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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Äus Paris.

M, l'linder JonnS. -- Blanqni, Eabct n"d die Kommunisten. -- Sobrier und die M^'NtaqnardS, die repu-
lilikonischc und Swdthonöwache. -- Der Portier der Polizeipräfeetur. -- Die Wahlen.

Taschercan mit seiner fürchterlichen Revue retrospective gleicht einem blinden Janus,
den die Ultras des neuen republikanischen Olymps, in Ermangelung der ehemals belieb¬
ten Proscriptivnsmittel, zum blutlosen Nachrichter der Februarrevolution gemacht haben.
Ist Frankreich durch die Corruptiousscaudale des Jahrs 1847 noch nicht genug demo-
ralisirt, ist das Vertrauen noch nicht tief genug untergraben, und glaubt man durch
die Veröffentlichung der Namen derer, die ans den geheimen Fonds bezahlt wurden, die
Gesellschaft wirklich säubern zu können? Wo das Uebel so groß, wo namentlich die
höhere Schichte der Gesellschaft so gewaltsam in den Strudel des Genusses hineinge¬
zogen worden ist, da kann die Veröffentlichung dieser Aktenstücke durchaus keinen hohem
Zweck, keine Besserung erreichen, sondern allenfalls nur dazu dienen, eine unbeliebt und
längst anrüchig gewordene Partei an den Pranger zu stellen. Wie gefährlich dieses
Spielen mit der seidenen Schnur selbst für die Spieler ist, beweisen die tollen Ge¬
rüchte, die sich an die jetzige Macht Taschcreau's knüpfen. So erzählt man von ihm,
er behaupte die Aktenstücke zu besitzen, welche die Traktate der gestürzten Regierung
mit Armand Marrast wegen der Vertheidigung der Pariser Festungswerke im National
enthielten. Dieses Gerücht erweckt nnn natürlich den Verdacht, die Verleumdung
Marrast's, der bekanntlich zur gemäßigten Partei gehört, gehe von den Ultras im Schooße
der Regierung aus und diese Ultras weiden sich überhaupt an den Wirkungen der Revue
retrospective. Uebrigens war zur Zeit der Entstehung der Festungswerke nicht Marrast,
sondern Bastide Director des National, und da es derselbe Bastide war, der auf sei¬
nem Posten als Generalsecrctär am Ministerium des Auswärtigen, Taschercau die be¬
treffenden Manuscripte verschaffte, so stellt sich die UnWahrscheinlichkeit des erwähnten
Gerüchtes von selbst heraus. Die Revue retrospective hätte einen weit würdigeren,
wahrhaft zeitgemäßen Beruf erfüllen können, wenn sie sich zur Aufgabe gemacht hätte,
die diplomatischen Kunststücke durch Veröffentlichung der geheime" Akten in ihrer ganzen
Nacktheit darzustellen. Sie hätte zeigen müssen, daß es ihr um die Sache und nicht
um die Personen zu thun ist. Wollte man einwenden, es sei bei der Gestaltung der
neuen Dinge nöthig, das Volk mit seinen Verräthern bekannt zu machen, so ist dies
sehr unhaltbar, denn die wirklichen Verräther werden es bei der Oeffentlichkeit der
Kandidaturen und Wahlen nicht wagen aufzutreten, und dann hätte man die That
eines Jeden ja erwägen und ihn verhältnißmäßig bestrafen können, anstatt die
schuldigster, die Schuldigen und die Unschuldigen dem übereilten Urtheile der verblendeten
Masse preiszugeben. Eine Menge Personen konnten ihre Dienste und Unterstützungen
nur aus den geheimen Fonds erhalten, weil man sie unter keiner andern Rubrik in
die Staatsausgaben bringen konnte. Herr Taschercau aber stellt den Spion, den selten


Äus Paris.

M, l'linder JonnS. — Blanqni, Eabct n»d die Kommunisten. — Sobrier und die M^'NtaqnardS, die repu-
lilikonischc und Swdthonöwache. — Der Portier der Polizeipräfeetur. — Die Wahlen.

Taschercan mit seiner fürchterlichen Revue retrospective gleicht einem blinden Janus,
den die Ultras des neuen republikanischen Olymps, in Ermangelung der ehemals belieb¬
ten Proscriptivnsmittel, zum blutlosen Nachrichter der Februarrevolution gemacht haben.
Ist Frankreich durch die Corruptiousscaudale des Jahrs 1847 noch nicht genug demo-
ralisirt, ist das Vertrauen noch nicht tief genug untergraben, und glaubt man durch
die Veröffentlichung der Namen derer, die ans den geheimen Fonds bezahlt wurden, die
Gesellschaft wirklich säubern zu können? Wo das Uebel so groß, wo namentlich die
höhere Schichte der Gesellschaft so gewaltsam in den Strudel des Genusses hineinge¬
zogen worden ist, da kann die Veröffentlichung dieser Aktenstücke durchaus keinen hohem
Zweck, keine Besserung erreichen, sondern allenfalls nur dazu dienen, eine unbeliebt und
längst anrüchig gewordene Partei an den Pranger zu stellen. Wie gefährlich dieses
Spielen mit der seidenen Schnur selbst für die Spieler ist, beweisen die tollen Ge¬
rüchte, die sich an die jetzige Macht Taschcreau's knüpfen. So erzählt man von ihm,
er behaupte die Aktenstücke zu besitzen, welche die Traktate der gestürzten Regierung
mit Armand Marrast wegen der Vertheidigung der Pariser Festungswerke im National
enthielten. Dieses Gerücht erweckt nnn natürlich den Verdacht, die Verleumdung
Marrast's, der bekanntlich zur gemäßigten Partei gehört, gehe von den Ultras im Schooße
der Regierung aus und diese Ultras weiden sich überhaupt an den Wirkungen der Revue
retrospective. Uebrigens war zur Zeit der Entstehung der Festungswerke nicht Marrast,
sondern Bastide Director des National, und da es derselbe Bastide war, der auf sei¬
nem Posten als Generalsecrctär am Ministerium des Auswärtigen, Taschercau die be¬
treffenden Manuscripte verschaffte, so stellt sich die UnWahrscheinlichkeit des erwähnten
Gerüchtes von selbst heraus. Die Revue retrospective hätte einen weit würdigeren,
wahrhaft zeitgemäßen Beruf erfüllen können, wenn sie sich zur Aufgabe gemacht hätte,
die diplomatischen Kunststücke durch Veröffentlichung der geheime» Akten in ihrer ganzen
Nacktheit darzustellen. Sie hätte zeigen müssen, daß es ihr um die Sache und nicht
um die Personen zu thun ist. Wollte man einwenden, es sei bei der Gestaltung der
neuen Dinge nöthig, das Volk mit seinen Verräthern bekannt zu machen, so ist dies
sehr unhaltbar, denn die wirklichen Verräther werden es bei der Oeffentlichkeit der
Kandidaturen und Wahlen nicht wagen aufzutreten, und dann hätte man die That
eines Jeden ja erwägen und ihn verhältnißmäßig bestrafen können, anstatt die
schuldigster, die Schuldigen und die Unschuldigen dem übereilten Urtheile der verblendeten
Masse preiszugeben. Eine Menge Personen konnten ihre Dienste und Unterstützungen
nur aus den geheimen Fonds erhalten, weil man sie unter keiner andern Rubrik in
die Staatsausgaben bringen konnte. Herr Taschercau aber stellt den Spion, den selten


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[0174] Äus Paris. M, l'linder JonnS. — Blanqni, Eabct n»d die Kommunisten. — Sobrier und die M^'NtaqnardS, die repu- lilikonischc und Swdthonöwache. — Der Portier der Polizeipräfeetur. — Die Wahlen. Taschercan mit seiner fürchterlichen Revue retrospective gleicht einem blinden Janus, den die Ultras des neuen republikanischen Olymps, in Ermangelung der ehemals belieb¬ ten Proscriptivnsmittel, zum blutlosen Nachrichter der Februarrevolution gemacht haben. Ist Frankreich durch die Corruptiousscaudale des Jahrs 1847 noch nicht genug demo- ralisirt, ist das Vertrauen noch nicht tief genug untergraben, und glaubt man durch die Veröffentlichung der Namen derer, die ans den geheimen Fonds bezahlt wurden, die Gesellschaft wirklich säubern zu können? Wo das Uebel so groß, wo namentlich die höhere Schichte der Gesellschaft so gewaltsam in den Strudel des Genusses hineinge¬ zogen worden ist, da kann die Veröffentlichung dieser Aktenstücke durchaus keinen hohem Zweck, keine Besserung erreichen, sondern allenfalls nur dazu dienen, eine unbeliebt und längst anrüchig gewordene Partei an den Pranger zu stellen. Wie gefährlich dieses Spielen mit der seidenen Schnur selbst für die Spieler ist, beweisen die tollen Ge¬ rüchte, die sich an die jetzige Macht Taschcreau's knüpfen. So erzählt man von ihm, er behaupte die Aktenstücke zu besitzen, welche die Traktate der gestürzten Regierung mit Armand Marrast wegen der Vertheidigung der Pariser Festungswerke im National enthielten. Dieses Gerücht erweckt nnn natürlich den Verdacht, die Verleumdung Marrast's, der bekanntlich zur gemäßigten Partei gehört, gehe von den Ultras im Schooße der Regierung aus und diese Ultras weiden sich überhaupt an den Wirkungen der Revue retrospective. Uebrigens war zur Zeit der Entstehung der Festungswerke nicht Marrast, sondern Bastide Director des National, und da es derselbe Bastide war, der auf sei¬ nem Posten als Generalsecrctär am Ministerium des Auswärtigen, Taschercau die be¬ treffenden Manuscripte verschaffte, so stellt sich die UnWahrscheinlichkeit des erwähnten Gerüchtes von selbst heraus. Die Revue retrospective hätte einen weit würdigeren, wahrhaft zeitgemäßen Beruf erfüllen können, wenn sie sich zur Aufgabe gemacht hätte, die diplomatischen Kunststücke durch Veröffentlichung der geheime» Akten in ihrer ganzen Nacktheit darzustellen. Sie hätte zeigen müssen, daß es ihr um die Sache und nicht um die Personen zu thun ist. Wollte man einwenden, es sei bei der Gestaltung der neuen Dinge nöthig, das Volk mit seinen Verräthern bekannt zu machen, so ist dies sehr unhaltbar, denn die wirklichen Verräther werden es bei der Oeffentlichkeit der Kandidaturen und Wahlen nicht wagen aufzutreten, und dann hätte man die That eines Jeden ja erwägen und ihn verhältnißmäßig bestrafen können, anstatt die schuldigster, die Schuldigen und die Unschuldigen dem übereilten Urtheile der verblendeten Masse preiszugeben. Eine Menge Personen konnten ihre Dienste und Unterstützungen nur aus den geheimen Fonds erhalten, weil man sie unter keiner andern Rubrik in die Staatsausgaben bringen konnte. Herr Taschercau aber stellt den Spion, den selten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/174>, abgerufen am 29.06.2024.