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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Ms de" unterdrückten Völkern zur Seite steht, dies Urtheil verdächtigen, so lange
es nicht vor dem Richterstuhle der Oeffentlichkeit dnrch Actenstücke motivirt wird.
Läßt sie dem Gesetze vollen Lauf, so werden alle französische und englische Blat¬
ter den Urtheilsspruch verdächtigen und über Justizmord schreien, und man weiß,
welches Echo dieses auch in Deutschland, ja in der Mitte Oesterreichs findet.
Wird sie Gnade walten lassen, so wird alle Welt annehmen, es sei ein großer
Theil der Anklage gar nicht begründet gewesen. Volle Oeffentlichkeit ist der ein¬
zige Ausweg, dann wird die Strenge erklärt und die Gnade als Gnade gewürdigt
werden, wie bei der schonen Amnestie in Mailand. Nur bei Öffentlichkeit
kann sie verurtheilen, kann sie begnadigen, und wir erwarten, wir hoffen,
wir bitten, daß sie Letzteres thue. Allerdings sind unter den Angeklagten
viele Männer, die bereits zweimal amncstirt worden sind, über das ist ja das
schöne und höchste Vorrecht des Monarchen, daß er seine Gnade unerschöpflich
walten lassen kann. Man übergebe der Welt die entschiedenen Beweise des Ver¬
brechens zur Beurtheilung hin, man zeige, daß jeder andere Staat in gleichem
Falle gleich, wenn nicht noch strenger gerichtet hätte. Man richte -- aber Oester¬
reichs Monarch zeige, daß Milde in der That die Devise seiner Regierung sei --
er begnadige zum dritten Male und ernten den Dank der Mitwelt und den schö¬
nen Kranz, mit dem die Geschichte seinen Namen schmücken wird.
''''


O.
VI.
Aus Wie".
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,
Die Akademie und ihre "Überraschung. -- Selbstzweck und Regierungszwecke. -- Zur
Geschichte der Wissenschaft in Oesterreich. -- Die übergangenen und die ernannten Aka¬
demiker. -- Partei- und Adelselemente. -- Wird die Akademie der Censur unterworfen
sein? -- Protestanten.

Das Publikum, so wie die gelehrte Welt, wurden beide durch das in der
Wiener Zeitung vom 17. Mai veröffentlichte kaiserliche Patent zur Organisünng
unsrer neuen Akademie der Wissenschaften gleichmäßig überrascht, das Publicum,
weil es bisher immer hörte, es gäbe bedeutende Gelchrtcnträfte im Vaterlande,
die in aller Stille lebten und nnr nicht verständen sich geltend zu machen, die
gelehrte Welt, weil sie selbst viele ihre Kollegen zum ersten Mal bei der Aufzäh¬
lung der ncnernanntcn akademischen Mitglieder nennen hörte. Schon die Einlci-
tungswvrte des Patents forderten, mit aller Ehrfurcht vor dem Monarchen sei'S
gesagt, die Kritik heraus. "Nach dem Beispiele unserer glorreichen Vorfahren,
stets geneigt in der Förderung der Wissenschaften und in der Verbreitung gedie¬
gener Kenntnisse eines der vorzüglichsten Mittel zum Wohle der bürgerlichen Ge¬
sellschaft und zur Erreichung der Zwecke der Regierung zu erkennen nud das
Streben der Männer, welche sich durch ein erfolgreiches Wirten in dieser Rich¬
tung hervorthun, mit unserm Wohlwollen zu ermuntern und zu unterstützen, ha¬
ben wir die Gründung einer Akademie der Wissenschaften in unserer Haupt- und
Residenzstadt Wien beschlossen." Wir wollen uns nicht dem schmerzlichen Gefühl
unterziehen, die Geschichte unserer Verwaltung in den letzten 57 Jahren zu prü¬
fen und die Widersprüche an's Licht zu stellen, welche diese gegenüber diesen


Ms de» unterdrückten Völkern zur Seite steht, dies Urtheil verdächtigen, so lange
es nicht vor dem Richterstuhle der Oeffentlichkeit dnrch Actenstücke motivirt wird.
Läßt sie dem Gesetze vollen Lauf, so werden alle französische und englische Blat¬
ter den Urtheilsspruch verdächtigen und über Justizmord schreien, und man weiß,
welches Echo dieses auch in Deutschland, ja in der Mitte Oesterreichs findet.
Wird sie Gnade walten lassen, so wird alle Welt annehmen, es sei ein großer
Theil der Anklage gar nicht begründet gewesen. Volle Oeffentlichkeit ist der ein¬
zige Ausweg, dann wird die Strenge erklärt und die Gnade als Gnade gewürdigt
werden, wie bei der schonen Amnestie in Mailand. Nur bei Öffentlichkeit
kann sie verurtheilen, kann sie begnadigen, und wir erwarten, wir hoffen,
wir bitten, daß sie Letzteres thue. Allerdings sind unter den Angeklagten
viele Männer, die bereits zweimal amncstirt worden sind, über das ist ja das
schöne und höchste Vorrecht des Monarchen, daß er seine Gnade unerschöpflich
walten lassen kann. Man übergebe der Welt die entschiedenen Beweise des Ver¬
brechens zur Beurtheilung hin, man zeige, daß jeder andere Staat in gleichem
Falle gleich, wenn nicht noch strenger gerichtet hätte. Man richte — aber Oester¬
reichs Monarch zeige, daß Milde in der That die Devise seiner Regierung sei —
er begnadige zum dritten Male und ernten den Dank der Mitwelt und den schö¬
nen Kranz, mit dem die Geschichte seinen Namen schmücken wird.
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VI.
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Die Akademie und ihre »Überraschung. — Selbstzweck und Regierungszwecke. — Zur
Geschichte der Wissenschaft in Oesterreich. — Die übergangenen und die ernannten Aka¬
demiker. — Partei- und Adelselemente. — Wird die Akademie der Censur unterworfen
sein? — Protestanten.

Das Publikum, so wie die gelehrte Welt, wurden beide durch das in der
Wiener Zeitung vom 17. Mai veröffentlichte kaiserliche Patent zur Organisünng
unsrer neuen Akademie der Wissenschaften gleichmäßig überrascht, das Publicum,
weil es bisher immer hörte, es gäbe bedeutende Gelchrtcnträfte im Vaterlande,
die in aller Stille lebten und nnr nicht verständen sich geltend zu machen, die
gelehrte Welt, weil sie selbst viele ihre Kollegen zum ersten Mal bei der Aufzäh¬
lung der ncnernanntcn akademischen Mitglieder nennen hörte. Schon die Einlci-
tungswvrte des Patents forderten, mit aller Ehrfurcht vor dem Monarchen sei'S
gesagt, die Kritik heraus. „Nach dem Beispiele unserer glorreichen Vorfahren,
stets geneigt in der Förderung der Wissenschaften und in der Verbreitung gedie¬
gener Kenntnisse eines der vorzüglichsten Mittel zum Wohle der bürgerlichen Ge¬
sellschaft und zur Erreichung der Zwecke der Regierung zu erkennen nud das
Streben der Männer, welche sich durch ein erfolgreiches Wirten in dieser Rich¬
tung hervorthun, mit unserm Wohlwollen zu ermuntern und zu unterstützen, ha¬
ben wir die Gründung einer Akademie der Wissenschaften in unserer Haupt- und
Residenzstadt Wien beschlossen." Wir wollen uns nicht dem schmerzlichen Gefühl
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[0368] Ms de» unterdrückten Völkern zur Seite steht, dies Urtheil verdächtigen, so lange es nicht vor dem Richterstuhle der Oeffentlichkeit dnrch Actenstücke motivirt wird. Läßt sie dem Gesetze vollen Lauf, so werden alle französische und englische Blat¬ ter den Urtheilsspruch verdächtigen und über Justizmord schreien, und man weiß, welches Echo dieses auch in Deutschland, ja in der Mitte Oesterreichs findet. Wird sie Gnade walten lassen, so wird alle Welt annehmen, es sei ein großer Theil der Anklage gar nicht begründet gewesen. Volle Oeffentlichkeit ist der ein¬ zige Ausweg, dann wird die Strenge erklärt und die Gnade als Gnade gewürdigt werden, wie bei der schonen Amnestie in Mailand. Nur bei Öffentlichkeit kann sie verurtheilen, kann sie begnadigen, und wir erwarten, wir hoffen, wir bitten, daß sie Letzteres thue. Allerdings sind unter den Angeklagten viele Männer, die bereits zweimal amncstirt worden sind, über das ist ja das schöne und höchste Vorrecht des Monarchen, daß er seine Gnade unerschöpflich walten lassen kann. Man übergebe der Welt die entschiedenen Beweise des Ver¬ brechens zur Beurtheilung hin, man zeige, daß jeder andere Staat in gleichem Falle gleich, wenn nicht noch strenger gerichtet hätte. Man richte — aber Oester¬ reichs Monarch zeige, daß Milde in der That die Devise seiner Regierung sei — er begnadige zum dritten Male und ernten den Dank der Mitwelt und den schö¬ nen Kranz, mit dem die Geschichte seinen Namen schmücken wird. '''' O. VI. Aus Wie». ' , Die Akademie und ihre »Überraschung. — Selbstzweck und Regierungszwecke. — Zur Geschichte der Wissenschaft in Oesterreich. — Die übergangenen und die ernannten Aka¬ demiker. — Partei- und Adelselemente. — Wird die Akademie der Censur unterworfen sein? — Protestanten. Das Publikum, so wie die gelehrte Welt, wurden beide durch das in der Wiener Zeitung vom 17. Mai veröffentlichte kaiserliche Patent zur Organisünng unsrer neuen Akademie der Wissenschaften gleichmäßig überrascht, das Publicum, weil es bisher immer hörte, es gäbe bedeutende Gelchrtcnträfte im Vaterlande, die in aller Stille lebten und nnr nicht verständen sich geltend zu machen, die gelehrte Welt, weil sie selbst viele ihre Kollegen zum ersten Mal bei der Aufzäh¬ lung der ncnernanntcn akademischen Mitglieder nennen hörte. Schon die Einlci- tungswvrte des Patents forderten, mit aller Ehrfurcht vor dem Monarchen sei'S gesagt, die Kritik heraus. „Nach dem Beispiele unserer glorreichen Vorfahren, stets geneigt in der Förderung der Wissenschaften und in der Verbreitung gedie¬ gener Kenntnisse eines der vorzüglichsten Mittel zum Wohle der bürgerlichen Ge¬ sellschaft und zur Erreichung der Zwecke der Regierung zu erkennen nud das Streben der Männer, welche sich durch ein erfolgreiches Wirten in dieser Rich¬ tung hervorthun, mit unserm Wohlwollen zu ermuntern und zu unterstützen, ha¬ ben wir die Gründung einer Akademie der Wissenschaften in unserer Haupt- und Residenzstadt Wien beschlossen." Wir wollen uns nicht dem schmerzlichen Gefühl unterziehen, die Geschichte unserer Verwaltung in den letzten 57 Jahren zu prü¬ fen und die Widersprüche an's Licht zu stellen, welche diese gegenüber diesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/368>, abgerufen am 29.06.2024.