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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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der Weise und begießen alle Verkehrtheiten an Freund und Feind mit beißender
Ironie und einem unerschöpflichen Spotte, der aber nur die Haut ritzt, nicht bis
in die Nerven dringt. Die "fliegenden Blätter", die immer noch ihre 20,000 Abneh¬
mer haben, sind zu bekannt, um noch weiter charakterisiert zu werden. Die "Leucht¬
kugeln", in der Lota-Periode zuerst ausgeworfen, haben durch den Anklang, den
sie im Bürgerthum gefunden und durch ihr scharfes Losgehen in dem ganzen Be¬
reich staatlicher und socialer Verhältnisse viel dazu beigetragen, den alten Sauer¬
teig unseres doppelt gehörnten Philistertums auszufegen. Wort und Illustration
haben in ihnen schneidend in einander gegriffen, ein Grund, weshalb Adel und
Geistlichkeit die Halbheit der "fliegenden Blätter" stets vorgezogen. Die beiden
Negierungsorgane, die "neue Münchner Zeitung" und der "Reichsbote" können
beim besten Willen nicht wirken, sie haben unterm Volke keinen Abonnenten, und
dasselbe will, da es von Reaction nichts wissen mag, dieselben nicht einmal gratis
haben; beide Blätter wurden vor kurzem noch vom Volke in einem Antodaf" den
Göttern geopfert. Durch die gesteigerte Wirksamkeit der Presse wird es wohl ge¬
lingen die politische Indifferenz, wo sie etwa noch vorhanden, vollkommen zu
brechen, und dieser Wirksamkeit ist es wohl beizumessen, wenn Stimmen von oben
her der Localpresse einen neuen Druck zudenken; sie verlautbaren wenigstens, so
wie eS jetzt steht, könne es mit der Presse nicht bleiben; schwerlich aber wird der
nächste Landtag, den man aus den freisinnigsten Männern zusammengesetzt zu er¬
halten hofft, zu Preßbeschränkungen die Hand bieten. Mit der Hinwegräumung
der politischen Indifferenz wird auch die in den Beamtenkreisen verbrei¬
tete religiöse ihre Beseitigung finden, und wenn es der nunmehr in einem Ge¬
meindeverband getretene Deutsch-Katholicismus versteht, sich von Unsittlichsten,
Schroffheiten und politischen Agitationen fern zu halten, so steht ihm hier ein
ziemlich reiches Feld offen. Möge der übergetretene, ehemalige katholische Prie¬
ster Domhof daraus bedacht sein, sein junges Gemeindelebcn, wenn er an die
Spitze der Deutsch-Katholiken tritt, mit Ideen zu schwängern, damit nicht die
Eintönigkeit des neuen Cultus der Farbenpracht des alten dicht gegenüber, in
schlimmen Schatten gestellt werde. Nächstens eine Schilderung des hiesigen Par¬
F. teienlebens und seiner Träger.




Zur polnischen Frage.



Mirabeau rief in der constituirenden Versammlung, als nach dem 14. Juli
der Finanzminister Necker, damals noch der Abgott der Pariser, seine etwas schwin-
delhafter Finanzprojecte porte'gte: "Die Tyrannei haben wir gestürzt, es ist Zeit,
daß wir auch die Charlatanerie von uns austreiben."


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der Weise und begießen alle Verkehrtheiten an Freund und Feind mit beißender
Ironie und einem unerschöpflichen Spotte, der aber nur die Haut ritzt, nicht bis
in die Nerven dringt. Die „fliegenden Blätter", die immer noch ihre 20,000 Abneh¬
mer haben, sind zu bekannt, um noch weiter charakterisiert zu werden. Die „Leucht¬
kugeln", in der Lota-Periode zuerst ausgeworfen, haben durch den Anklang, den
sie im Bürgerthum gefunden und durch ihr scharfes Losgehen in dem ganzen Be¬
reich staatlicher und socialer Verhältnisse viel dazu beigetragen, den alten Sauer¬
teig unseres doppelt gehörnten Philistertums auszufegen. Wort und Illustration
haben in ihnen schneidend in einander gegriffen, ein Grund, weshalb Adel und
Geistlichkeit die Halbheit der „fliegenden Blätter" stets vorgezogen. Die beiden
Negierungsorgane, die „neue Münchner Zeitung" und der „Reichsbote" können
beim besten Willen nicht wirken, sie haben unterm Volke keinen Abonnenten, und
dasselbe will, da es von Reaction nichts wissen mag, dieselben nicht einmal gratis
haben; beide Blätter wurden vor kurzem noch vom Volke in einem Antodaf« den
Göttern geopfert. Durch die gesteigerte Wirksamkeit der Presse wird es wohl ge¬
lingen die politische Indifferenz, wo sie etwa noch vorhanden, vollkommen zu
brechen, und dieser Wirksamkeit ist es wohl beizumessen, wenn Stimmen von oben
her der Localpresse einen neuen Druck zudenken; sie verlautbaren wenigstens, so
wie eS jetzt steht, könne es mit der Presse nicht bleiben; schwerlich aber wird der
nächste Landtag, den man aus den freisinnigsten Männern zusammengesetzt zu er¬
halten hofft, zu Preßbeschränkungen die Hand bieten. Mit der Hinwegräumung
der politischen Indifferenz wird auch die in den Beamtenkreisen verbrei¬
tete religiöse ihre Beseitigung finden, und wenn es der nunmehr in einem Ge¬
meindeverband getretene Deutsch-Katholicismus versteht, sich von Unsittlichsten,
Schroffheiten und politischen Agitationen fern zu halten, so steht ihm hier ein
ziemlich reiches Feld offen. Möge der übergetretene, ehemalige katholische Prie¬
ster Domhof daraus bedacht sein, sein junges Gemeindelebcn, wenn er an die
Spitze der Deutsch-Katholiken tritt, mit Ideen zu schwängern, damit nicht die
Eintönigkeit des neuen Cultus der Farbenpracht des alten dicht gegenüber, in
schlimmen Schatten gestellt werde. Nächstens eine Schilderung des hiesigen Par¬
F. teienlebens und seiner Träger.




Zur polnischen Frage.



Mirabeau rief in der constituirenden Versammlung, als nach dem 14. Juli
der Finanzminister Necker, damals noch der Abgott der Pariser, seine etwas schwin-
delhafter Finanzprojecte porte'gte: „Die Tyrannei haben wir gestürzt, es ist Zeit,
daß wir auch die Charlatanerie von uns austreiben."


Srcnzbotk». III. .-7
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[0533] der Weise und begießen alle Verkehrtheiten an Freund und Feind mit beißender Ironie und einem unerschöpflichen Spotte, der aber nur die Haut ritzt, nicht bis in die Nerven dringt. Die „fliegenden Blätter", die immer noch ihre 20,000 Abneh¬ mer haben, sind zu bekannt, um noch weiter charakterisiert zu werden. Die „Leucht¬ kugeln", in der Lota-Periode zuerst ausgeworfen, haben durch den Anklang, den sie im Bürgerthum gefunden und durch ihr scharfes Losgehen in dem ganzen Be¬ reich staatlicher und socialer Verhältnisse viel dazu beigetragen, den alten Sauer¬ teig unseres doppelt gehörnten Philistertums auszufegen. Wort und Illustration haben in ihnen schneidend in einander gegriffen, ein Grund, weshalb Adel und Geistlichkeit die Halbheit der „fliegenden Blätter" stets vorgezogen. Die beiden Negierungsorgane, die „neue Münchner Zeitung" und der „Reichsbote" können beim besten Willen nicht wirken, sie haben unterm Volke keinen Abonnenten, und dasselbe will, da es von Reaction nichts wissen mag, dieselben nicht einmal gratis haben; beide Blätter wurden vor kurzem noch vom Volke in einem Antodaf« den Göttern geopfert. Durch die gesteigerte Wirksamkeit der Presse wird es wohl ge¬ lingen die politische Indifferenz, wo sie etwa noch vorhanden, vollkommen zu brechen, und dieser Wirksamkeit ist es wohl beizumessen, wenn Stimmen von oben her der Localpresse einen neuen Druck zudenken; sie verlautbaren wenigstens, so wie eS jetzt steht, könne es mit der Presse nicht bleiben; schwerlich aber wird der nächste Landtag, den man aus den freisinnigsten Männern zusammengesetzt zu er¬ halten hofft, zu Preßbeschränkungen die Hand bieten. Mit der Hinwegräumung der politischen Indifferenz wird auch die in den Beamtenkreisen verbrei¬ tete religiöse ihre Beseitigung finden, und wenn es der nunmehr in einem Ge¬ meindeverband getretene Deutsch-Katholicismus versteht, sich von Unsittlichsten, Schroffheiten und politischen Agitationen fern zu halten, so steht ihm hier ein ziemlich reiches Feld offen. Möge der übergetretene, ehemalige katholische Prie¬ ster Domhof daraus bedacht sein, sein junges Gemeindelebcn, wenn er an die Spitze der Deutsch-Katholiken tritt, mit Ideen zu schwängern, damit nicht die Eintönigkeit des neuen Cultus der Farbenpracht des alten dicht gegenüber, in schlimmen Schatten gestellt werde. Nächstens eine Schilderung des hiesigen Par¬ F. teienlebens und seiner Träger. Zur polnischen Frage. Mirabeau rief in der constituirenden Versammlung, als nach dem 14. Juli der Finanzminister Necker, damals noch der Abgott der Pariser, seine etwas schwin- delhafter Finanzprojecte porte'gte: „Die Tyrannei haben wir gestürzt, es ist Zeit, daß wir auch die Charlatanerie von uns austreiben." Srcnzbotk». III. .-7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/533>, abgerufen am 20.09.2024.