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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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abhängige Leute jeder Art. Wählbar sind alle 25jährigen Franzosen, ohne Cen¬
sus- oder Anfenthaltsbedinguug, denn "der Deputirte vertritt nicht sein Depar¬
tement, sondern ganz Frankreich" (obwohl ihn dies nicht verhindern wird, die be¬
sondern und Lokalinteressen seiner Committenten zu vertheidigen). Die Zahl der
Abgeordneten wird künftig 7S0 betragen, Algier und die Kolonien mit einbegrif¬
fen, welche zu "französischem Gebiet" erklärt, aber nach "besondern Gesetzen" sur
llos lois piu-ticuUei-of) regiert werden sollen. Jede Asscmblve wird ans drei Jahr
gewählt und ist permanent.

Vollziehende Gewalt. Der Präsident ist 30 Jahr alt, hat nie seine Rechte
als französischer Bürger verloren (was die Prätendenten ausschließt) wird durch
directe allgemeine Wahlen, mit absoluter Majorität und auf 4 Jahre gewählt.
Wieder gewählt kaun er die darauf folgenden 4 Jahre nicht werden. Seltsam
klingt der 58. Artikel: "Der Präsident präsidire bei nationalen Festlichkeiten."

Innere Verwaltung. Man scheint einen Anfang von Communalfreihest
machen zu wollen, die Cantonal- und Cvmmunalräthe werden nach dem allgemei¬
nen Stimmrecht von den Cantons- und Gcmeindebcwohnern gewählt, können aber
jeden Augenblick ohne Weiteres vom Präsidenten aufgelöst werdeu.

Bald hätte ich Eines vergessen. Kein Gesetzentwurf kann, dringende Fälle
ausgenommen, früher definitiv votirt werden, als nach drei Berathungen, die in
Zwischenräumen von wenigstens zehn Tagen stattfinden müssen. Ob man damit die
erste Kammer ersetzen oder ob der Staatsrath, an dessen Spitze der Viccpräsidcnt
steht, sie unnöthig machen soll? Soviel ist, trotzdem, sicher, daß die Zweikam¬
merfrage für die Debatte vorbehalten bleibt.




Vom Reich.



Vl.
Oestreich und Deutschland.

Die französische Regierung scheint in der italienischen Frage eine drohendere
Stellung einnehmen zu wollen als bisher; es wird wenigstens unsrerseits noth¬
wendig sein, sich auf alle Eventualitäten gefaßt zu machen. Unter diesen Umstän¬
den ist es nothwendig, das Verhältniß Oestreichs zu Deutschland ernstlich ins
Auge zu fassen. Die Aussicht aus einen Neichstneg mit Frankreich ist nicht so
lockend, um deshalb den bisherigen schwankenden und unklaren Zusammenhang
aufrecht halten zu wollen. Wir müssen diese Frage von zwei Gesichtspunkten an-


abhängige Leute jeder Art. Wählbar sind alle 25jährigen Franzosen, ohne Cen¬
sus- oder Anfenthaltsbedinguug, denn „der Deputirte vertritt nicht sein Depar¬
tement, sondern ganz Frankreich" (obwohl ihn dies nicht verhindern wird, die be¬
sondern und Lokalinteressen seiner Committenten zu vertheidigen). Die Zahl der
Abgeordneten wird künftig 7S0 betragen, Algier und die Kolonien mit einbegrif¬
fen, welche zu „französischem Gebiet" erklärt, aber nach „besondern Gesetzen" sur
llos lois piu-ticuUei-of) regiert werden sollen. Jede Asscmblve wird ans drei Jahr
gewählt und ist permanent.

Vollziehende Gewalt. Der Präsident ist 30 Jahr alt, hat nie seine Rechte
als französischer Bürger verloren (was die Prätendenten ausschließt) wird durch
directe allgemeine Wahlen, mit absoluter Majorität und auf 4 Jahre gewählt.
Wieder gewählt kaun er die darauf folgenden 4 Jahre nicht werden. Seltsam
klingt der 58. Artikel: „Der Präsident präsidire bei nationalen Festlichkeiten."

Innere Verwaltung. Man scheint einen Anfang von Communalfreihest
machen zu wollen, die Cantonal- und Cvmmunalräthe werden nach dem allgemei¬
nen Stimmrecht von den Cantons- und Gcmeindebcwohnern gewählt, können aber
jeden Augenblick ohne Weiteres vom Präsidenten aufgelöst werdeu.

Bald hätte ich Eines vergessen. Kein Gesetzentwurf kann, dringende Fälle
ausgenommen, früher definitiv votirt werden, als nach drei Berathungen, die in
Zwischenräumen von wenigstens zehn Tagen stattfinden müssen. Ob man damit die
erste Kammer ersetzen oder ob der Staatsrath, an dessen Spitze der Viccpräsidcnt
steht, sie unnöthig machen soll? Soviel ist, trotzdem, sicher, daß die Zweikam¬
merfrage für die Debatte vorbehalten bleibt.




Vom Reich.



Vl.
Oestreich und Deutschland.

Die französische Regierung scheint in der italienischen Frage eine drohendere
Stellung einnehmen zu wollen als bisher; es wird wenigstens unsrerseits noth¬
wendig sein, sich auf alle Eventualitäten gefaßt zu machen. Unter diesen Umstän¬
den ist es nothwendig, das Verhältniß Oestreichs zu Deutschland ernstlich ins
Auge zu fassen. Die Aussicht aus einen Neichstneg mit Frankreich ist nicht so
lockend, um deshalb den bisherigen schwankenden und unklaren Zusammenhang
aufrecht halten zu wollen. Wir müssen diese Frage von zwei Gesichtspunkten an-


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[0409] abhängige Leute jeder Art. Wählbar sind alle 25jährigen Franzosen, ohne Cen¬ sus- oder Anfenthaltsbedinguug, denn „der Deputirte vertritt nicht sein Depar¬ tement, sondern ganz Frankreich" (obwohl ihn dies nicht verhindern wird, die be¬ sondern und Lokalinteressen seiner Committenten zu vertheidigen). Die Zahl der Abgeordneten wird künftig 7S0 betragen, Algier und die Kolonien mit einbegrif¬ fen, welche zu „französischem Gebiet" erklärt, aber nach „besondern Gesetzen" sur llos lois piu-ticuUei-of) regiert werden sollen. Jede Asscmblve wird ans drei Jahr gewählt und ist permanent. Vollziehende Gewalt. Der Präsident ist 30 Jahr alt, hat nie seine Rechte als französischer Bürger verloren (was die Prätendenten ausschließt) wird durch directe allgemeine Wahlen, mit absoluter Majorität und auf 4 Jahre gewählt. Wieder gewählt kaun er die darauf folgenden 4 Jahre nicht werden. Seltsam klingt der 58. Artikel: „Der Präsident präsidire bei nationalen Festlichkeiten." Innere Verwaltung. Man scheint einen Anfang von Communalfreihest machen zu wollen, die Cantonal- und Cvmmunalräthe werden nach dem allgemei¬ nen Stimmrecht von den Cantons- und Gcmeindebcwohnern gewählt, können aber jeden Augenblick ohne Weiteres vom Präsidenten aufgelöst werdeu. Bald hätte ich Eines vergessen. Kein Gesetzentwurf kann, dringende Fälle ausgenommen, früher definitiv votirt werden, als nach drei Berathungen, die in Zwischenräumen von wenigstens zehn Tagen stattfinden müssen. Ob man damit die erste Kammer ersetzen oder ob der Staatsrath, an dessen Spitze der Viccpräsidcnt steht, sie unnöthig machen soll? Soviel ist, trotzdem, sicher, daß die Zweikam¬ merfrage für die Debatte vorbehalten bleibt. Vom Reich. Vl. Oestreich und Deutschland. Die französische Regierung scheint in der italienischen Frage eine drohendere Stellung einnehmen zu wollen als bisher; es wird wenigstens unsrerseits noth¬ wendig sein, sich auf alle Eventualitäten gefaßt zu machen. Unter diesen Umstän¬ den ist es nothwendig, das Verhältniß Oestreichs zu Deutschland ernstlich ins Auge zu fassen. Die Aussicht aus einen Neichstneg mit Frankreich ist nicht so lockend, um deshalb den bisherigen schwankenden und unklaren Zusammenhang aufrecht halten zu wollen. Wir müssen diese Frage von zwei Gesichtspunkten an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/409>, abgerufen am 28.06.2024.