Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.Cine deutsche Versammlung in London. Aufruf an alle Deutschen in England -- eine deutsche Kriegsflotte errichten Cine deutsche Versammlung in London. Aufruf an alle Deutschen in England — eine deutsche Kriegsflotte errichten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276612"/> </div> <div n="1"> <head> Cine deutsche Versammlung in London.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1413" next="#ID_1414"> Aufruf an alle Deutschen in England — eine deutsche Kriegsflotte errichten<lb/> zu helfen, so lautete das Programm, das gestern meine Landsleute in der City<lb/> nach der „Hall of Commerce" zusammenrief, einem weiten Saal, den ein Eng¬<lb/> länder unentgeldlich gegeben hatte, wahrscheinlich aus Neugierde, zu sehen, wie<lb/> viel deutsche Freunde ihres Vaterlandes Englands Boden auszuweisen habe. Die<lb/> Zahl war klein! Kaum mehr als Hundert fanden sich zusammen. — Beschämt<lb/> darüber stand ein Herr auf und schlug vor, die Versammlung zu vertagen; die<lb/> englischen Blätter hätten die Deutschen schon zur Genüge zum Gegenstand ihrer<lb/> Spöttereien gemacht; traurig sei dieser Beweis mangelnden Nationalgefühls. —<lb/> Der Grönländer, werde er seinem traurigen Boden entrissen und in die lichteren<lb/> Gefilde des Südens versetzt, sehne sich immer wieder nach seinem Thran und dem<lb/> ewigen Schnee seines nordischen Himmels, — aber der Deutsche in London —<lb/> und vielleicht der Deutsche überall — sehne sich nie nach dem heimischen Boden<lb/> zurück, nenne sich nie mehr mit Hochgefühl den Bürger seines Vaterlandes, baue<lb/> nie mehr stolze Hoffnungen auf dessen Ruhm, dessen Glanz , dessen Ehre. Dem<lb/> fremden Boden, auf dem er sein Brot esse — dem weihe er fortan sein Interesse.<lb/> Wie die Kuh in ihrem Stalle nur ihr Futter sieht, so gefalle auch ihm der Ort<lb/> am besten, wo er sich am reichsten mästen könne. Der Engländer bleibe überall,<lb/> in Nord und Süd und an den fernsten Polen der Sohn seines Vaterlandes und<lb/> würde es verschmähen, einen andern Namen zu tragen; aber der Deutsche in<lb/> London — mit Bedauern sei es gesagt — er verachte den Boden, dem er ent¬<lb/> sprossen. — Die Versammlung zog aber dennoch vor, so klein sie auch sei, bei¬<lb/> sammen zu bleiben und den Nichterschienencn durch ihr Beispiel zu zeigen, wie<lb/> man denken, wie man handeln solle. Ein Präsident wurde erwählt und die Ver¬<lb/> handlungen nahmen ihren Fortgang. — Erstlich wurde auseinandergesetzt, daß<lb/> die für Deutschland zu gründende Flotte nicht eine Kriegsflotte, sondern eine<lb/> Friedensflotte sein solle, die dem deutschen Kaufmann auf fernen Meeren Gut und<lb/> Leben sichere und außerdem seine Häfen beschütze, damit nicht, wie in gegenwär¬<lb/> tiger Zeit, ein Völkchen von 1^ Millionen Einwohner eine große Nation von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0406]
Cine deutsche Versammlung in London.
Aufruf an alle Deutschen in England — eine deutsche Kriegsflotte errichten
zu helfen, so lautete das Programm, das gestern meine Landsleute in der City
nach der „Hall of Commerce" zusammenrief, einem weiten Saal, den ein Eng¬
länder unentgeldlich gegeben hatte, wahrscheinlich aus Neugierde, zu sehen, wie
viel deutsche Freunde ihres Vaterlandes Englands Boden auszuweisen habe. Die
Zahl war klein! Kaum mehr als Hundert fanden sich zusammen. — Beschämt
darüber stand ein Herr auf und schlug vor, die Versammlung zu vertagen; die
englischen Blätter hätten die Deutschen schon zur Genüge zum Gegenstand ihrer
Spöttereien gemacht; traurig sei dieser Beweis mangelnden Nationalgefühls. —
Der Grönländer, werde er seinem traurigen Boden entrissen und in die lichteren
Gefilde des Südens versetzt, sehne sich immer wieder nach seinem Thran und dem
ewigen Schnee seines nordischen Himmels, — aber der Deutsche in London —
und vielleicht der Deutsche überall — sehne sich nie nach dem heimischen Boden
zurück, nenne sich nie mehr mit Hochgefühl den Bürger seines Vaterlandes, baue
nie mehr stolze Hoffnungen auf dessen Ruhm, dessen Glanz , dessen Ehre. Dem
fremden Boden, auf dem er sein Brot esse — dem weihe er fortan sein Interesse.
Wie die Kuh in ihrem Stalle nur ihr Futter sieht, so gefalle auch ihm der Ort
am besten, wo er sich am reichsten mästen könne. Der Engländer bleibe überall,
in Nord und Süd und an den fernsten Polen der Sohn seines Vaterlandes und
würde es verschmähen, einen andern Namen zu tragen; aber der Deutsche in
London — mit Bedauern sei es gesagt — er verachte den Boden, dem er ent¬
sprossen. — Die Versammlung zog aber dennoch vor, so klein sie auch sei, bei¬
sammen zu bleiben und den Nichterschienencn durch ihr Beispiel zu zeigen, wie
man denken, wie man handeln solle. Ein Präsident wurde erwählt und die Ver¬
handlungen nahmen ihren Fortgang. — Erstlich wurde auseinandergesetzt, daß
die für Deutschland zu gründende Flotte nicht eine Kriegsflotte, sondern eine
Friedensflotte sein solle, die dem deutschen Kaufmann auf fernen Meeren Gut und
Leben sichere und außerdem seine Häfen beschütze, damit nicht, wie in gegenwär¬
tiger Zeit, ein Völkchen von 1^ Millionen Einwohner eine große Nation von
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