Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Plaudereien aus London.

Die Saison. -- Jenny Lind's Abentheuer. -- Bun und Lumlcy. -- Herzog Carl und
die Londoner Zeitung. -- Graf Montemolin. -- Disraeli, John Rüssel und die Juden. --
Manzini und die kleinen Savoyarden. -- Die deutschen Bcsenhändlerinnen un^ Gou¬
vernanten. -- Die Noth in Irland. -- Die Damen Kemble und Jameson. -- Freilig-
rath und Bulwer. -- Die Kunstausstellung.

Die Saison hat ihren Polar - Sommer begonnen. Da das Ende der
diesjährigen Vergnügungen durch die bevorstehende Parlamentswcchl und Ent¬
bindung der Königin so nahe gerückt ist, beeilt sich Jeder aus dem Freuden?
denser zu schöpfen, was ihm solche Eile erlaubt. Doch hat sich mancher über
die Verkürzung zu beklagen; denn haben gleich Musik und Theater sich be¬
eilt ihr Scherflein zu liefern, so lassen sich die Jahreszeiten nicht verrücken,
und die anhaltende kühle Witterung hat die Erdbeeren, Stachelbeeren, Ro^
sen- und Heufeste um vieles hinausgeschoben. Die letzten acht Tage haben
aber fast Wunder gewirkt. Die Parks sind grün, lind der Flieder fängt an
zu blühen. Die DraninA - romns haben begonnen und der ganze Garten
schöner Mädchen, der in diesem Mai seine Netze auswerfen will, zeigt sich auf
allen Wegen und Stegen in den schönsten Morgen - und Abend - Toiletten.

Doch hat keine derselben einen so schnellen Sieg davon getragen als
die nordische Nachtigall Jenny Lind. Veni, vieil, pium heißt es bei ihr in
jedem Sinne; denn nicht allein ist ganz London ans den Beinen sie zu hö¬
ren und zu sehen; nicht allein ist Lumley genöthigt, kann man sagen,
doppelte Preise zu fordern, um nur einigermaßen gewählte Gesellschaft zu
haben, und die Polizei verbunden, une doppelte Wache vor dem Opern-
Hause aufzustellen, wo der Eintritt jetzt mit Lebensgefahr verbunden ist, weil
der Enthusiasmus sich uicht scheut, über die Schultern der nicht Hochgewach¬
senen seinen Eingang zu suchen; sondern auch als Frau ist Jenny Lind ein
Tribut dargebracht worden, um den manche schöne Tochter Albions sie be¬
neiden möchte. Lord Burgersh, der Bruder des Earth von Westmoreland,


Erwjbotsn. U, IÜ47. 48
Plaudereien aus London.

Die Saison. — Jenny Lind's Abentheuer. — Bun und Lumlcy. — Herzog Carl und
die Londoner Zeitung. — Graf Montemolin. — Disraeli, John Rüssel und die Juden. —
Manzini und die kleinen Savoyarden. — Die deutschen Bcsenhändlerinnen un^ Gou¬
vernanten. — Die Noth in Irland. — Die Damen Kemble und Jameson. — Freilig-
rath und Bulwer. — Die Kunstausstellung.

Die Saison hat ihren Polar - Sommer begonnen. Da das Ende der
diesjährigen Vergnügungen durch die bevorstehende Parlamentswcchl und Ent¬
bindung der Königin so nahe gerückt ist, beeilt sich Jeder aus dem Freuden?
denser zu schöpfen, was ihm solche Eile erlaubt. Doch hat sich mancher über
die Verkürzung zu beklagen; denn haben gleich Musik und Theater sich be¬
eilt ihr Scherflein zu liefern, so lassen sich die Jahreszeiten nicht verrücken,
und die anhaltende kühle Witterung hat die Erdbeeren, Stachelbeeren, Ro^
sen- und Heufeste um vieles hinausgeschoben. Die letzten acht Tage haben
aber fast Wunder gewirkt. Die Parks sind grün, lind der Flieder fängt an
zu blühen. Die DraninA - romns haben begonnen und der ganze Garten
schöner Mädchen, der in diesem Mai seine Netze auswerfen will, zeigt sich auf
allen Wegen und Stegen in den schönsten Morgen - und Abend - Toiletten.

Doch hat keine derselben einen so schnellen Sieg davon getragen als
die nordische Nachtigall Jenny Lind. Veni, vieil, pium heißt es bei ihr in
jedem Sinne; denn nicht allein ist ganz London ans den Beinen sie zu hö¬
ren und zu sehen; nicht allein ist Lumley genöthigt, kann man sagen,
doppelte Preise zu fordern, um nur einigermaßen gewählte Gesellschaft zu
haben, und die Polizei verbunden, une doppelte Wache vor dem Opern-
Hause aufzustellen, wo der Eintritt jetzt mit Lebensgefahr verbunden ist, weil
der Enthusiasmus sich uicht scheut, über die Schultern der nicht Hochgewach¬
senen seinen Eingang zu suchen; sondern auch als Frau ist Jenny Lind ein
Tribut dargebracht worden, um den manche schöne Tochter Albions sie be¬
neiden möchte. Lord Burgersh, der Bruder des Earth von Westmoreland,


Erwjbotsn. U, IÜ47. 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272272"/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Plaudereien aus London.</head><lb/>
          <note type="argument"> Die Saison. &#x2014; Jenny Lind's Abentheuer. &#x2014; Bun und Lumlcy. &#x2014; Herzog Carl und<lb/>
die Londoner Zeitung. &#x2014; Graf Montemolin. &#x2014; Disraeli, John Rüssel und die Juden. &#x2014;<lb/>
Manzini und die kleinen Savoyarden. &#x2014; Die deutschen Bcsenhändlerinnen un^ Gou¬<lb/>
vernanten. &#x2014; Die Noth in Irland. &#x2014; Die Damen Kemble und Jameson. &#x2014; Freilig-<lb/>
rath und Bulwer. &#x2014; Die Kunstausstellung.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1294"> Die Saison hat ihren Polar - Sommer begonnen. Da das Ende der<lb/>
diesjährigen Vergnügungen durch die bevorstehende Parlamentswcchl und Ent¬<lb/>
bindung der Königin so nahe gerückt ist, beeilt sich Jeder aus dem Freuden?<lb/>
denser zu schöpfen, was ihm solche Eile erlaubt. Doch hat sich mancher über<lb/>
die Verkürzung zu beklagen; denn haben gleich Musik und Theater sich be¬<lb/>
eilt ihr Scherflein zu liefern, so lassen sich die Jahreszeiten nicht verrücken,<lb/>
und die anhaltende kühle Witterung hat die Erdbeeren, Stachelbeeren, Ro^<lb/>
sen- und Heufeste um vieles hinausgeschoben. Die letzten acht Tage haben<lb/>
aber fast Wunder gewirkt. Die Parks sind grün, lind der Flieder fängt an<lb/>
zu blühen. Die DraninA - romns haben begonnen und der ganze Garten<lb/>
schöner Mädchen, der in diesem Mai seine Netze auswerfen will, zeigt sich auf<lb/>
allen Wegen und Stegen in den schönsten Morgen - und Abend - Toiletten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1295" next="#ID_1296"> Doch hat keine derselben einen so schnellen Sieg davon getragen als<lb/>
die nordische Nachtigall Jenny Lind. Veni, vieil, pium heißt es bei ihr in<lb/>
jedem Sinne; denn nicht allein ist ganz London ans den Beinen sie zu hö¬<lb/>
ren und zu sehen; nicht allein ist Lumley genöthigt, kann man sagen,<lb/>
doppelte Preise zu fordern, um nur einigermaßen gewählte Gesellschaft zu<lb/>
haben, und die Polizei verbunden, une doppelte Wache vor dem Opern-<lb/>
Hause aufzustellen, wo der Eintritt jetzt mit Lebensgefahr verbunden ist, weil<lb/>
der Enthusiasmus sich uicht scheut, über die Schultern der nicht Hochgewach¬<lb/>
senen seinen Eingang zu suchen; sondern auch als Frau ist Jenny Lind ein<lb/>
Tribut dargebracht worden, um den manche schöne Tochter Albions sie be¬<lb/>
neiden möchte. Lord Burgersh, der Bruder des Earth von Westmoreland,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Erwjbotsn. U, IÜ47. 48</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0373] Plaudereien aus London. Die Saison. — Jenny Lind's Abentheuer. — Bun und Lumlcy. — Herzog Carl und die Londoner Zeitung. — Graf Montemolin. — Disraeli, John Rüssel und die Juden. — Manzini und die kleinen Savoyarden. — Die deutschen Bcsenhändlerinnen un^ Gou¬ vernanten. — Die Noth in Irland. — Die Damen Kemble und Jameson. — Freilig- rath und Bulwer. — Die Kunstausstellung. Die Saison hat ihren Polar - Sommer begonnen. Da das Ende der diesjährigen Vergnügungen durch die bevorstehende Parlamentswcchl und Ent¬ bindung der Königin so nahe gerückt ist, beeilt sich Jeder aus dem Freuden? denser zu schöpfen, was ihm solche Eile erlaubt. Doch hat sich mancher über die Verkürzung zu beklagen; denn haben gleich Musik und Theater sich be¬ eilt ihr Scherflein zu liefern, so lassen sich die Jahreszeiten nicht verrücken, und die anhaltende kühle Witterung hat die Erdbeeren, Stachelbeeren, Ro^ sen- und Heufeste um vieles hinausgeschoben. Die letzten acht Tage haben aber fast Wunder gewirkt. Die Parks sind grün, lind der Flieder fängt an zu blühen. Die DraninA - romns haben begonnen und der ganze Garten schöner Mädchen, der in diesem Mai seine Netze auswerfen will, zeigt sich auf allen Wegen und Stegen in den schönsten Morgen - und Abend - Toiletten. Doch hat keine derselben einen so schnellen Sieg davon getragen als die nordische Nachtigall Jenny Lind. Veni, vieil, pium heißt es bei ihr in jedem Sinne; denn nicht allein ist ganz London ans den Beinen sie zu hö¬ ren und zu sehen; nicht allein ist Lumley genöthigt, kann man sagen, doppelte Preise zu fordern, um nur einigermaßen gewählte Gesellschaft zu haben, und die Polizei verbunden, une doppelte Wache vor dem Opern- Hause aufzustellen, wo der Eintritt jetzt mit Lebensgefahr verbunden ist, weil der Enthusiasmus sich uicht scheut, über die Schultern der nicht Hochgewach¬ senen seinen Eingang zu suchen; sondern auch als Frau ist Jenny Lind ein Tribut dargebracht worden, um den manche schöne Tochter Albions sie be¬ neiden möchte. Lord Burgersh, der Bruder des Earth von Westmoreland, Erwjbotsn. U, IÜ47. 48

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/373
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/373>, abgerufen am 29.06.2024.