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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Ungarn, dessen Thätigkeit der geistreiche Verfasser von Oesterreich "ut dessen Zu¬
kunft im jüngsten Theile dieses Buches so warme Anerkennung zollt, Ungarn kämpft
nicht blos, wie jener Fürsprecher der Aristokratie aus leicht begreiflichen Gründen
gerne glauben machen möchte, gegen die sich auch bei uns immer breiter machende
Bureaukratie. Der freisinnige fortschrittsliebende Theil unseres Landes -- und er
ist nicht so unbedeutend und ohnmächtig, als die Apostel der Allgemeinen Zeitung
verkünden -- strebt eben so sehr gegen die Aristokratie an, als der freisinnige
Theil Oesterreichs:

Denn wollen wir auch, wie das Programm der Opposition zeigt, in Er¬
mangelung besserer Garantien unsere Verfassung selbst in ihrer jetzigen Form mit
Gut und Blut vertheidigen, so geht doch aus demselben eben so deutlich hervor,
daß unser eifrigstes Streben ans Erreichung einer Repräsentativverfassung gerich¬
tet ist. Wir sind vom Bewußtsein der Zcitwidrigkcit des mittelalterlichen Ständc-
wesens durchdrungen, der bessere Theil des Volkes ist bereit, jene feudalen Schran¬
ken zu vernichten und auch dem Volke in der edelsten Bedeutung des Wortes bei
Berathung der allgemeinen Angelegenheiten gleiche Berechtigung einzuräumen.
Jener Theil der Nation will vielmehr durch diese Reform erst ein Volk schaffen,
da wir jetzt nnr Edelleute, Priester und Beamte haben. Diese Fragen aber müs¬
sen nothwendigerweise Euch Oesterreicher interessiren, da unser Sieg auch für Euch
ein Schritt näher zum gleichen Ziele ist, da die Durchführung des Rcpräscntativwc-
sens in Ungarn auch Oesterreichs Ansprüche gewichtiger machen. Wie wahr diese
Behauptung ist, dies geht unter andern schon ans dem Umstände hervor, daß die
Rcgierungsmäuncr, Graf Szvchvny in seinem neuesten Werke an der Spitze, der
ungarischen Opposition fortwährend den Vorwurf machen, wie diese den Verband
mit Oesterreich nicht gehörig zu würdigen wisse, daß sie ans "die Ehe der beiden
Länder" zu wenig Gewicht lege. Deutlicher gesprochen, will diese weise Ermah¬
nung sagen, daß die ungarische Opposition durch ihre FvrtschrittStendcnzcn die
österreichische Regierung zwinge es auch in Oesterreich nicht beim alten Leisten
zu lassen, auch in den übrigen Provinzen auf die Mahnungen des Zeitgeistes zu
hören. Dieses Bewußtsein kann aber die ungarische Opposition nur anspornen,
denn die Stimmführer, wir können getrost sagen, die Mehrzahl der Opposition,
sind zu edelherzig, als daß sie nicht gerne auch für die andern biedern Völker
des Gesammtstaates wirkte", da, wo es ohne Schaden ja zum Besten ihres "ge¬
gen Landes geschehen kann.

Unter solchen Umständen wäre es aber auch billig, wenn die deutsche Presse,
insbesondere die für Oesterreich wirkende deutsche Presse, die ungarische Opposition
in ihren Bestrebungen unterstützte und unsern Angelegenheiten mehr und wärmere
Theilnahme schenkte als bisher..........




S'rcnMen. II. 5847.5l;

Ungarn, dessen Thätigkeit der geistreiche Verfasser von Oesterreich „ut dessen Zu¬
kunft im jüngsten Theile dieses Buches so warme Anerkennung zollt, Ungarn kämpft
nicht blos, wie jener Fürsprecher der Aristokratie aus leicht begreiflichen Gründen
gerne glauben machen möchte, gegen die sich auch bei uns immer breiter machende
Bureaukratie. Der freisinnige fortschrittsliebende Theil unseres Landes — und er
ist nicht so unbedeutend und ohnmächtig, als die Apostel der Allgemeinen Zeitung
verkünden — strebt eben so sehr gegen die Aristokratie an, als der freisinnige
Theil Oesterreichs:

Denn wollen wir auch, wie das Programm der Opposition zeigt, in Er¬
mangelung besserer Garantien unsere Verfassung selbst in ihrer jetzigen Form mit
Gut und Blut vertheidigen, so geht doch aus demselben eben so deutlich hervor,
daß unser eifrigstes Streben ans Erreichung einer Repräsentativverfassung gerich¬
tet ist. Wir sind vom Bewußtsein der Zcitwidrigkcit des mittelalterlichen Ständc-
wesens durchdrungen, der bessere Theil des Volkes ist bereit, jene feudalen Schran¬
ken zu vernichten und auch dem Volke in der edelsten Bedeutung des Wortes bei
Berathung der allgemeinen Angelegenheiten gleiche Berechtigung einzuräumen.
Jener Theil der Nation will vielmehr durch diese Reform erst ein Volk schaffen,
da wir jetzt nnr Edelleute, Priester und Beamte haben. Diese Fragen aber müs¬
sen nothwendigerweise Euch Oesterreicher interessiren, da unser Sieg auch für Euch
ein Schritt näher zum gleichen Ziele ist, da die Durchführung des Rcpräscntativwc-
sens in Ungarn auch Oesterreichs Ansprüche gewichtiger machen. Wie wahr diese
Behauptung ist, dies geht unter andern schon ans dem Umstände hervor, daß die
Rcgierungsmäuncr, Graf Szvchvny in seinem neuesten Werke an der Spitze, der
ungarischen Opposition fortwährend den Vorwurf machen, wie diese den Verband
mit Oesterreich nicht gehörig zu würdigen wisse, daß sie ans „die Ehe der beiden
Länder" zu wenig Gewicht lege. Deutlicher gesprochen, will diese weise Ermah¬
nung sagen, daß die ungarische Opposition durch ihre FvrtschrittStendcnzcn die
österreichische Regierung zwinge es auch in Oesterreich nicht beim alten Leisten
zu lassen, auch in den übrigen Provinzen auf die Mahnungen des Zeitgeistes zu
hören. Dieses Bewußtsein kann aber die ungarische Opposition nur anspornen,
denn die Stimmführer, wir können getrost sagen, die Mehrzahl der Opposition,
sind zu edelherzig, als daß sie nicht gerne auch für die andern biedern Völker
des Gesammtstaates wirkte», da, wo es ohne Schaden ja zum Besten ihres «ge¬
gen Landes geschehen kann.

Unter solchen Umständen wäre es aber auch billig, wenn die deutsche Presse,
insbesondere die für Oesterreich wirkende deutsche Presse, die ungarische Opposition
in ihren Bestrebungen unterstützte und unsern Angelegenheiten mehr und wärmere
Theilnahme schenkte als bisher..........




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[0433] Ungarn, dessen Thätigkeit der geistreiche Verfasser von Oesterreich „ut dessen Zu¬ kunft im jüngsten Theile dieses Buches so warme Anerkennung zollt, Ungarn kämpft nicht blos, wie jener Fürsprecher der Aristokratie aus leicht begreiflichen Gründen gerne glauben machen möchte, gegen die sich auch bei uns immer breiter machende Bureaukratie. Der freisinnige fortschrittsliebende Theil unseres Landes — und er ist nicht so unbedeutend und ohnmächtig, als die Apostel der Allgemeinen Zeitung verkünden — strebt eben so sehr gegen die Aristokratie an, als der freisinnige Theil Oesterreichs: Denn wollen wir auch, wie das Programm der Opposition zeigt, in Er¬ mangelung besserer Garantien unsere Verfassung selbst in ihrer jetzigen Form mit Gut und Blut vertheidigen, so geht doch aus demselben eben so deutlich hervor, daß unser eifrigstes Streben ans Erreichung einer Repräsentativverfassung gerich¬ tet ist. Wir sind vom Bewußtsein der Zcitwidrigkcit des mittelalterlichen Ständc- wesens durchdrungen, der bessere Theil des Volkes ist bereit, jene feudalen Schran¬ ken zu vernichten und auch dem Volke in der edelsten Bedeutung des Wortes bei Berathung der allgemeinen Angelegenheiten gleiche Berechtigung einzuräumen. Jener Theil der Nation will vielmehr durch diese Reform erst ein Volk schaffen, da wir jetzt nnr Edelleute, Priester und Beamte haben. Diese Fragen aber müs¬ sen nothwendigerweise Euch Oesterreicher interessiren, da unser Sieg auch für Euch ein Schritt näher zum gleichen Ziele ist, da die Durchführung des Rcpräscntativwc- sens in Ungarn auch Oesterreichs Ansprüche gewichtiger machen. Wie wahr diese Behauptung ist, dies geht unter andern schon ans dem Umstände hervor, daß die Rcgierungsmäuncr, Graf Szvchvny in seinem neuesten Werke an der Spitze, der ungarischen Opposition fortwährend den Vorwurf machen, wie diese den Verband mit Oesterreich nicht gehörig zu würdigen wisse, daß sie ans „die Ehe der beiden Länder" zu wenig Gewicht lege. Deutlicher gesprochen, will diese weise Ermah¬ nung sagen, daß die ungarische Opposition durch ihre FvrtschrittStendcnzcn die österreichische Regierung zwinge es auch in Oesterreich nicht beim alten Leisten zu lassen, auch in den übrigen Provinzen auf die Mahnungen des Zeitgeistes zu hören. Dieses Bewußtsein kann aber die ungarische Opposition nur anspornen, denn die Stimmführer, wir können getrost sagen, die Mehrzahl der Opposition, sind zu edelherzig, als daß sie nicht gerne auch für die andern biedern Völker des Gesammtstaates wirkte», da, wo es ohne Schaden ja zum Besten ihres «ge¬ gen Landes geschehen kann. Unter solchen Umständen wäre es aber auch billig, wenn die deutsche Presse, insbesondere die für Oesterreich wirkende deutsche Presse, die ungarische Opposition in ihren Bestrebungen unterstützte und unsern Angelegenheiten mehr und wärmere Theilnahme schenkte als bisher.......... S'rcnMen. II. 5847.5l;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/433>, abgerufen am 01.07.2024.