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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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das Auge, die sorgende Hand eines Vaters. Er ist allein, ein einsames Reis
in fremden Garten gesetzt! Wenn er, wie Kinder thun, frägt, wo seine Aeltern
bleiben, wann sie zu ihm kommen werden, was soll man ihm antworten? Er
hat keine Aeltern! -- Und Sie selbst -- was Ihr größtes Glück wäre, das fröh¬
liche Lachen des Kleinen zu hören, für ihn zu sorge", an seinem Lager zu wachen
und sich zu freuen, wenn er fleißig und brav ist, das Alles müssen auch Sie
verliere"! --Ich muß weinen, daß es so gekommen ist gegen die Natur und gegen
deu heiße" Wunsch meiner Seele. Ihnen aber, Herr Gras, soll das Schicksal
dieses Knabe" niemals mehr heitere Laune errege", er soll nie erfahren, daß sein

(ab.)
Vater ihn zweimal von sich gestoßen hat.


Wald.

Bei Gott, ein hochherziges Mädchen, und welche Bußpredigt! Ich

sah mich bereits sitzen, einen weißhaarigen, rothbäckigen Bengel auf dem Schooß
und vor mir drei bis vier größere nullo, wie Gänse mit ausgestreckten Hälsen
schreiend: Vater, Brot! während mir der Jüngste in aller Stille den Rockschooß
unsauber macht. -- Und welche Lobsprüche sie meinem Charakter gab, lasterhaft
war das wenigste, -- aber es stand ihr nicht schlecht, es war Ueberzeugung. --
Bei alle dem kann die Sache so nicht bleiben, sür den unnützen Jungen muß ge¬
sorgt werden, und Du, schöne Gertrud, sollst erfahren, daß es nicht rathsam ist,

, (er schellt)
den Satan in seiner eignen Hölle am Bart zu ziehen

Box.

Wald.

Wirst Du das Mädchen wieder erkennen, wenn Du ihr begegnest?


Box
(bei Seite).

(laut)
Da haben wir das Unglück, Gewiß, Herr Graf,

den" ich kenne sie bereits.


Wald.

Was weißt Du von ihr?


Box
(bei Seite),

Jetzt nur nicht zu sehr gelobt, (laut) Je uun, sie gilt

für ein gutes Ding, sie hat in früher Jugend ihre Mutter verloren und hilft
ihrem alten Bater bei der Gärtnerei; meine Mutter wohnt in ihrer Nähe.

Das trifft sich gut.


Wald.
Box.

Die würdige Frau hat den Wunsch, ans mir und dem Mädchen eine

Partie zu machen. Doch sie ist arm und so gewöhnlich, nichts apartes, und da

(kühl)
habe ich mich zurückgehalten, Sonst wäre sie eine recht brauchbare Frau
ürmi.

Für Dich?! -- Vorläufig wirst Du die Güte haben, Deine Absicht


Wald.

auf das Mädchen aufzuschieben.

O weh!


Box
(bei Seite).

Wald.

Ich will auffahren. Hut und Handschuh! -- Box, man spricht

übel von uns unter den Leuten.

Ich fürchte auch, Herr Graf, man nennt unsern


Box
(den Hut präsentirend).

Wandel unmoralisch.


Wald,
(mit verstellter Gutmüthigkeit).

Das schmerzt mich um Deinetwillen,


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das Auge, die sorgende Hand eines Vaters. Er ist allein, ein einsames Reis
in fremden Garten gesetzt! Wenn er, wie Kinder thun, frägt, wo seine Aeltern
bleiben, wann sie zu ihm kommen werden, was soll man ihm antworten? Er
hat keine Aeltern! — Und Sie selbst — was Ihr größtes Glück wäre, das fröh¬
liche Lachen des Kleinen zu hören, für ihn zu sorge», an seinem Lager zu wachen
und sich zu freuen, wenn er fleißig und brav ist, das Alles müssen auch Sie
verliere»! —Ich muß weinen, daß es so gekommen ist gegen die Natur und gegen
deu heiße» Wunsch meiner Seele. Ihnen aber, Herr Gras, soll das Schicksal
dieses Knabe» niemals mehr heitere Laune errege», er soll nie erfahren, daß sein

(ab.)
Vater ihn zweimal von sich gestoßen hat.


Wald.

Bei Gott, ein hochherziges Mädchen, und welche Bußpredigt! Ich

sah mich bereits sitzen, einen weißhaarigen, rothbäckigen Bengel auf dem Schooß
und vor mir drei bis vier größere nullo, wie Gänse mit ausgestreckten Hälsen
schreiend: Vater, Brot! während mir der Jüngste in aller Stille den Rockschooß
unsauber macht. — Und welche Lobsprüche sie meinem Charakter gab, lasterhaft
war das wenigste, — aber es stand ihr nicht schlecht, es war Ueberzeugung. —
Bei alle dem kann die Sache so nicht bleiben, sür den unnützen Jungen muß ge¬
sorgt werden, und Du, schöne Gertrud, sollst erfahren, daß es nicht rathsam ist,

, (er schellt)
den Satan in seiner eignen Hölle am Bart zu ziehen

Box.

Wald.

Wirst Du das Mädchen wieder erkennen, wenn Du ihr begegnest?


Box
(bei Seite).

(laut)
Da haben wir das Unglück, Gewiß, Herr Graf,

den» ich kenne sie bereits.


Wald.

Was weißt Du von ihr?


Box
(bei Seite),

Jetzt nur nicht zu sehr gelobt, (laut) Je uun, sie gilt

für ein gutes Ding, sie hat in früher Jugend ihre Mutter verloren und hilft
ihrem alten Bater bei der Gärtnerei; meine Mutter wohnt in ihrer Nähe.

Das trifft sich gut.


Wald.
Box.

Die würdige Frau hat den Wunsch, ans mir und dem Mädchen eine

Partie zu machen. Doch sie ist arm und so gewöhnlich, nichts apartes, und da

(kühl)
habe ich mich zurückgehalten, Sonst wäre sie eine recht brauchbare Frau
ürmi.

Für Dich?! — Vorläufig wirst Du die Güte haben, Deine Absicht


Wald.

auf das Mädchen aufzuschieben.

O weh!


Box
(bei Seite).

Wald.

Ich will auffahren. Hut und Handschuh! — Box, man spricht

übel von uns unter den Leuten.

Ich fürchte auch, Herr Graf, man nennt unsern


Box
(den Hut präsentirend).

Wandel unmoralisch.


Wald,
(mit verstellter Gutmüthigkeit).

Das schmerzt mich um Deinetwillen,


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[0259] das Auge, die sorgende Hand eines Vaters. Er ist allein, ein einsames Reis in fremden Garten gesetzt! Wenn er, wie Kinder thun, frägt, wo seine Aeltern bleiben, wann sie zu ihm kommen werden, was soll man ihm antworten? Er hat keine Aeltern! — Und Sie selbst — was Ihr größtes Glück wäre, das fröh¬ liche Lachen des Kleinen zu hören, für ihn zu sorge», an seinem Lager zu wachen und sich zu freuen, wenn er fleißig und brav ist, das Alles müssen auch Sie verliere»! —Ich muß weinen, daß es so gekommen ist gegen die Natur und gegen deu heiße» Wunsch meiner Seele. Ihnen aber, Herr Gras, soll das Schicksal dieses Knabe» niemals mehr heitere Laune errege», er soll nie erfahren, daß sein (ab.) Vater ihn zweimal von sich gestoßen hat. Wald. Bei Gott, ein hochherziges Mädchen, und welche Bußpredigt! Ich sah mich bereits sitzen, einen weißhaarigen, rothbäckigen Bengel auf dem Schooß und vor mir drei bis vier größere nullo, wie Gänse mit ausgestreckten Hälsen schreiend: Vater, Brot! während mir der Jüngste in aller Stille den Rockschooß unsauber macht. — Und welche Lobsprüche sie meinem Charakter gab, lasterhaft war das wenigste, — aber es stand ihr nicht schlecht, es war Ueberzeugung. — Bei alle dem kann die Sache so nicht bleiben, sür den unnützen Jungen muß ge¬ sorgt werden, und Du, schöne Gertrud, sollst erfahren, daß es nicht rathsam ist, , (er schellt) den Satan in seiner eignen Hölle am Bart zu ziehen Box. Wald. Wirst Du das Mädchen wieder erkennen, wenn Du ihr begegnest? Box (bei Seite). (laut) Da haben wir das Unglück, Gewiß, Herr Graf, den» ich kenne sie bereits. Wald. Was weißt Du von ihr? Box (bei Seite), Jetzt nur nicht zu sehr gelobt, (laut) Je uun, sie gilt für ein gutes Ding, sie hat in früher Jugend ihre Mutter verloren und hilft ihrem alten Bater bei der Gärtnerei; meine Mutter wohnt in ihrer Nähe. Das trifft sich gut. Wald. Box. Die würdige Frau hat den Wunsch, ans mir und dem Mädchen eine Partie zu machen. Doch sie ist arm und so gewöhnlich, nichts apartes, und da (kühl) habe ich mich zurückgehalten, Sonst wäre sie eine recht brauchbare Frau ürmi. Für Dich?! — Vorläufig wirst Du die Güte haben, Deine Absicht Wald. auf das Mädchen aufzuschieben. O weh! Box (bei Seite). Wald. Ich will auffahren. Hut und Handschuh! — Box, man spricht übel von uns unter den Leuten. Ich fürchte auch, Herr Graf, man nennt unsern Box (den Hut präsentirend). Wandel unmoralisch. Wald, (mit verstellter Gutmüthigkeit). Das schmerzt mich um Deinetwillen, 32*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/259>, abgerufen am 22.12.2024.