Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.II. Aus Wien. 1. Fortgesetzte Theurung. -- Fürst Hatzfeld. -- Ein Bürgerfest. -- Die Weissenthurn und Sanaras. -- Heine's Bruder. -- Chowanetz. Schon zu Anfang dieses Monats sollte die Brod- und Fleischtaxe bedeutend Der Fürst v. Hatzfeld, der wegen unbefugter Wiedervermählung nach er- Die historischen Erinnerungen sind bei uns so verkümmert und wurden lange II. Aus Wien. 1. Fortgesetzte Theurung. — Fürst Hatzfeld. — Ein Bürgerfest. — Die Weissenthurn und Sanaras. — Heine's Bruder. — Chowanetz. Schon zu Anfang dieses Monats sollte die Brod- und Fleischtaxe bedeutend Der Fürst v. Hatzfeld, der wegen unbefugter Wiedervermählung nach er- Die historischen Erinnerungen sind bei uns so verkümmert und wurden lange <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272354"/> </div> <div n="2"> <head> II.<lb/> Aus Wien.</head><lb/> <div n="3"> <head> 1.</head><lb/> <note type="argument"> Fortgesetzte Theurung. — Fürst Hatzfeld. — Ein Bürgerfest. — Die Weissenthurn und<lb/> Sanaras. — Heine's Bruder. — Chowanetz.</note><lb/> <p xml:id="ID_1498"> Schon zu Anfang dieses Monats sollte die Brod- und Fleischtaxe bedeutend<lb/> erhöht werden, allein es unterblieb und zwar auf die Bitte der Bäckerzunft<lb/> selbst, welche den Ausbruch der Pvbclwuth fürchtete, der sie immer am Meisten<lb/> ausgesetzt ist, weil sie das Organ unmittelbaren Verkehrs mit dem Volke ist und<lb/> dieses in seiner kurzen Logik nicht an die Quellen der Noth und deren Beseiti¬<lb/> gung zu denken pflegt. Da die Polizeibehörden gleichfalls Vorstellungen in die¬<lb/> sem Sinne machten, so entschloß man sich endlich zu warten, bis die Arbeiter¬<lb/> klassen mehr und mehr in Erwerb gesetzt waren, und seit dem 1. Juni ist<lb/> die neue Taxe veröffentlicht worden. Der Laib ist abermals um 7 Loth leichter<lb/> und das Pfund Rindfleisch kostet 11 Kr. C.-M. Alles ist gespannt aus die<lb/> Wirkungen dieser Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel, und selbst die<lb/> Polizei hat den Ausschlag als einen Gradmesser der menschlichen Geduld erklärt!</p><lb/> <p xml:id="ID_1499"> Der Fürst v. Hatzfeld, der wegen unbefugter Wiedervermählung nach er-<lb/> folgter Trennung der frühern Ehe, von dem Fürstbischof Dievenbrok in Breslau<lb/> in den Kirchenbann gethan worden, hat sich einige Zeit hier ausgehalten und<lb/> mit dem hiesigen päpstlichen Nuntius Unterhandlungen angeknüpft, um eine<lb/> Vermittelung beim päpstlichen Stuhl zu erwirken; doch die Individualität dieses<lb/> Prälaten scheint der Absicht nicht förderlich gewesen zu sein, weshalb der Fürst<lb/> seinen Weg nach München einschlug, wo seine Anträge vielleicht ein geneigteres<lb/> Ohr finden dürsten. Fürst Hatzfeld war das Haupt der katholischen Adelspartei<lb/> in Schlesien und die Oderzeitung in Breslau hauptsächlich sein Werk; was ihn<lb/> mehr als jeder religiöse Skrupel zu einem versöhnlichen Schritte antreibt, ist die<lb/> Gefahr ernster Verwicklungen mit den Agnaten seines Hauses selbst, denn der<lb/> Besitz des Majorats ist an das katholische Bekenntniß des Majoratshcrrn geknüpft,<lb/> s» daß leicht einzelne Glieder der Hatzfeld'schen Familie mit Rechtsansprüchen<lb/> gegen den excommunicirten Fürsten auftreten könnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1500" next="#ID_1501"> Die historischen Erinnerungen sind bei uns so verkümmert und wurden lange<lb/> Zeit so planmäßig niedergehalten, daß jedes Aufflackern geschichtlicher Momente im<lb/> Leben der Gegenwart freudig begrüßt zu werden verdient. Der Jubelfeier des<lb/> 1797 stattgefundenen Auszugs der Umversitätsbrigade gegen die Franzosen wird<lb/> sich demnächst eine andere patriotische Festlichkeit anschließen, deren Sinn auf die<lb/> Ereignisse des Jahres 1809 hindeutet. Ein Herr Bawisch war schon 1797 dem<lb/> Wiener Aufgebot als Adjutant und Kasseosfizier gefolgt und ist später Seiden-<lb/> fabrikant gewesen, bis bei der Volkserhebung im Jahre 1809 Bawisch als Haupt¬<lb/> mann bei der Bürgcrmiliz bei dem Anrücken der französischen Armee am 11. März,<lb/> als er mit einem Piket „auf der Schmelz" postirt war, durch eine Granate getödtet<lb/> wurde. Als min vor einiger Zeit auf der Schmelz, die der Garnison als Exer¬<lb/> cierplatz dient, zufällig der dem Gefallenen damals gesetzte kleine Denkstein ent¬<lb/> deckt wurde, faßte der Buchhändler Schaumburg, Hauptmann im zweiten Bürger¬<lb/> regiment, den Entschluß, dem muthigen Streiter in der größten Staatsbedrängniß</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0455]
II.
Aus Wien.
1.
Fortgesetzte Theurung. — Fürst Hatzfeld. — Ein Bürgerfest. — Die Weissenthurn und
Sanaras. — Heine's Bruder. — Chowanetz.
Schon zu Anfang dieses Monats sollte die Brod- und Fleischtaxe bedeutend
erhöht werden, allein es unterblieb und zwar auf die Bitte der Bäckerzunft
selbst, welche den Ausbruch der Pvbclwuth fürchtete, der sie immer am Meisten
ausgesetzt ist, weil sie das Organ unmittelbaren Verkehrs mit dem Volke ist und
dieses in seiner kurzen Logik nicht an die Quellen der Noth und deren Beseiti¬
gung zu denken pflegt. Da die Polizeibehörden gleichfalls Vorstellungen in die¬
sem Sinne machten, so entschloß man sich endlich zu warten, bis die Arbeiter¬
klassen mehr und mehr in Erwerb gesetzt waren, und seit dem 1. Juni ist
die neue Taxe veröffentlicht worden. Der Laib ist abermals um 7 Loth leichter
und das Pfund Rindfleisch kostet 11 Kr. C.-M. Alles ist gespannt aus die
Wirkungen dieser Vertheuerung der nothwendigsten Lebensmittel, und selbst die
Polizei hat den Ausschlag als einen Gradmesser der menschlichen Geduld erklärt!
Der Fürst v. Hatzfeld, der wegen unbefugter Wiedervermählung nach er-
folgter Trennung der frühern Ehe, von dem Fürstbischof Dievenbrok in Breslau
in den Kirchenbann gethan worden, hat sich einige Zeit hier ausgehalten und
mit dem hiesigen päpstlichen Nuntius Unterhandlungen angeknüpft, um eine
Vermittelung beim päpstlichen Stuhl zu erwirken; doch die Individualität dieses
Prälaten scheint der Absicht nicht förderlich gewesen zu sein, weshalb der Fürst
seinen Weg nach München einschlug, wo seine Anträge vielleicht ein geneigteres
Ohr finden dürsten. Fürst Hatzfeld war das Haupt der katholischen Adelspartei
in Schlesien und die Oderzeitung in Breslau hauptsächlich sein Werk; was ihn
mehr als jeder religiöse Skrupel zu einem versöhnlichen Schritte antreibt, ist die
Gefahr ernster Verwicklungen mit den Agnaten seines Hauses selbst, denn der
Besitz des Majorats ist an das katholische Bekenntniß des Majoratshcrrn geknüpft,
s» daß leicht einzelne Glieder der Hatzfeld'schen Familie mit Rechtsansprüchen
gegen den excommunicirten Fürsten auftreten könnten.
Die historischen Erinnerungen sind bei uns so verkümmert und wurden lange
Zeit so planmäßig niedergehalten, daß jedes Aufflackern geschichtlicher Momente im
Leben der Gegenwart freudig begrüßt zu werden verdient. Der Jubelfeier des
1797 stattgefundenen Auszugs der Umversitätsbrigade gegen die Franzosen wird
sich demnächst eine andere patriotische Festlichkeit anschließen, deren Sinn auf die
Ereignisse des Jahres 1809 hindeutet. Ein Herr Bawisch war schon 1797 dem
Wiener Aufgebot als Adjutant und Kasseosfizier gefolgt und ist später Seiden-
fabrikant gewesen, bis bei der Volkserhebung im Jahre 1809 Bawisch als Haupt¬
mann bei der Bürgcrmiliz bei dem Anrücken der französischen Armee am 11. März,
als er mit einem Piket „auf der Schmelz" postirt war, durch eine Granate getödtet
wurde. Als min vor einiger Zeit auf der Schmelz, die der Garnison als Exer¬
cierplatz dient, zufällig der dem Gefallenen damals gesetzte kleine Denkstein ent¬
deckt wurde, faßte der Buchhändler Schaumburg, Hauptmann im zweiten Bürger¬
regiment, den Entschluß, dem muthigen Streiter in der größten Staatsbedrängniß
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |