Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Alles Gewinn ? Sonst wird auch viel gasti're. Sie suchen' einen jungen Liebhaber.
Wozu? Für solche alte Sachen sind alte Liebhaber gut genug.


SS.

Ein Festessen. -- Pannasch und Grillparzer. -- Verunglückte Ehrenrettung. -- Conflict
des Glaubens und der Diplomatie- -- Gebrechen des Krankenhauses.

Am 12. dieses veranstalteten eine Zahl von etwa hundert Slaven ihrem
Landsmanne dem königlich böhmischen Historiographen Franz Palacky als erwähl¬
ten Mitglied der Akademie ein Festessen beim Spari, welches durch die Anhörung
fast aller slavischen Dialecte (nur der russische war nicht vertreten) ein philologi¬
sches Interesse bot. Jllyrische, kroatische, serbische, böhmische Rede", die beiden
letzern von dein berühmter Historiker und Licdersammler Wuk Stcphanowitsch
und dem vielseitig gebildeten Grafen Leo Thum gehalten, wechselten miteinander
ab und wurden vom Gefeierten, der dem Vernehmen nach hier um die akademische
Secrctärstellc concurrirte, im reinsten böhmisch erwiedert. Ein Gedicht vom böh¬
mischen Dichter Furch wurde in die Versammlung, die sehr heiter und sehr spät
auseinander ging, vertheilt.

Dem als dramatischen und strategischen Schriftsteller bekannten Oberstlieutenant
Pannasch, der vor drei Jahren wegen eines bekannt gewordenen Ehrenhandels
in den Pensionsstand versetzt wurde, ist zur Freude der Verehrer seines tüchtigen
Charakters wieder zum ArchivSdirecwr der HvftriegSkanzlci ernannt worden. Es
stehen nun zwei geistreiche Männer (Grillparzer ist Archivsdirector der Hrffkammcr)
an der Spitze bedeutender Institute, und wir wollen hoffen, daß sie ihre Stellung
besser begreifen und für die Geschichte ausbeuten werden, als der Director des
Staatsarchivs.

Ist das Factum nicht höchst merkwürdig, daß der Hieher berufene Dr. Hurter,
der mit der historischen Rettung des unglückseligen Ferdinand II. beauftragt ist,
einen Theil seiner Arbeit bereits vor einem halben Jahre der Censur übergeben
aber noch nicht zurückerhalten hat? Man sagt, es habe selbst dieser den Kaiser zu
sehr gerettet.

Heute als Erinnerung des Wahltages des Papstes ist das ganze diploma¬
tische Corps beim hiesigen Nuntius zum Diner geladen, worunter sich auch der
türkische Botschafter befindet; man ist begierig, wenn die Toaste ausgebracht wer¬
den, ob Letzterer Champagner trinken wird!

Im hiesigen allgemeinen Krankenhause sand ein betrübendes Ereigniß statt,
in dem bei hundert Patienten sich gleichzeitig Vcrgistungssymptome zeigten, zwei
von ihnen sind bereits gestorben, die andern schweben mehr oder weniger noch
in Gefahr, bei der chemischen Untersuchung zeigte sich Kupfer in den Speisen,
welches durch den schlecht verzinnten Kessel hineiiigcrathcn war. Das ce"'j>us
dklicti wurde sogleich beseitigt, und der Regierung vom Director Schiffncr kurz-
weg angezeigt, es sei ein epidemisches Leiden ausgcbwchcn; indem doch Arzt und
jeder Krankenwärter das Gegentheil wissen Man erinnert sich an eine durch



Wir verweisen auf die "Spital-Memoiren", die unser nächsts Hft aus
ee
D. R. einer andern Feder bringen wird.

Alles Gewinn ? Sonst wird auch viel gasti're. Sie suchen' einen jungen Liebhaber.
Wozu? Für solche alte Sachen sind alte Liebhaber gut genug.


SS.

Ein Festessen. — Pannasch und Grillparzer. — Verunglückte Ehrenrettung. — Conflict
des Glaubens und der Diplomatie- — Gebrechen des Krankenhauses.

Am 12. dieses veranstalteten eine Zahl von etwa hundert Slaven ihrem
Landsmanne dem königlich böhmischen Historiographen Franz Palacky als erwähl¬
ten Mitglied der Akademie ein Festessen beim Spari, welches durch die Anhörung
fast aller slavischen Dialecte (nur der russische war nicht vertreten) ein philologi¬
sches Interesse bot. Jllyrische, kroatische, serbische, böhmische Rede», die beiden
letzern von dein berühmter Historiker und Licdersammler Wuk Stcphanowitsch
und dem vielseitig gebildeten Grafen Leo Thum gehalten, wechselten miteinander
ab und wurden vom Gefeierten, der dem Vernehmen nach hier um die akademische
Secrctärstellc concurrirte, im reinsten böhmisch erwiedert. Ein Gedicht vom böh¬
mischen Dichter Furch wurde in die Versammlung, die sehr heiter und sehr spät
auseinander ging, vertheilt.

Dem als dramatischen und strategischen Schriftsteller bekannten Oberstlieutenant
Pannasch, der vor drei Jahren wegen eines bekannt gewordenen Ehrenhandels
in den Pensionsstand versetzt wurde, ist zur Freude der Verehrer seines tüchtigen
Charakters wieder zum ArchivSdirecwr der HvftriegSkanzlci ernannt worden. Es
stehen nun zwei geistreiche Männer (Grillparzer ist Archivsdirector der Hrffkammcr)
an der Spitze bedeutender Institute, und wir wollen hoffen, daß sie ihre Stellung
besser begreifen und für die Geschichte ausbeuten werden, als der Director des
Staatsarchivs.

Ist das Factum nicht höchst merkwürdig, daß der Hieher berufene Dr. Hurter,
der mit der historischen Rettung des unglückseligen Ferdinand II. beauftragt ist,
einen Theil seiner Arbeit bereits vor einem halben Jahre der Censur übergeben
aber noch nicht zurückerhalten hat? Man sagt, es habe selbst dieser den Kaiser zu
sehr gerettet.

Heute als Erinnerung des Wahltages des Papstes ist das ganze diploma¬
tische Corps beim hiesigen Nuntius zum Diner geladen, worunter sich auch der
türkische Botschafter befindet; man ist begierig, wenn die Toaste ausgebracht wer¬
den, ob Letzterer Champagner trinken wird!

Im hiesigen allgemeinen Krankenhause sand ein betrübendes Ereigniß statt,
in dem bei hundert Patienten sich gleichzeitig Vcrgistungssymptome zeigten, zwei
von ihnen sind bereits gestorben, die andern schweben mehr oder weniger noch
in Gefahr, bei der chemischen Untersuchung zeigte sich Kupfer in den Speisen,
welches durch den schlecht verzinnten Kessel hineiiigcrathcn war. Das ce»'j>us
dklicti wurde sogleich beseitigt, und der Regierung vom Director Schiffncr kurz-
weg angezeigt, es sei ein epidemisches Leiden ausgcbwchcn; indem doch Arzt und
jeder Krankenwärter das Gegentheil wissen Man erinnert sich an eine durch



Wir verweisen auf die „Spital-Memoiren", die unser nächsts Hft aus
ee
D. R. einer andern Feder bringen wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0546" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272445"/>
              <p xml:id="ID_1776" prev="#ID_1775"> Alles Gewinn ? Sonst wird auch viel gasti're. Sie suchen' einen jungen Liebhaber.<lb/>
Wozu? Für solche alte Sachen sind alte Liebhaber gut genug.</p><lb/>
              <note type="byline"> SS.</note><lb/>
            </div>
            <div n="3">
              <head/><lb/>
              <note type="argument"> Ein Festessen. &#x2014; Pannasch und Grillparzer. &#x2014; Verunglückte Ehrenrettung. &#x2014; Conflict<lb/>
des Glaubens und der Diplomatie- &#x2014; Gebrechen des Krankenhauses.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1777"> Am 12. dieses veranstalteten eine Zahl von etwa hundert Slaven ihrem<lb/>
Landsmanne dem königlich böhmischen Historiographen Franz Palacky als erwähl¬<lb/>
ten Mitglied der Akademie ein Festessen beim Spari, welches durch die Anhörung<lb/>
fast aller slavischen Dialecte (nur der russische war nicht vertreten) ein philologi¬<lb/>
sches Interesse bot. Jllyrische, kroatische, serbische, böhmische Rede», die beiden<lb/>
letzern von dein berühmter Historiker und Licdersammler Wuk Stcphanowitsch<lb/>
und dem vielseitig gebildeten Grafen Leo Thum gehalten, wechselten miteinander<lb/>
ab und wurden vom Gefeierten, der dem Vernehmen nach hier um die akademische<lb/>
Secrctärstellc concurrirte, im reinsten böhmisch erwiedert. Ein Gedicht vom böh¬<lb/>
mischen Dichter Furch wurde in die Versammlung, die sehr heiter und sehr spät<lb/>
auseinander ging, vertheilt.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1778"> Dem als dramatischen und strategischen Schriftsteller bekannten Oberstlieutenant<lb/>
Pannasch, der vor drei Jahren wegen eines bekannt gewordenen Ehrenhandels<lb/>
in den Pensionsstand versetzt wurde, ist zur Freude der Verehrer seines tüchtigen<lb/>
Charakters wieder zum ArchivSdirecwr der HvftriegSkanzlci ernannt worden. Es<lb/>
stehen nun zwei geistreiche Männer (Grillparzer ist Archivsdirector der Hrffkammcr)<lb/>
an der Spitze bedeutender Institute, und wir wollen hoffen, daß sie ihre Stellung<lb/>
besser begreifen und für die Geschichte ausbeuten werden, als der Director des<lb/>
Staatsarchivs.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1779"> Ist das Factum nicht höchst merkwürdig, daß der Hieher berufene Dr. Hurter,<lb/>
der mit der historischen Rettung des unglückseligen Ferdinand II. beauftragt ist,<lb/>
einen Theil seiner Arbeit bereits vor einem halben Jahre der Censur übergeben<lb/>
aber noch nicht zurückerhalten hat? Man sagt, es habe selbst dieser den Kaiser zu<lb/>
sehr gerettet.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1780"> Heute als Erinnerung des Wahltages des Papstes ist das ganze diploma¬<lb/>
tische Corps beim hiesigen Nuntius zum Diner geladen, worunter sich auch der<lb/>
türkische Botschafter befindet; man ist begierig, wenn die Toaste ausgebracht wer¬<lb/>
den, ob Letzterer Champagner trinken wird!</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1781" next="#ID_1782"> Im hiesigen allgemeinen Krankenhause sand ein betrübendes Ereigniß statt,<lb/>
in dem bei hundert Patienten sich gleichzeitig Vcrgistungssymptome zeigten, zwei<lb/>
von ihnen sind bereits gestorben, die andern schweben mehr oder weniger noch<lb/>
in Gefahr, bei der chemischen Untersuchung zeigte sich Kupfer in den Speisen,<lb/>
welches durch den schlecht verzinnten Kessel hineiiigcrathcn war. Das ce»'j&gt;us<lb/>
dklicti wurde sogleich beseitigt, und der Regierung vom Director Schiffncr kurz-<lb/>
weg angezeigt, es sei ein epidemisches Leiden ausgcbwchcn; indem doch Arzt und<lb/>
jeder Krankenwärter das Gegentheil wissen   Man erinnert sich an eine durch</p><lb/>
              <note xml:id="FID_59" place="foot"> Wir verweisen auf die &#x201E;Spital-Memoiren", die unser nächsts Hft aus<lb/><note type="byline"> ee<lb/>
D. R.</note> einer andern Feder bringen wird. </note><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0546] Alles Gewinn ? Sonst wird auch viel gasti're. Sie suchen' einen jungen Liebhaber. Wozu? Für solche alte Sachen sind alte Liebhaber gut genug. SS. Ein Festessen. — Pannasch und Grillparzer. — Verunglückte Ehrenrettung. — Conflict des Glaubens und der Diplomatie- — Gebrechen des Krankenhauses. Am 12. dieses veranstalteten eine Zahl von etwa hundert Slaven ihrem Landsmanne dem königlich böhmischen Historiographen Franz Palacky als erwähl¬ ten Mitglied der Akademie ein Festessen beim Spari, welches durch die Anhörung fast aller slavischen Dialecte (nur der russische war nicht vertreten) ein philologi¬ sches Interesse bot. Jllyrische, kroatische, serbische, böhmische Rede», die beiden letzern von dein berühmter Historiker und Licdersammler Wuk Stcphanowitsch und dem vielseitig gebildeten Grafen Leo Thum gehalten, wechselten miteinander ab und wurden vom Gefeierten, der dem Vernehmen nach hier um die akademische Secrctärstellc concurrirte, im reinsten böhmisch erwiedert. Ein Gedicht vom böh¬ mischen Dichter Furch wurde in die Versammlung, die sehr heiter und sehr spät auseinander ging, vertheilt. Dem als dramatischen und strategischen Schriftsteller bekannten Oberstlieutenant Pannasch, der vor drei Jahren wegen eines bekannt gewordenen Ehrenhandels in den Pensionsstand versetzt wurde, ist zur Freude der Verehrer seines tüchtigen Charakters wieder zum ArchivSdirecwr der HvftriegSkanzlci ernannt worden. Es stehen nun zwei geistreiche Männer (Grillparzer ist Archivsdirector der Hrffkammcr) an der Spitze bedeutender Institute, und wir wollen hoffen, daß sie ihre Stellung besser begreifen und für die Geschichte ausbeuten werden, als der Director des Staatsarchivs. Ist das Factum nicht höchst merkwürdig, daß der Hieher berufene Dr. Hurter, der mit der historischen Rettung des unglückseligen Ferdinand II. beauftragt ist, einen Theil seiner Arbeit bereits vor einem halben Jahre der Censur übergeben aber noch nicht zurückerhalten hat? Man sagt, es habe selbst dieser den Kaiser zu sehr gerettet. Heute als Erinnerung des Wahltages des Papstes ist das ganze diploma¬ tische Corps beim hiesigen Nuntius zum Diner geladen, worunter sich auch der türkische Botschafter befindet; man ist begierig, wenn die Toaste ausgebracht wer¬ den, ob Letzterer Champagner trinken wird! Im hiesigen allgemeinen Krankenhause sand ein betrübendes Ereigniß statt, in dem bei hundert Patienten sich gleichzeitig Vcrgistungssymptome zeigten, zwei von ihnen sind bereits gestorben, die andern schweben mehr oder weniger noch in Gefahr, bei der chemischen Untersuchung zeigte sich Kupfer in den Speisen, welches durch den schlecht verzinnten Kessel hineiiigcrathcn war. Das ce»'j>us dklicti wurde sogleich beseitigt, und der Regierung vom Director Schiffncr kurz- weg angezeigt, es sei ein epidemisches Leiden ausgcbwchcn; indem doch Arzt und jeder Krankenwärter das Gegentheil wissen Man erinnert sich an eine durch Wir verweisen auf die „Spital-Memoiren", die unser nächsts Hft aus ee D. R. einer andern Feder bringen wird.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/546
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/546>, abgerufen am 29.06.2024.