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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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i.
Bom preußischen Landtage.

Etwa eine Woche vor dem Beginn der ständischen Versammlungen traf
allmälig die Mehrzahl der Deputaten ein. Die liberale Opposition, die sich
vorher, wie es ihre Pflicht war, mit ihren Eommittcnten berathen hatte, suchte
sich nun über einen Feldzugsplan zu verständigen. Zwei verschiedne Ansichten
über den Weg, den man einzuschlagen habe, machten sich geltend.

Die eine Partei, deren Kern im ostpreußischen Adel bestand, kam der An¬
sicht Simon's nahe: Wir sind, nach der bestimmt ausgesprochenen Erklärung des
Königs, nach allen einzelnen Bestimmungen des Patents, weder der Form noch
dein Wesen nach die Reichsstände, welche dem Volk verheißen sind; wir tonnen
also auch von ihren Functionen Nichts ausüben, ohne Hochverrath am Volke zu
begehen; wir sind Stände, wenn wir die den Ständen zukommenden Rechte
haben; wo nicht, nicht.

Diese Partei war entschlossen eine Adresse zu entwerfen, in welcher der
König gebeten werden sollte, den Reichsständen diejenigen Befugnisse in die Hände
zu geben, die ihnen nach den Gesetzen zukämen; bevor diese Petition gesetz¬
lich bewilligt wäre, wollte sie sich überhaupt auf Nichts einlassen, zu keiner
Wahl, zu keiner Berathung schreiten. Die hervorragendsten Männer dieser
Gesinnung sind ans Ostprcnsicn. Der Landtagsmarschall v. Brümicck selbst,
v. Auerswald, v. Bardeleben, Graf v. Dohna-Wessclshösen, Siegfried, Heinrich
aus Köuigberg, der später hinzukam. Ich nenne diese Namen, weil sie in ihrer
Provinz die bekanntesten sind, und vom besten Klänge.

Es lag in diesem Plane etwas bedenkliches. Wer sind jene Männer! Richt
etwa leichtfertige, ungestüme Jünglinge, sondern begüterte, erfahrene Männer, voll
von der aufrichtigsten Hingebung an das königliche Haus. Es mußte dies für
sie ein schwerer Schritt sein, gegen den sich das Gemüth empörte. Wenn das
Gewissen dem Gemüth widerspricht, so tritt ein sentimentaler Zustand ein, bei dem ein


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i.
Bom preußischen Landtage.

Etwa eine Woche vor dem Beginn der ständischen Versammlungen traf
allmälig die Mehrzahl der Deputaten ein. Die liberale Opposition, die sich
vorher, wie es ihre Pflicht war, mit ihren Eommittcnten berathen hatte, suchte
sich nun über einen Feldzugsplan zu verständigen. Zwei verschiedne Ansichten
über den Weg, den man einzuschlagen habe, machten sich geltend.

Die eine Partei, deren Kern im ostpreußischen Adel bestand, kam der An¬
sicht Simon's nahe: Wir sind, nach der bestimmt ausgesprochenen Erklärung des
Königs, nach allen einzelnen Bestimmungen des Patents, weder der Form noch
dein Wesen nach die Reichsstände, welche dem Volk verheißen sind; wir tonnen
also auch von ihren Functionen Nichts ausüben, ohne Hochverrath am Volke zu
begehen; wir sind Stände, wenn wir die den Ständen zukommenden Rechte
haben; wo nicht, nicht.

Diese Partei war entschlossen eine Adresse zu entwerfen, in welcher der
König gebeten werden sollte, den Reichsständen diejenigen Befugnisse in die Hände
zu geben, die ihnen nach den Gesetzen zukämen; bevor diese Petition gesetz¬
lich bewilligt wäre, wollte sie sich überhaupt auf Nichts einlassen, zu keiner
Wahl, zu keiner Berathung schreiten. Die hervorragendsten Männer dieser
Gesinnung sind ans Ostprcnsicn. Der Landtagsmarschall v. Brümicck selbst,
v. Auerswald, v. Bardeleben, Graf v. Dohna-Wessclshösen, Siegfried, Heinrich
aus Köuigberg, der später hinzukam. Ich nenne diese Namen, weil sie in ihrer
Provinz die bekanntesten sind, und vom besten Klänge.

Es lag in diesem Plane etwas bedenkliches. Wer sind jene Männer! Richt
etwa leichtfertige, ungestüme Jünglinge, sondern begüterte, erfahrene Männer, voll
von der aufrichtigsten Hingebung an das königliche Haus. Es mußte dies für
sie ein schwerer Schritt sein, gegen den sich das Gemüth empörte. Wenn das
Gewissen dem Gemüth widerspricht, so tritt ein sentimentaler Zustand ein, bei dem ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/91>, abgerufen am 29.06.2024.