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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Der Vladika von Montenegro.



Im Januar 1847 war ich in Prag. Damals hatte die sentimentale Neigung
zu czechischem Wesen noch einen komischen Anstrich. Wenn die gelegentlichen Vor¬
träge Palacky's über altböhmisches Leben die Kriegsthaten und Tüchtigkeit der
Deutschen in den tiefen Schatten stellten, welcher nöthig war, um alle Ruhmes¬
strahlen auf dem Haupt des böhmischen Löwen zu sammeln, so konnte diese Pas¬
sion eines gutmüthigen eifrigen Büchermanns amusiren, und wenn sich Viele quäl¬
ten, czechisch zu reden, denen die Zunge recht deutsch im Munde stand, wenn die
Poeten deutsche Verse brauchten, um böhmischen Heldenmuth zu feiern, wenn es
zum guten Ton gehörte, die Kuriositäten des Alterthums anzuschwärmen, so war
in all diesem Trödelkram noch nichts, was die gute Laune verdorben hätte, ja er
verhalf dazu. Hatte ich doch in Edinburg und dem Hochland ein ähnliches, lie¬
benswürdiges Coquettiren mit Provinzialismen gesehn. Dort hat es sich unschäd¬
lich, ja erfreuend in den Gedichten von Burns und selbst in Volksromanen nie¬
dergeschlagen und ich hoffte, dem Schwärmer Palacky und dem jungen Geschlecht
böhmischer Dichter nicht nahe zu treten, wenn ich sie in meinem Calkul mit jenen
beiden Schotten zusammenstellte und leichtfertig dachte: Historiker und Dichter sind
die Leiter dieser elegischen Empfindungen, folglich sind sie als unpractisch durch
den gesunden Verstand der Gegenwart bereits überwunden. Ich vergaß, daß
Schottland durch eine volkstümliche Regierung gewonnen war, Böhmen durch
engherzige Cabinetspolitik gedrückt wurde.

Es war Slaveuball bei einem der vornehmsten Aristokraten. Auch diese Bälle
waren erfunden, um slavische Heldenkraft auf angenehme Weise zur Geltung zu
bringen. Alles Mögliche daran war czechisch, slavisch-panslavistisch, die Toiletten,
Musik und Tänze und die brillante Decoration; und ich glaube, anch ein Theil
der Menschen waren wirkliche Slaven, obgleich die liebenswürdige Individualität
des Wirths entschieden deutsch war. Indeß


Mit Kleinigkeiten nimmt man's nicht genau,
Wer frägt darnach in einer Schäferstunde.

Genug, daß Alles so prächtig, bunt und fröhlich war, als nur möglich. Die
Juwelen und farbigen Stoffe glänzten, die Schnurrbärte kräuselten sich, die Musik
enthusiasmirte Jllyrier, Böhmen, Polen und Kroaten in ihren nationalen Trachten
und die Frauen bewiesen durch den Glanz ihrer Augen und die feingeschnittenen
Gesichter unwiderleglich den Adel ihrer Nationen. Kriegerische Männer, schöne
Frauen, was braucht ein Volk mehr, die Welt zu gewinnen! Das Fest machte
den Eindruck eines seinen Maskenballs in bestimmtem Styl und halb und halb


Der Vladika von Montenegro.



Im Januar 1847 war ich in Prag. Damals hatte die sentimentale Neigung
zu czechischem Wesen noch einen komischen Anstrich. Wenn die gelegentlichen Vor¬
träge Palacky's über altböhmisches Leben die Kriegsthaten und Tüchtigkeit der
Deutschen in den tiefen Schatten stellten, welcher nöthig war, um alle Ruhmes¬
strahlen auf dem Haupt des böhmischen Löwen zu sammeln, so konnte diese Pas¬
sion eines gutmüthigen eifrigen Büchermanns amusiren, und wenn sich Viele quäl¬
ten, czechisch zu reden, denen die Zunge recht deutsch im Munde stand, wenn die
Poeten deutsche Verse brauchten, um böhmischen Heldenmuth zu feiern, wenn es
zum guten Ton gehörte, die Kuriositäten des Alterthums anzuschwärmen, so war
in all diesem Trödelkram noch nichts, was die gute Laune verdorben hätte, ja er
verhalf dazu. Hatte ich doch in Edinburg und dem Hochland ein ähnliches, lie¬
benswürdiges Coquettiren mit Provinzialismen gesehn. Dort hat es sich unschäd¬
lich, ja erfreuend in den Gedichten von Burns und selbst in Volksromanen nie¬
dergeschlagen und ich hoffte, dem Schwärmer Palacky und dem jungen Geschlecht
böhmischer Dichter nicht nahe zu treten, wenn ich sie in meinem Calkul mit jenen
beiden Schotten zusammenstellte und leichtfertig dachte: Historiker und Dichter sind
die Leiter dieser elegischen Empfindungen, folglich sind sie als unpractisch durch
den gesunden Verstand der Gegenwart bereits überwunden. Ich vergaß, daß
Schottland durch eine volkstümliche Regierung gewonnen war, Böhmen durch
engherzige Cabinetspolitik gedrückt wurde.

Es war Slaveuball bei einem der vornehmsten Aristokraten. Auch diese Bälle
waren erfunden, um slavische Heldenkraft auf angenehme Weise zur Geltung zu
bringen. Alles Mögliche daran war czechisch, slavisch-panslavistisch, die Toiletten,
Musik und Tänze und die brillante Decoration; und ich glaube, anch ein Theil
der Menschen waren wirkliche Slaven, obgleich die liebenswürdige Individualität
des Wirths entschieden deutsch war. Indeß


Mit Kleinigkeiten nimmt man's nicht genau,
Wer frägt darnach in einer Schäferstunde.

Genug, daß Alles so prächtig, bunt und fröhlich war, als nur möglich. Die
Juwelen und farbigen Stoffe glänzten, die Schnurrbärte kräuselten sich, die Musik
enthusiasmirte Jllyrier, Böhmen, Polen und Kroaten in ihren nationalen Trachten
und die Frauen bewiesen durch den Glanz ihrer Augen und die feingeschnittenen
Gesichter unwiderleglich den Adel ihrer Nationen. Kriegerische Männer, schöne
Frauen, was braucht ein Volk mehr, die Welt zu gewinnen! Das Fest machte
den Eindruck eines seinen Maskenballs in bestimmtem Styl und halb und halb


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[0088] Der Vladika von Montenegro. Im Januar 1847 war ich in Prag. Damals hatte die sentimentale Neigung zu czechischem Wesen noch einen komischen Anstrich. Wenn die gelegentlichen Vor¬ träge Palacky's über altböhmisches Leben die Kriegsthaten und Tüchtigkeit der Deutschen in den tiefen Schatten stellten, welcher nöthig war, um alle Ruhmes¬ strahlen auf dem Haupt des böhmischen Löwen zu sammeln, so konnte diese Pas¬ sion eines gutmüthigen eifrigen Büchermanns amusiren, und wenn sich Viele quäl¬ ten, czechisch zu reden, denen die Zunge recht deutsch im Munde stand, wenn die Poeten deutsche Verse brauchten, um böhmischen Heldenmuth zu feiern, wenn es zum guten Ton gehörte, die Kuriositäten des Alterthums anzuschwärmen, so war in all diesem Trödelkram noch nichts, was die gute Laune verdorben hätte, ja er verhalf dazu. Hatte ich doch in Edinburg und dem Hochland ein ähnliches, lie¬ benswürdiges Coquettiren mit Provinzialismen gesehn. Dort hat es sich unschäd¬ lich, ja erfreuend in den Gedichten von Burns und selbst in Volksromanen nie¬ dergeschlagen und ich hoffte, dem Schwärmer Palacky und dem jungen Geschlecht böhmischer Dichter nicht nahe zu treten, wenn ich sie in meinem Calkul mit jenen beiden Schotten zusammenstellte und leichtfertig dachte: Historiker und Dichter sind die Leiter dieser elegischen Empfindungen, folglich sind sie als unpractisch durch den gesunden Verstand der Gegenwart bereits überwunden. Ich vergaß, daß Schottland durch eine volkstümliche Regierung gewonnen war, Böhmen durch engherzige Cabinetspolitik gedrückt wurde. Es war Slaveuball bei einem der vornehmsten Aristokraten. Auch diese Bälle waren erfunden, um slavische Heldenkraft auf angenehme Weise zur Geltung zu bringen. Alles Mögliche daran war czechisch, slavisch-panslavistisch, die Toiletten, Musik und Tänze und die brillante Decoration; und ich glaube, anch ein Theil der Menschen waren wirkliche Slaven, obgleich die liebenswürdige Individualität des Wirths entschieden deutsch war. Indeß Mit Kleinigkeiten nimmt man's nicht genau, Wer frägt darnach in einer Schäferstunde. Genug, daß Alles so prächtig, bunt und fröhlich war, als nur möglich. Die Juwelen und farbigen Stoffe glänzten, die Schnurrbärte kräuselten sich, die Musik enthusiasmirte Jllyrier, Böhmen, Polen und Kroaten in ihren nationalen Trachten und die Frauen bewiesen durch den Glanz ihrer Augen und die feingeschnittenen Gesichter unwiderleglich den Adel ihrer Nationen. Kriegerische Männer, schöne Frauen, was braucht ein Volk mehr, die Welt zu gewinnen! Das Fest machte den Eindruck eines seinen Maskenballs in bestimmtem Styl und halb und halb

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/88>, abgerufen am 03.07.2024.