geldstück Box. muß ich wiederfinden. Ja, in Deiner Tasche. Kannst Du denn das abgeschmackte Stehlen Wald. nicht lassen? — Bist Du unzufrieden mit Deinem Lohn? ich will ihn verdoppeln, wenn Du schwörst, meine Börse in Ruhe zu lassen. (gerührt). Box Herr Graf, es wäre schändlich von mir, wenn ich das an¬ nähme, denn es würde nichts helfen. Wenn Sie mir meinen Gehalt verdoppeln, so würden sich meine Bedürfnisse verdreifachen, und die zarten Beziehungen zu Ihrer Börse könnten sich dann leicht bis in das Große steigern. Wald. Dann müssen wir's freilich beim Alten lassen. — Vergiß aber nicht, daß, wenn wir Beide mit einander spielen, ich die Katze bin und Du die Maus, und nimm die Versicherung, daß die Sonne des Himmels auf keinen größern, abgefeimten Spitzbuben herniederscheint, als mein tugendhafter ehrlicher Box ist. (ab) Guten Morgen, Herr Box! (Fortsetzung folgt.) Der bairische Separatismus. Neulich brachte die allgemeine Zeitung einige Bemerkungen über den sächsischen Particularismus. Die folgenden Blätter bitte ich als einen ähnlichen Versuch anzusehn; sie sind keineswegs aus der Absicht hervorgegangen, mit dem bairischen Particularis¬ mus eine Lanze zu brechen. Wenn irgend einer, so ist er hieb - und stichfester, als man es sich gewöhnlich vorstellt, und — die letzten Monate haben das wieder so einleuchtend als möglich bewiesen — senkt seine Wurzeln tief in den Grund des gauzeu Volkslebens. Ein tüchtiger Orkan vermag wohl manchen weitästigen und festwurzelnden Stamm auszureißen, aber dieser ist von dem vergangenen Sturmjahr, wie es scheint, nur noch fester gerüttelt worden. — Ich beginne, wie billig, beim Haupte,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/260
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/260>, abgerufen am 22.12.2024.