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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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lischen Stellen trefflich klatschte. Das ist kein Wunder , es ist die französische
Revolution in einer Ausgabe ""I u-im" I)i>Ipliini!


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Martin du Nord und Dlle- Mars. -- Die Königin Christine. -- O'Connell. -- Das
große Bild von Couture.

Paris hat im Verlaufe einer Woche zwei merkwürdige Begräbnisse gesehen:
erstlich die Bestattung eines gehaßten und von jeher wenig achtbaren Staatsman¬
nes, das bei allem Pomp doch ein leerer Spektakel war; dann das Begräbniß einer
großen Schauspielerin, die 5V Jahre lang die Freude und der Stolz der Stadt
war, und nun bei dem Zudrang von Zwanzigtausenden zu Grabe getragen
wurde. --

Es war 'ein schöner Frühlingsmorgen' als sie Martin du Nord zum Pere
Lachaise hinaustrugen. Ganz Paris war aus den Füßen, von der Modlainc bis
zum Boulevard du Temple hinab waren alle Fenster voll Köpfe, alle Trottoirs
voll Zuschauer. Langsam ging der schwarze Trauerwagen hin, die königlichen
Wagen, die Equipagen der Minister folgten. , Dann kamen Regimenter nach Re¬
gimenter Municipalgardcn zu Fuß, Municipalgarden zu Pferde, Uhlanen mit be-
florten Piken, Jäger gebräunt von der afrikanischen Sonne; die Fahnen flatter¬
ten, die Kapelle spielte die neuesten Quadrillen von Mvsard, aller militärischer
Pomp war entfaltet, selbst die alten polternden Kanonen wurden spazieren ge¬
führt. Es ist begreiflich, daß Martin du Nord's Tod wenig Anlaß zu Trauer
gab, es war ein meckimt intliAuant, wie der National ihn noch in den letzten
Tagen nannte, übrigens ein frommer Mann, den die Jesuiten lenkten und sich in
seiner Ministerstellung ein Sümmchen von 1,800,000 Fr. erspart hatte. In der
letzten Zeit hatten ihm bekannte Gerüchte so greulich und abscheulich, daß
man in einem ehrsamen deutschen Blatte gar nicht von ihnen sprechen kann, den
Garaus gegeben, er erlag unter Demüthigungen und Kränkungen; umsonst, daß
man dem kranken gebrochenen Mann den Grafentitel schenkte, wie ein Kinder¬
spielzeug, das ihn trösten solle, er starb und der Haß der Journale verfolgte ihn
bis zum Grabe, des frommen Spruchs martuis... nicht eingedenk. , ,

Dlle. Mars, die berühmte, gefeierte Mars, die durch 50 Jahre die Freude
der Pariser gewesen, starb am 20. .An diesem Tage pflegt der wunderbare Ka¬
stanienbaum im Tuilericngarten mit einem Schlage seine Knospen zu entfalten --
zur Gedächtnißfeier der Rückkehr des großen Eorsen -- sagt das Pariser Volk,
5>as poetisch ist, wie jedes Volk. AVer in diesem Jahre, wo die Mars sterben
sollte, hielt der Baum seine Knospen zurück. Seltsam, überraschende Poesie des
Zufalls! Stand doch die Mars selber in Beziehung zu diesem Kaiser, dem nun die
Letzten seiner Generation nachsterben. Ich habe Dlle. Mars nicht gesehen, aber
sie ist noch im Herzen und im Munde von aller Welt. Sie war als die Lie¬
benswürdigkeit des Weibes personificirt, die.Liebenswürdigkeit die keiner Nation
exclusiv angehört und gleichmäßig zu alten Herzen spricht.


lischen Stellen trefflich klatschte. Das ist kein Wunder , es ist die französische
Revolution in einer Ausgabe »«I u-im» I)i>Ipliini!


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Martin du Nord und Dlle- Mars. — Die Königin Christine. — O'Connell. — Das
große Bild von Couture.

Paris hat im Verlaufe einer Woche zwei merkwürdige Begräbnisse gesehen:
erstlich die Bestattung eines gehaßten und von jeher wenig achtbaren Staatsman¬
nes, das bei allem Pomp doch ein leerer Spektakel war; dann das Begräbniß einer
großen Schauspielerin, die 5V Jahre lang die Freude und der Stolz der Stadt
war, und nun bei dem Zudrang von Zwanzigtausenden zu Grabe getragen
wurde. —

Es war 'ein schöner Frühlingsmorgen' als sie Martin du Nord zum Pere
Lachaise hinaustrugen. Ganz Paris war aus den Füßen, von der Modlainc bis
zum Boulevard du Temple hinab waren alle Fenster voll Köpfe, alle Trottoirs
voll Zuschauer. Langsam ging der schwarze Trauerwagen hin, die königlichen
Wagen, die Equipagen der Minister folgten. , Dann kamen Regimenter nach Re¬
gimenter Municipalgardcn zu Fuß, Municipalgarden zu Pferde, Uhlanen mit be-
florten Piken, Jäger gebräunt von der afrikanischen Sonne; die Fahnen flatter¬
ten, die Kapelle spielte die neuesten Quadrillen von Mvsard, aller militärischer
Pomp war entfaltet, selbst die alten polternden Kanonen wurden spazieren ge¬
führt. Es ist begreiflich, daß Martin du Nord's Tod wenig Anlaß zu Trauer
gab, es war ein meckimt intliAuant, wie der National ihn noch in den letzten
Tagen nannte, übrigens ein frommer Mann, den die Jesuiten lenkten und sich in
seiner Ministerstellung ein Sümmchen von 1,800,000 Fr. erspart hatte. In der
letzten Zeit hatten ihm bekannte Gerüchte so greulich und abscheulich, daß
man in einem ehrsamen deutschen Blatte gar nicht von ihnen sprechen kann, den
Garaus gegeben, er erlag unter Demüthigungen und Kränkungen; umsonst, daß
man dem kranken gebrochenen Mann den Grafentitel schenkte, wie ein Kinder¬
spielzeug, das ihn trösten solle, er starb und der Haß der Journale verfolgte ihn
bis zum Grabe, des frommen Spruchs martuis... nicht eingedenk. , ,

Dlle. Mars, die berühmte, gefeierte Mars, die durch 50 Jahre die Freude
der Pariser gewesen, starb am 20. .An diesem Tage pflegt der wunderbare Ka¬
stanienbaum im Tuilericngarten mit einem Schlage seine Knospen zu entfalten —
zur Gedächtnißfeier der Rückkehr des großen Eorsen — sagt das Pariser Volk,
5>as poetisch ist, wie jedes Volk. AVer in diesem Jahre, wo die Mars sterben
sollte, hielt der Baum seine Knospen zurück. Seltsam, überraschende Poesie des
Zufalls! Stand doch die Mars selber in Beziehung zu diesem Kaiser, dem nun die
Letzten seiner Generation nachsterben. Ich habe Dlle. Mars nicht gesehen, aber
sie ist noch im Herzen und im Munde von aller Welt. Sie war als die Lie¬
benswürdigkeit des Weibes personificirt, die.Liebenswürdigkeit die keiner Nation
exclusiv angehört und gleichmäßig zu alten Herzen spricht.


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[0042] lischen Stellen trefflich klatschte. Das ist kein Wunder , es ist die französische Revolution in einer Ausgabe »«I u-im» I)i>Ipliini! h^ Martin du Nord und Dlle- Mars. — Die Königin Christine. — O'Connell. — Das große Bild von Couture. Paris hat im Verlaufe einer Woche zwei merkwürdige Begräbnisse gesehen: erstlich die Bestattung eines gehaßten und von jeher wenig achtbaren Staatsman¬ nes, das bei allem Pomp doch ein leerer Spektakel war; dann das Begräbniß einer großen Schauspielerin, die 5V Jahre lang die Freude und der Stolz der Stadt war, und nun bei dem Zudrang von Zwanzigtausenden zu Grabe getragen wurde. — Es war 'ein schöner Frühlingsmorgen' als sie Martin du Nord zum Pere Lachaise hinaustrugen. Ganz Paris war aus den Füßen, von der Modlainc bis zum Boulevard du Temple hinab waren alle Fenster voll Köpfe, alle Trottoirs voll Zuschauer. Langsam ging der schwarze Trauerwagen hin, die königlichen Wagen, die Equipagen der Minister folgten. , Dann kamen Regimenter nach Re¬ gimenter Municipalgardcn zu Fuß, Municipalgarden zu Pferde, Uhlanen mit be- florten Piken, Jäger gebräunt von der afrikanischen Sonne; die Fahnen flatter¬ ten, die Kapelle spielte die neuesten Quadrillen von Mvsard, aller militärischer Pomp war entfaltet, selbst die alten polternden Kanonen wurden spazieren ge¬ führt. Es ist begreiflich, daß Martin du Nord's Tod wenig Anlaß zu Trauer gab, es war ein meckimt intliAuant, wie der National ihn noch in den letzten Tagen nannte, übrigens ein frommer Mann, den die Jesuiten lenkten und sich in seiner Ministerstellung ein Sümmchen von 1,800,000 Fr. erspart hatte. In der letzten Zeit hatten ihm bekannte Gerüchte so greulich und abscheulich, daß man in einem ehrsamen deutschen Blatte gar nicht von ihnen sprechen kann, den Garaus gegeben, er erlag unter Demüthigungen und Kränkungen; umsonst, daß man dem kranken gebrochenen Mann den Grafentitel schenkte, wie ein Kinder¬ spielzeug, das ihn trösten solle, er starb und der Haß der Journale verfolgte ihn bis zum Grabe, des frommen Spruchs martuis... nicht eingedenk. , , Dlle. Mars, die berühmte, gefeierte Mars, die durch 50 Jahre die Freude der Pariser gewesen, starb am 20. .An diesem Tage pflegt der wunderbare Ka¬ stanienbaum im Tuilericngarten mit einem Schlage seine Knospen zu entfalten — zur Gedächtnißfeier der Rückkehr des großen Eorsen — sagt das Pariser Volk, 5>as poetisch ist, wie jedes Volk. AVer in diesem Jahre, wo die Mars sterben sollte, hielt der Baum seine Knospen zurück. Seltsam, überraschende Poesie des Zufalls! Stand doch die Mars selber in Beziehung zu diesem Kaiser, dem nun die Letzten seiner Generation nachsterben. Ich habe Dlle. Mars nicht gesehen, aber sie ist noch im Herzen und im Munde von aller Welt. Sie war als die Lie¬ benswürdigkeit des Weibes personificirt, die.Liebenswürdigkeit die keiner Nation exclusiv angehört und gleichmäßig zu alten Herzen spricht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/42>, abgerufen am 29.06.2024.