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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Wir wollen uns in keine Kritik der 40 Individualitäten einlassen; gewiß ist
es, daß die Hälfte nicht geeignet ist, eine Akademie zu repräsentiren und
wir glauben, daß der retardirende aber geistreiche Fürst M., wiewohl der wissen-
schaftlichen Sektion des Ordens puur to in^ritv angehörend, nur deswegen die
zehnjährigen Bemühungen des Herrn von Hammer zu paralisiren suchte, damit
Oesterreich sich kein solennes ArmuthSzcugniß selbst schreiben müsse. Freilich konn¬
ten wir fragen, warum aber hat Oesterreich keine großen Männer der Wissenschaft?
Warum sind Patanen, Schaffarik, Hammer, Unger, Hyrtl, Endlicher und einige
Andere nur Ausnahmsfälle? Weil, wenn ihn ein Zufall nicht mit einigem Ver¬
mögen begünstigte, Niemand in Oesterreich sich der Wissenschaft ausschließlich und
um ihrer selbst Willen zu widmen wagen durste, und auch jetzt nicht, denn nur
die Präsidenten und Secrctäre, zu denen gewiß nur solche gewählt werden, die
an Jahren vorgerückt und schon eine sichere Stellung im Leben haben, sind be¬
soldet, während die Akademiker unbcsvldct sind und nur Honorare sür ihre Arbei¬
ten beziehen werden, die vielleicht besser ausfallen, als sie ein anständiger Buch¬
händler gewährt -- das ist Alles. --

Doch von dieser materiellen Seite ab, wenden wir uns einer geistigen und
wichtigsten Frage zu: Werden die Arbeiten der Akademiker der Cen¬
sur unterworfen sein? Wir haben das Edict auf- und abgelesen, da ist kei¬
nerlei Andeutung darüber, und wir erwarten, daß die Akademie in Wien nicht
hinter der in Petersburg zurückstehen werde, wo die Akademiker sich selbst maßge¬
bend und keinerlei Censur unterworfen sind. Die 40 Akademiker werden näch¬
stens zusammentreten und ihre Wahl (um die Zahl 48 zu ergänzen) vornehmen,
und auch ihre inländische und ausländische Ehrenmitglieder ernennen, ebenfalls
48. Wir wollen hoffen, daß die Akademie solche wählt, die ihr wahren Glanz und
innerste Förderung bringen. Seltsam ist es, daß der erste Akt der Akademie es
sein wird, einem ihrer kaum ernannten Mitglieder dem Philologen und klassisch-
literaturkundigcn Wenrich, der am Tage der Publication beerdigt wurde, eine
Leichenrede zu halte". Vor seinem Tode brachte man ihm die Nachricht der Er¬
nennung, und so durste dieser gottesfürchtige Maun, er lehrte am Seminarium
der hiesigen Protestanten, noch sterbend in das gelobte Land der Akademie schauen;
er ist neben Palacky das einzige protestantische Exemplar in der akademischen
Gemeinde.


V- V
2.

Lenau's Ankunft. -- G-ehe, Wiese, Liese oder die unfruchtbare Jagd. -- Schriften über
Oesterreich. -- Wunderbarer Druckfehler.

Nicolaus Lenau ist hier angekommen und befindet sich bereits in der treffli¬
chen Anstalt des Dr. Gödens in Döbling, sein Zustand ist ein sehr apatischer,
seine Worte, wiewohl ruhig gesprochen, sind unartikulirte Laute, uur zuweilen
verständlich, dann aber auch verständig, Anastasius Grün kam eigens von Grätz,
um den unglücklichen Freund zu begrüßen, auch haben die ihm herzlich befreun-


Wir wollen uns in keine Kritik der 40 Individualitäten einlassen; gewiß ist
es, daß die Hälfte nicht geeignet ist, eine Akademie zu repräsentiren und
wir glauben, daß der retardirende aber geistreiche Fürst M., wiewohl der wissen-
schaftlichen Sektion des Ordens puur to in^ritv angehörend, nur deswegen die
zehnjährigen Bemühungen des Herrn von Hammer zu paralisiren suchte, damit
Oesterreich sich kein solennes ArmuthSzcugniß selbst schreiben müsse. Freilich konn¬
ten wir fragen, warum aber hat Oesterreich keine großen Männer der Wissenschaft?
Warum sind Patanen, Schaffarik, Hammer, Unger, Hyrtl, Endlicher und einige
Andere nur Ausnahmsfälle? Weil, wenn ihn ein Zufall nicht mit einigem Ver¬
mögen begünstigte, Niemand in Oesterreich sich der Wissenschaft ausschließlich und
um ihrer selbst Willen zu widmen wagen durste, und auch jetzt nicht, denn nur
die Präsidenten und Secrctäre, zu denen gewiß nur solche gewählt werden, die
an Jahren vorgerückt und schon eine sichere Stellung im Leben haben, sind be¬
soldet, während die Akademiker unbcsvldct sind und nur Honorare sür ihre Arbei¬
ten beziehen werden, die vielleicht besser ausfallen, als sie ein anständiger Buch¬
händler gewährt — das ist Alles. —

Doch von dieser materiellen Seite ab, wenden wir uns einer geistigen und
wichtigsten Frage zu: Werden die Arbeiten der Akademiker der Cen¬
sur unterworfen sein? Wir haben das Edict auf- und abgelesen, da ist kei¬
nerlei Andeutung darüber, und wir erwarten, daß die Akademie in Wien nicht
hinter der in Petersburg zurückstehen werde, wo die Akademiker sich selbst maßge¬
bend und keinerlei Censur unterworfen sind. Die 40 Akademiker werden näch¬
stens zusammentreten und ihre Wahl (um die Zahl 48 zu ergänzen) vornehmen,
und auch ihre inländische und ausländische Ehrenmitglieder ernennen, ebenfalls
48. Wir wollen hoffen, daß die Akademie solche wählt, die ihr wahren Glanz und
innerste Förderung bringen. Seltsam ist es, daß der erste Akt der Akademie es
sein wird, einem ihrer kaum ernannten Mitglieder dem Philologen und klassisch-
literaturkundigcn Wenrich, der am Tage der Publication beerdigt wurde, eine
Leichenrede zu halte». Vor seinem Tode brachte man ihm die Nachricht der Er¬
nennung, und so durste dieser gottesfürchtige Maun, er lehrte am Seminarium
der hiesigen Protestanten, noch sterbend in das gelobte Land der Akademie schauen;
er ist neben Palacky das einzige protestantische Exemplar in der akademischen
Gemeinde.


V- V
2.

Lenau's Ankunft. — G-ehe, Wiese, Liese oder die unfruchtbare Jagd. — Schriften über
Oesterreich. — Wunderbarer Druckfehler.

Nicolaus Lenau ist hier angekommen und befindet sich bereits in der treffli¬
chen Anstalt des Dr. Gödens in Döbling, sein Zustand ist ein sehr apatischer,
seine Worte, wiewohl ruhig gesprochen, sind unartikulirte Laute, uur zuweilen
verständlich, dann aber auch verständig, Anastasius Grün kam eigens von Grätz,
um den unglücklichen Freund zu begrüßen, auch haben die ihm herzlich befreun-


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[0371] Wir wollen uns in keine Kritik der 40 Individualitäten einlassen; gewiß ist es, daß die Hälfte nicht geeignet ist, eine Akademie zu repräsentiren und wir glauben, daß der retardirende aber geistreiche Fürst M., wiewohl der wissen- schaftlichen Sektion des Ordens puur to in^ritv angehörend, nur deswegen die zehnjährigen Bemühungen des Herrn von Hammer zu paralisiren suchte, damit Oesterreich sich kein solennes ArmuthSzcugniß selbst schreiben müsse. Freilich konn¬ ten wir fragen, warum aber hat Oesterreich keine großen Männer der Wissenschaft? Warum sind Patanen, Schaffarik, Hammer, Unger, Hyrtl, Endlicher und einige Andere nur Ausnahmsfälle? Weil, wenn ihn ein Zufall nicht mit einigem Ver¬ mögen begünstigte, Niemand in Oesterreich sich der Wissenschaft ausschließlich und um ihrer selbst Willen zu widmen wagen durste, und auch jetzt nicht, denn nur die Präsidenten und Secrctäre, zu denen gewiß nur solche gewählt werden, die an Jahren vorgerückt und schon eine sichere Stellung im Leben haben, sind be¬ soldet, während die Akademiker unbcsvldct sind und nur Honorare sür ihre Arbei¬ ten beziehen werden, die vielleicht besser ausfallen, als sie ein anständiger Buch¬ händler gewährt — das ist Alles. — Doch von dieser materiellen Seite ab, wenden wir uns einer geistigen und wichtigsten Frage zu: Werden die Arbeiten der Akademiker der Cen¬ sur unterworfen sein? Wir haben das Edict auf- und abgelesen, da ist kei¬ nerlei Andeutung darüber, und wir erwarten, daß die Akademie in Wien nicht hinter der in Petersburg zurückstehen werde, wo die Akademiker sich selbst maßge¬ bend und keinerlei Censur unterworfen sind. Die 40 Akademiker werden näch¬ stens zusammentreten und ihre Wahl (um die Zahl 48 zu ergänzen) vornehmen, und auch ihre inländische und ausländische Ehrenmitglieder ernennen, ebenfalls 48. Wir wollen hoffen, daß die Akademie solche wählt, die ihr wahren Glanz und innerste Förderung bringen. Seltsam ist es, daß der erste Akt der Akademie es sein wird, einem ihrer kaum ernannten Mitglieder dem Philologen und klassisch- literaturkundigcn Wenrich, der am Tage der Publication beerdigt wurde, eine Leichenrede zu halte». Vor seinem Tode brachte man ihm die Nachricht der Er¬ nennung, und so durste dieser gottesfürchtige Maun, er lehrte am Seminarium der hiesigen Protestanten, noch sterbend in das gelobte Land der Akademie schauen; er ist neben Palacky das einzige protestantische Exemplar in der akademischen Gemeinde. V- V 2. Lenau's Ankunft. — G-ehe, Wiese, Liese oder die unfruchtbare Jagd. — Schriften über Oesterreich. — Wunderbarer Druckfehler. Nicolaus Lenau ist hier angekommen und befindet sich bereits in der treffli¬ chen Anstalt des Dr. Gödens in Döbling, sein Zustand ist ein sehr apatischer, seine Worte, wiewohl ruhig gesprochen, sind unartikulirte Laute, uur zuweilen verständlich, dann aber auch verständig, Anastasius Grün kam eigens von Grätz, um den unglücklichen Freund zu begrüßen, auch haben die ihm herzlich befreun-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/371>, abgerufen am 29.06.2024.