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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Leopold Schefer
Ein Literaturbild.

"Die Welt ist schaffbar, ein Kind mit großen Anlagen,
^ Schefer eine große Anlage in Kindeshänocn."

Schefer ist nur vier Jahre jünger als Arnim; er ist 1784 zu Muskau
geboren. Sein Vater war Arzt, seine Mutter die Tochter eines Geistlichen.
Seine ersten Studien betrafen die neuern Sprachen und die Musik, für
welche er besondern Beruf fühlte. Seine Compositionen, worunter eine Oper
"Sakontala", haben diesen Beruf uicht bestätigt. Im Jahr 1811 erschien
von ihm ein Band Gedichte. Dann unternahm er auf Kosten des Grafen
Pückler eine große Reise nach dem Süden, nach Italien, Griechenland und
der Levante. Hier wurde ein Trauerspiel : "Muhamed II." gedichtet. Sche¬
fer hat sich auch sonst noch im Dramatischen versucht, aber ohne bedeutenden
Erfolg; es existiren von ihm die Tragödien: "Euphrosyne", "Madonna
Laura", "die Bettler". Mit dem Jahr 1825 beginnt seine novellistische
Wirksamkeit, die nnn in unaufgehaltenem Fluß blieb. Ich will hier von
vorn herein bemerken, daß von einer geschichtlichen Entwickelung seiner poe¬
tischen Weltanschauung nicht die Rede ist; seine letzten Novellen sind ihrer
Form und ihrer Tendenz nach von seinen ersten nicht zu unterscheiden. Im
Jahr 18ü4 schrieb er sein "Laienbrevier", das in 10 Jahren 4 Auflagen
erlebte, darauf mehrere Romane: "Gräfin Ulfeld", "Graf Romnitz",^ "der
Letzte des Hanfes" n. a. Im Jahr 1843 seine "Vigilien". Er lebt auf
einer Villa bei Muskau, die er selbst gebaut hat.

In der Sammlung "ausgewählter Werke", die er im Jahre 1845 ver¬
anstaltet hat, haben wir 9 Bände Novellen, 1 Band Gedichte, 2 Bände
Laienbrevier. Im Ganzen soll es der vierte Theil seiner Werke sein. Nach
welchem Gesichtspunkt er diese Auswahl getroffen hat, darüber erklärt er
sich uicht. Ich erinnere mich, daß einige von den allsgeschlossenen Novellen
allerdings eine Erneuerung kaum verdienten; dagegen war doch manches nn-
ter ihnen, was, ich will nicht sagen besser, aber jedenfalls charakteristischer
für seine Weltauffassung ist, als viele von den 26 Novellen, die uns hier


Leopold Schefer
Ein Literaturbild.

„Die Welt ist schaffbar, ein Kind mit großen Anlagen,
^ Schefer eine große Anlage in Kindeshänocn."

Schefer ist nur vier Jahre jünger als Arnim; er ist 1784 zu Muskau
geboren. Sein Vater war Arzt, seine Mutter die Tochter eines Geistlichen.
Seine ersten Studien betrafen die neuern Sprachen und die Musik, für
welche er besondern Beruf fühlte. Seine Compositionen, worunter eine Oper
„Sakontala", haben diesen Beruf uicht bestätigt. Im Jahr 1811 erschien
von ihm ein Band Gedichte. Dann unternahm er auf Kosten des Grafen
Pückler eine große Reise nach dem Süden, nach Italien, Griechenland und
der Levante. Hier wurde ein Trauerspiel : „Muhamed II." gedichtet. Sche¬
fer hat sich auch sonst noch im Dramatischen versucht, aber ohne bedeutenden
Erfolg; es existiren von ihm die Tragödien: „Euphrosyne", „Madonna
Laura", „die Bettler". Mit dem Jahr 1825 beginnt seine novellistische
Wirksamkeit, die nnn in unaufgehaltenem Fluß blieb. Ich will hier von
vorn herein bemerken, daß von einer geschichtlichen Entwickelung seiner poe¬
tischen Weltanschauung nicht die Rede ist; seine letzten Novellen sind ihrer
Form und ihrer Tendenz nach von seinen ersten nicht zu unterscheiden. Im
Jahr 18ü4 schrieb er sein „Laienbrevier", das in 10 Jahren 4 Auflagen
erlebte, darauf mehrere Romane: „Gräfin Ulfeld", „Graf Romnitz",^ „der
Letzte des Hanfes" n. a. Im Jahr 1843 seine „Vigilien". Er lebt auf
einer Villa bei Muskau, die er selbst gebaut hat.

In der Sammlung „ausgewählter Werke", die er im Jahre 1845 ver¬
anstaltet hat, haben wir 9 Bände Novellen, 1 Band Gedichte, 2 Bände
Laienbrevier. Im Ganzen soll es der vierte Theil seiner Werke sein. Nach
welchem Gesichtspunkt er diese Auswahl getroffen hat, darüber erklärt er
sich uicht. Ich erinnere mich, daß einige von den allsgeschlossenen Novellen
allerdings eine Erneuerung kaum verdienten; dagegen war doch manches nn-
ter ihnen, was, ich will nicht sagen besser, aber jedenfalls charakteristischer
für seine Weltauffassung ist, als viele von den 26 Novellen, die uns hier


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[0434] Leopold Schefer Ein Literaturbild. „Die Welt ist schaffbar, ein Kind mit großen Anlagen, ^ Schefer eine große Anlage in Kindeshänocn." Schefer ist nur vier Jahre jünger als Arnim; er ist 1784 zu Muskau geboren. Sein Vater war Arzt, seine Mutter die Tochter eines Geistlichen. Seine ersten Studien betrafen die neuern Sprachen und die Musik, für welche er besondern Beruf fühlte. Seine Compositionen, worunter eine Oper „Sakontala", haben diesen Beruf uicht bestätigt. Im Jahr 1811 erschien von ihm ein Band Gedichte. Dann unternahm er auf Kosten des Grafen Pückler eine große Reise nach dem Süden, nach Italien, Griechenland und der Levante. Hier wurde ein Trauerspiel : „Muhamed II." gedichtet. Sche¬ fer hat sich auch sonst noch im Dramatischen versucht, aber ohne bedeutenden Erfolg; es existiren von ihm die Tragödien: „Euphrosyne", „Madonna Laura", „die Bettler". Mit dem Jahr 1825 beginnt seine novellistische Wirksamkeit, die nnn in unaufgehaltenem Fluß blieb. Ich will hier von vorn herein bemerken, daß von einer geschichtlichen Entwickelung seiner poe¬ tischen Weltanschauung nicht die Rede ist; seine letzten Novellen sind ihrer Form und ihrer Tendenz nach von seinen ersten nicht zu unterscheiden. Im Jahr 18ü4 schrieb er sein „Laienbrevier", das in 10 Jahren 4 Auflagen erlebte, darauf mehrere Romane: „Gräfin Ulfeld", „Graf Romnitz",^ „der Letzte des Hanfes" n. a. Im Jahr 1843 seine „Vigilien". Er lebt auf einer Villa bei Muskau, die er selbst gebaut hat. In der Sammlung „ausgewählter Werke", die er im Jahre 1845 ver¬ anstaltet hat, haben wir 9 Bände Novellen, 1 Band Gedichte, 2 Bände Laienbrevier. Im Ganzen soll es der vierte Theil seiner Werke sein. Nach welchem Gesichtspunkt er diese Auswahl getroffen hat, darüber erklärt er sich uicht. Ich erinnere mich, daß einige von den allsgeschlossenen Novellen allerdings eine Erneuerung kaum verdienten; dagegen war doch manches nn- ter ihnen, was, ich will nicht sagen besser, aber jedenfalls charakteristischer für seine Weltauffassung ist, als viele von den 26 Novellen, die uns hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/434>, abgerufen am 29.06.2024.