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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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liegenden, den jetzt am Sömmering und bei Laibach stockenden, den gar nicht den
Weg nach Trieft findenden, und den derzeit 50,000 Fi. C.-M. monatlichen Zu¬
schuß (auf der Südbahn) zur eigenen Erhaltung erfordernden. Und doch gab eS
Männer der Wissenschaft in Oesterreich, die schon vor acht Jahren berechnet
hatten, daß eine bis Trieft et"zj>it ein teriain geführte Eisenbahn dem Staate
dereinst zwei Millionen Zuschuß jährlich koste" müsse, und nur den Weg über
Görz und Palinanova nach Mestre mit einer Flügelbahn von Görz über Mon-
falcone nach Trieft nehmen könne. Doch gab es Personen, unter ihnen gemeine
Feldmesser ohne Bureau-Schliff, die über die Thorheit des Tricbitzer-Tunnels
auf der nördlichen Staatsbahn lächelten und klar den Weg zu seiner einfachen
Umgehung vorzeichneten. Und so gibt eS" jetzt praktische Leute, welche über die
der Staatsverwaltung aufgedrungene Bruck>Salzburger-Eisenbahn -- es schreibe
aber Einer etwas gegen den österreichischen Lloyd, -- den Kops schütteln, und
den natürlichen Weg von Verona aus längs der Etsch, deren wirksame Reguli-
rung zugleich durch die Eisenbahn selbst erzielt werden könnte, über den Brenner
tracirt finden.

Uns fehlt Eines, aber das Eine ist das Wichtigste; es ist der Sporn der
Thatkraft, der Zügel der Ucbergreisendcn, die Ruthe der Unfähigen, der Pranger
der Schlechten. Und dieses Eine ist -- die Öffentlichkeit.


III
Notiz.

Neue Phase der Berliner Presse.

Die Preuß. Allg. Zeitung, die seit dem Schluß der LandtagSvcrhandlungen
an Volumen und an Interesse um 99 Prozent abgenommen hatte, gewinnt jetzt
wieder einiges Leben. Drei aufeinanderfolgende Artikel über den Landtag, mit
einer Bissigkeit geschrieben, wie man sie sonst nnr im Rheinischen Beobachter und
in den Klatschblättern der conservativen Farbe -zu finden gewohnt ist, geben doch
wenigstens einigen Stoff zum Phantasiren. Der lang verhaltene Aerger muß sich
einmal Luft machen, und es ist nnr eigenthümlich, wie schwer es ihm wird,
Worte zu finden, wenigstens sich bestimmt und deutlich auszudrücken. Es ist
aus all' den Andeutungen, die officielle und officiose Artikel über das Ver¬
brechen der Wahl-Renitenten haben fallen lassen, noch immer nicht zu entnehmen,
was die Regierung eigentlich mit ihnen vorhat. -- Der Polcnprozcß hat eine
Art dramatisches, oder soll ich sagen, theatralisches Interesse gewonnen. Man
wird an die Pariser Monsterprozesse erinnert, nur daß hier die Verschiedenheit
der Nationalität zu noch, wunderlicheren Scenen Veranlassung gibt.




Verlag von Fr. Ludw. Hcrbig. -- Redacteur: I. Kurandn.
Druck von Friedrich Andrä.

liegenden, den jetzt am Sömmering und bei Laibach stockenden, den gar nicht den
Weg nach Trieft findenden, und den derzeit 50,000 Fi. C.-M. monatlichen Zu¬
schuß (auf der Südbahn) zur eigenen Erhaltung erfordernden. Und doch gab eS
Männer der Wissenschaft in Oesterreich, die schon vor acht Jahren berechnet
hatten, daß eine bis Trieft et«zj>it ein teriain geführte Eisenbahn dem Staate
dereinst zwei Millionen Zuschuß jährlich koste» müsse, und nur den Weg über
Görz und Palinanova nach Mestre mit einer Flügelbahn von Görz über Mon-
falcone nach Trieft nehmen könne. Doch gab es Personen, unter ihnen gemeine
Feldmesser ohne Bureau-Schliff, die über die Thorheit des Tricbitzer-Tunnels
auf der nördlichen Staatsbahn lächelten und klar den Weg zu seiner einfachen
Umgehung vorzeichneten. Und so gibt eS" jetzt praktische Leute, welche über die
der Staatsverwaltung aufgedrungene Bruck>Salzburger-Eisenbahn — es schreibe
aber Einer etwas gegen den österreichischen Lloyd, — den Kops schütteln, und
den natürlichen Weg von Verona aus längs der Etsch, deren wirksame Reguli-
rung zugleich durch die Eisenbahn selbst erzielt werden könnte, über den Brenner
tracirt finden.

Uns fehlt Eines, aber das Eine ist das Wichtigste; es ist der Sporn der
Thatkraft, der Zügel der Ucbergreisendcn, die Ruthe der Unfähigen, der Pranger
der Schlechten. Und dieses Eine ist — die Öffentlichkeit.


III
Notiz.

Neue Phase der Berliner Presse.

Die Preuß. Allg. Zeitung, die seit dem Schluß der LandtagSvcrhandlungen
an Volumen und an Interesse um 99 Prozent abgenommen hatte, gewinnt jetzt
wieder einiges Leben. Drei aufeinanderfolgende Artikel über den Landtag, mit
einer Bissigkeit geschrieben, wie man sie sonst nnr im Rheinischen Beobachter und
in den Klatschblättern der conservativen Farbe -zu finden gewohnt ist, geben doch
wenigstens einigen Stoff zum Phantasiren. Der lang verhaltene Aerger muß sich
einmal Luft machen, und es ist nnr eigenthümlich, wie schwer es ihm wird,
Worte zu finden, wenigstens sich bestimmt und deutlich auszudrücken. Es ist
aus all' den Andeutungen, die officielle und officiose Artikel über das Ver¬
brechen der Wahl-Renitenten haben fallen lassen, noch immer nicht zu entnehmen,
was die Regierung eigentlich mit ihnen vorhat. — Der Polcnprozcß hat eine
Art dramatisches, oder soll ich sagen, theatralisches Interesse gewonnen. Man
wird an die Pariser Monsterprozesse erinnert, nur daß hier die Verschiedenheit
der Nationalität zu noch, wunderlicheren Scenen Veranlassung gibt.




Verlag von Fr. Ludw. Hcrbig. — Redacteur: I. Kurandn.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0226] liegenden, den jetzt am Sömmering und bei Laibach stockenden, den gar nicht den Weg nach Trieft findenden, und den derzeit 50,000 Fi. C.-M. monatlichen Zu¬ schuß (auf der Südbahn) zur eigenen Erhaltung erfordernden. Und doch gab eS Männer der Wissenschaft in Oesterreich, die schon vor acht Jahren berechnet hatten, daß eine bis Trieft et«zj>it ein teriain geführte Eisenbahn dem Staate dereinst zwei Millionen Zuschuß jährlich koste» müsse, und nur den Weg über Görz und Palinanova nach Mestre mit einer Flügelbahn von Görz über Mon- falcone nach Trieft nehmen könne. Doch gab es Personen, unter ihnen gemeine Feldmesser ohne Bureau-Schliff, die über die Thorheit des Tricbitzer-Tunnels auf der nördlichen Staatsbahn lächelten und klar den Weg zu seiner einfachen Umgehung vorzeichneten. Und so gibt eS" jetzt praktische Leute, welche über die der Staatsverwaltung aufgedrungene Bruck>Salzburger-Eisenbahn — es schreibe aber Einer etwas gegen den österreichischen Lloyd, — den Kops schütteln, und den natürlichen Weg von Verona aus längs der Etsch, deren wirksame Reguli- rung zugleich durch die Eisenbahn selbst erzielt werden könnte, über den Brenner tracirt finden. Uns fehlt Eines, aber das Eine ist das Wichtigste; es ist der Sporn der Thatkraft, der Zügel der Ucbergreisendcn, die Ruthe der Unfähigen, der Pranger der Schlechten. Und dieses Eine ist — die Öffentlichkeit. III Notiz. Neue Phase der Berliner Presse. Die Preuß. Allg. Zeitung, die seit dem Schluß der LandtagSvcrhandlungen an Volumen und an Interesse um 99 Prozent abgenommen hatte, gewinnt jetzt wieder einiges Leben. Drei aufeinanderfolgende Artikel über den Landtag, mit einer Bissigkeit geschrieben, wie man sie sonst nnr im Rheinischen Beobachter und in den Klatschblättern der conservativen Farbe -zu finden gewohnt ist, geben doch wenigstens einigen Stoff zum Phantasiren. Der lang verhaltene Aerger muß sich einmal Luft machen, und es ist nnr eigenthümlich, wie schwer es ihm wird, Worte zu finden, wenigstens sich bestimmt und deutlich auszudrücken. Es ist aus all' den Andeutungen, die officielle und officiose Artikel über das Ver¬ brechen der Wahl-Renitenten haben fallen lassen, noch immer nicht zu entnehmen, was die Regierung eigentlich mit ihnen vorhat. — Der Polcnprozcß hat eine Art dramatisches, oder soll ich sagen, theatralisches Interesse gewonnen. Man wird an die Pariser Monsterprozesse erinnert, nur daß hier die Verschiedenheit der Nationalität zu noch, wunderlicheren Scenen Veranlassung gibt. Verlag von Fr. Ludw. Hcrbig. — Redacteur: I. Kurandn. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/226>, abgerufen am 27.07.2024.