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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Das JuZiVönigthum.

.Korruption! Korruption, Korruption! Das ist unser tägliches Morgen-,
Mittag- und Abendbrot. Glauben Sie deswegen nicht, daß die Franzosen
heute viel schlechter sind als sonst, oder das; sie sonst viel besser waren als
hente. Wer hier in Frankreich längere Zeit lebt, hat sehr oft Gelegenheit,
die schönen und die häßlichen, die guten und die schlechten Seiten, die man
sonst an den Franzosen lobte oder tadelte, auch noch heute vorherrschen zu
sehen. Sie siud auch heute noch meist ritterlichen Sinnes, frischen Muthes,
guter Laune, leicht hingebend und eben so leicht wieder abfallend. Sie sind
die Alten, nur etwas älter, die guten Eigenschaften ein wenig mehr abge¬
stumpft, die schlechten ein wenig greller hervortretend. Die Hauptsache ist,
daß äußere Einflüsse die schlechten Seiten gerade in ihrem äußeren Auftreten
in den letzten fünfzig Jahren vollkommen Heranskehren helfen, und daß ge¬
genwärtig ein Augenblick eingetreten ist, in dem Jeder sich Mühe gibt, sei¬
nem Nachbar und Gegner den Mantel abzuziehen, hinter den er sonst jene
nackten Wunden verdeckte.

Die Korruption in allen öffentlichen Verhältnissen ist gewiß sehr
groß und ziemlich allgemein. Man hat sich daran gewöhnt, die öffentlichen
Verhältnisse auszubeuten. Die Revolution ist viel Schuld; aus ihrer Schuld
wuchs eine größere nnter dem Kaiserthum und diese fiel dann mit wuchern¬
der Ueppigkeit als eine wieder zehnfach größere Strafe auf Frankreich zurück.
In der Revolution beutete jede neue Partei ihre Galgen- oder Guillotinen-
ftist so gut als sie konnte ans. Es gab ehrliche Leute geung, die nur ein
den Staat dachten, aber es gab auch ehrliche Leute, die es für ganz legitim
hielten, sich ans Kosten der gestürzten .Klassen zu bereichern; und noch mehr,
die im Rausche der Zeit auch ihren eigenen Rausch befriedigen wollten. Mi-
rabeau verkaufte sich eben so gut an Danton. Jeder wollte leben, rasch,
viel und herrlich -- weil er bei gesundem Leibe das nahe Ende vorhersah.


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Das JuZiVönigthum.

.Korruption! Korruption, Korruption! Das ist unser tägliches Morgen-,
Mittag- und Abendbrot. Glauben Sie deswegen nicht, daß die Franzosen
heute viel schlechter sind als sonst, oder das; sie sonst viel besser waren als
hente. Wer hier in Frankreich längere Zeit lebt, hat sehr oft Gelegenheit,
die schönen und die häßlichen, die guten und die schlechten Seiten, die man
sonst an den Franzosen lobte oder tadelte, auch noch heute vorherrschen zu
sehen. Sie siud auch heute noch meist ritterlichen Sinnes, frischen Muthes,
guter Laune, leicht hingebend und eben so leicht wieder abfallend. Sie sind
die Alten, nur etwas älter, die guten Eigenschaften ein wenig mehr abge¬
stumpft, die schlechten ein wenig greller hervortretend. Die Hauptsache ist,
daß äußere Einflüsse die schlechten Seiten gerade in ihrem äußeren Auftreten
in den letzten fünfzig Jahren vollkommen Heranskehren helfen, und daß ge¬
genwärtig ein Augenblick eingetreten ist, in dem Jeder sich Mühe gibt, sei¬
nem Nachbar und Gegner den Mantel abzuziehen, hinter den er sonst jene
nackten Wunden verdeckte.

Die Korruption in allen öffentlichen Verhältnissen ist gewiß sehr
groß und ziemlich allgemein. Man hat sich daran gewöhnt, die öffentlichen
Verhältnisse auszubeuten. Die Revolution ist viel Schuld; aus ihrer Schuld
wuchs eine größere nnter dem Kaiserthum und diese fiel dann mit wuchern¬
der Ueppigkeit als eine wieder zehnfach größere Strafe auf Frankreich zurück.
In der Revolution beutete jede neue Partei ihre Galgen- oder Guillotinen-
ftist so gut als sie konnte ans. Es gab ehrliche Leute geung, die nur ein
den Staat dachten, aber es gab auch ehrliche Leute, die es für ganz legitim
hielten, sich ans Kosten der gestürzten .Klassen zu bereichern; und noch mehr,
die im Rausche der Zeit auch ihren eigenen Rausch befriedigen wollten. Mi-
rabeau verkaufte sich eben so gut an Danton. Jeder wollte leben, rasch,
viel und herrlich — weil er bei gesundem Leibe das nahe Ende vorhersah.


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[0227] Das JuZiVönigthum. .Korruption! Korruption, Korruption! Das ist unser tägliches Morgen-, Mittag- und Abendbrot. Glauben Sie deswegen nicht, daß die Franzosen heute viel schlechter sind als sonst, oder das; sie sonst viel besser waren als hente. Wer hier in Frankreich längere Zeit lebt, hat sehr oft Gelegenheit, die schönen und die häßlichen, die guten und die schlechten Seiten, die man sonst an den Franzosen lobte oder tadelte, auch noch heute vorherrschen zu sehen. Sie siud auch heute noch meist ritterlichen Sinnes, frischen Muthes, guter Laune, leicht hingebend und eben so leicht wieder abfallend. Sie sind die Alten, nur etwas älter, die guten Eigenschaften ein wenig mehr abge¬ stumpft, die schlechten ein wenig greller hervortretend. Die Hauptsache ist, daß äußere Einflüsse die schlechten Seiten gerade in ihrem äußeren Auftreten in den letzten fünfzig Jahren vollkommen Heranskehren helfen, und daß ge¬ genwärtig ein Augenblick eingetreten ist, in dem Jeder sich Mühe gibt, sei¬ nem Nachbar und Gegner den Mantel abzuziehen, hinter den er sonst jene nackten Wunden verdeckte. Die Korruption in allen öffentlichen Verhältnissen ist gewiß sehr groß und ziemlich allgemein. Man hat sich daran gewöhnt, die öffentlichen Verhältnisse auszubeuten. Die Revolution ist viel Schuld; aus ihrer Schuld wuchs eine größere nnter dem Kaiserthum und diese fiel dann mit wuchern¬ der Ueppigkeit als eine wieder zehnfach größere Strafe auf Frankreich zurück. In der Revolution beutete jede neue Partei ihre Galgen- oder Guillotinen- ftist so gut als sie konnte ans. Es gab ehrliche Leute geung, die nur ein den Staat dachten, aber es gab auch ehrliche Leute, die es für ganz legitim hielten, sich ans Kosten der gestürzten .Klassen zu bereichern; und noch mehr, die im Rausche der Zeit auch ihren eigenen Rausch befriedigen wollten. Mi- rabeau verkaufte sich eben so gut an Danton. Jeder wollte leben, rasch, viel und herrlich — weil er bei gesundem Leibe das nahe Ende vorhersah. Gmizbvttn. IN. I«-i7. Zs>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/227>, abgerufen am 27.07.2024.