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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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eher diese Gelegenheit benutzte, eine Philippina gegen das Beamtenthum, sein
Uebergreifen, seine Gönnerschaften, seinen Schlendrian abzulesen, wurde beschlossen,
sich zu Protokoll auszusprechen, Stände hätten das Recht, ihr Beamtenwesen
nach ihrem Bedarfe zu regeln, und die Hofkanzlei habe sich jeder Einmischung
z" enthalten, -- ein Auszug dieses Protokolles sei nach Hos zu befördern.

Also wieder Lotto und Hypothekenbank war die Losung des Tages, und wi¬
der sind näher liegende Interessen rut Li^>,mikils ^r^olu" vertagt.


5. 5.
IV.
Die Wiener Akademie der Wissenschaft.

Die Gelchrtenaristokratie Wiens hat endlich ihr langersehntes Ziel erreicht,
die Akademie der Wissenschaft ist nnn definitiv organisirt und vierzig Mitglieder
bereits ernannt worden.

So ist denn unter den drei Fragen geistiger Emanzipation Oesterreichs, die
in den letzten Jahren so oft ventilirt wurden und von denen zwei: Reorganisa¬
tion des Unterrichtswesens, Reorganisation der Ecnsurvcrhältuisse, die wahre Le¬
bensfragen sind für die Erlösung des österreichischen Culturstaates ans seiner un¬
tergeordneten Stellung in der europäischen Geisteswelt, grade die dritte, die neben¬
sächliche, die untergeordneteste zuerst berücksichtigt worden: die Errichtung einer
Gelehrtcnakadcmie. Man hat mit dein schimmernden, mit dem Luxus begonnen,
das allcrnvthigste Bedürfnis,, das tägliche Brod für den geistigen Hunger ist nach
wie vor in Frage gestellt, und der Himmel weist, wann die Antwort erfolgt.

Die Grenzboten sind zu wiederholten Malen von einigen Stimmen in Wien,
die für die Errichtung einer Akademie sich lebhalt interessirten zum Organe ihrer
Wünsche gebraucht worden und es würde uns schlecht anstehen, wenn wir jetzt,
wo diese von der Regierung erfüllt wurden, Plötzlich Kehrtum machen wollten.
So nehmen wir denn die Thatsache dankbar hin und betrachten sie als ein Pfand,
daß Oesterreich fühlt, wie sehr ihm der geistige Aufschwung Noth thut. Zwar
haben nur erwartet, daß, wenn man einmal zur Schöpfung eines solchen Instituts
sich entschließt, welches doch nur da Bedeutung haben kann, wo der Geist und die
Wissenschaft frei athmen dürfen, die Reformen in Schule und Presse voraus-
gehen werde", daß mau zuerst die Grundmauern aufstellen werde, bevor man an
das obere Geschoß geht. Der lange Zwischenraum, der zwischen dem ersten Crcirnngs-
und dem jetzigen Jnstallirungsedikt der Akademie vorüberstrich, hat uns sogar zu
dem Glauben verleitet, man wolle andere Orgauisationspläne voranSscnden oder
doch wenigstens gleichzeitig eintreten lassen; wir sind daher nicht wenig enttäuscht
und verwundert, da wir den neuen Bau so wunderlich verkehrt beginnen sahen.
Wir sind sicher nicht die Einzigen, welche nur den Zweifel hegen, ob dieser neue
Anbau überhaupt einem organischem Plane angehört oder ob er nicht vielmehr
ein bloßes Lust- und Gartenhaus ist, welches man neben dem alten Hanptge-
mauer ausführte, ohne den Umbau dieses Letztern im Mindesten zu beabsichtigen.
Nichtsdestoweniger wollen wir jetzt alle Seitenblicke meiden und das Gute alter--


eher diese Gelegenheit benutzte, eine Philippina gegen das Beamtenthum, sein
Uebergreifen, seine Gönnerschaften, seinen Schlendrian abzulesen, wurde beschlossen,
sich zu Protokoll auszusprechen, Stände hätten das Recht, ihr Beamtenwesen
nach ihrem Bedarfe zu regeln, und die Hofkanzlei habe sich jeder Einmischung
z» enthalten, — ein Auszug dieses Protokolles sei nach Hos zu befördern.

Also wieder Lotto und Hypothekenbank war die Losung des Tages, und wi¬
der sind näher liegende Interessen rut Li^>,mikils ^r^olu» vertagt.


5. 5.
IV.
Die Wiener Akademie der Wissenschaft.

Die Gelchrtenaristokratie Wiens hat endlich ihr langersehntes Ziel erreicht,
die Akademie der Wissenschaft ist nnn definitiv organisirt und vierzig Mitglieder
bereits ernannt worden.

So ist denn unter den drei Fragen geistiger Emanzipation Oesterreichs, die
in den letzten Jahren so oft ventilirt wurden und von denen zwei: Reorganisa¬
tion des Unterrichtswesens, Reorganisation der Ecnsurvcrhältuisse, die wahre Le¬
bensfragen sind für die Erlösung des österreichischen Culturstaates ans seiner un¬
tergeordneten Stellung in der europäischen Geisteswelt, grade die dritte, die neben¬
sächliche, die untergeordneteste zuerst berücksichtigt worden: die Errichtung einer
Gelehrtcnakadcmie. Man hat mit dein schimmernden, mit dem Luxus begonnen,
das allcrnvthigste Bedürfnis,, das tägliche Brod für den geistigen Hunger ist nach
wie vor in Frage gestellt, und der Himmel weist, wann die Antwort erfolgt.

Die Grenzboten sind zu wiederholten Malen von einigen Stimmen in Wien,
die für die Errichtung einer Akademie sich lebhalt interessirten zum Organe ihrer
Wünsche gebraucht worden und es würde uns schlecht anstehen, wenn wir jetzt,
wo diese von der Regierung erfüllt wurden, Plötzlich Kehrtum machen wollten.
So nehmen wir denn die Thatsache dankbar hin und betrachten sie als ein Pfand,
daß Oesterreich fühlt, wie sehr ihm der geistige Aufschwung Noth thut. Zwar
haben nur erwartet, daß, wenn man einmal zur Schöpfung eines solchen Instituts
sich entschließt, welches doch nur da Bedeutung haben kann, wo der Geist und die
Wissenschaft frei athmen dürfen, die Reformen in Schule und Presse voraus-
gehen werde», daß mau zuerst die Grundmauern aufstellen werde, bevor man an
das obere Geschoß geht. Der lange Zwischenraum, der zwischen dem ersten Crcirnngs-
und dem jetzigen Jnstallirungsedikt der Akademie vorüberstrich, hat uns sogar zu
dem Glauben verleitet, man wolle andere Orgauisationspläne voranSscnden oder
doch wenigstens gleichzeitig eintreten lassen; wir sind daher nicht wenig enttäuscht
und verwundert, da wir den neuen Bau so wunderlich verkehrt beginnen sahen.
Wir sind sicher nicht die Einzigen, welche nur den Zweifel hegen, ob dieser neue
Anbau überhaupt einem organischem Plane angehört oder ob er nicht vielmehr
ein bloßes Lust- und Gartenhaus ist, welches man neben dem alten Hanptge-
mauer ausführte, ohne den Umbau dieses Letztern im Mindesten zu beabsichtigen.
Nichtsdestoweniger wollen wir jetzt alle Seitenblicke meiden und das Gute alter--


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[0364] eher diese Gelegenheit benutzte, eine Philippina gegen das Beamtenthum, sein Uebergreifen, seine Gönnerschaften, seinen Schlendrian abzulesen, wurde beschlossen, sich zu Protokoll auszusprechen, Stände hätten das Recht, ihr Beamtenwesen nach ihrem Bedarfe zu regeln, und die Hofkanzlei habe sich jeder Einmischung z» enthalten, — ein Auszug dieses Protokolles sei nach Hos zu befördern. Also wieder Lotto und Hypothekenbank war die Losung des Tages, und wi¬ der sind näher liegende Interessen rut Li^>,mikils ^r^olu» vertagt. 5. 5. IV. Die Wiener Akademie der Wissenschaft. Die Gelchrtenaristokratie Wiens hat endlich ihr langersehntes Ziel erreicht, die Akademie der Wissenschaft ist nnn definitiv organisirt und vierzig Mitglieder bereits ernannt worden. So ist denn unter den drei Fragen geistiger Emanzipation Oesterreichs, die in den letzten Jahren so oft ventilirt wurden und von denen zwei: Reorganisa¬ tion des Unterrichtswesens, Reorganisation der Ecnsurvcrhältuisse, die wahre Le¬ bensfragen sind für die Erlösung des österreichischen Culturstaates ans seiner un¬ tergeordneten Stellung in der europäischen Geisteswelt, grade die dritte, die neben¬ sächliche, die untergeordneteste zuerst berücksichtigt worden: die Errichtung einer Gelehrtcnakadcmie. Man hat mit dein schimmernden, mit dem Luxus begonnen, das allcrnvthigste Bedürfnis,, das tägliche Brod für den geistigen Hunger ist nach wie vor in Frage gestellt, und der Himmel weist, wann die Antwort erfolgt. Die Grenzboten sind zu wiederholten Malen von einigen Stimmen in Wien, die für die Errichtung einer Akademie sich lebhalt interessirten zum Organe ihrer Wünsche gebraucht worden und es würde uns schlecht anstehen, wenn wir jetzt, wo diese von der Regierung erfüllt wurden, Plötzlich Kehrtum machen wollten. So nehmen wir denn die Thatsache dankbar hin und betrachten sie als ein Pfand, daß Oesterreich fühlt, wie sehr ihm der geistige Aufschwung Noth thut. Zwar haben nur erwartet, daß, wenn man einmal zur Schöpfung eines solchen Instituts sich entschließt, welches doch nur da Bedeutung haben kann, wo der Geist und die Wissenschaft frei athmen dürfen, die Reformen in Schule und Presse voraus- gehen werde», daß mau zuerst die Grundmauern aufstellen werde, bevor man an das obere Geschoß geht. Der lange Zwischenraum, der zwischen dem ersten Crcirnngs- und dem jetzigen Jnstallirungsedikt der Akademie vorüberstrich, hat uns sogar zu dem Glauben verleitet, man wolle andere Orgauisationspläne voranSscnden oder doch wenigstens gleichzeitig eintreten lassen; wir sind daher nicht wenig enttäuscht und verwundert, da wir den neuen Bau so wunderlich verkehrt beginnen sahen. Wir sind sicher nicht die Einzigen, welche nur den Zweifel hegen, ob dieser neue Anbau überhaupt einem organischem Plane angehört oder ob er nicht vielmehr ein bloßes Lust- und Gartenhaus ist, welches man neben dem alten Hanptge- mauer ausführte, ohne den Umbau dieses Letztern im Mindesten zu beabsichtigen. Nichtsdestoweniger wollen wir jetzt alle Seitenblicke meiden und das Gute alter--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/364>, abgerufen am 29.06.2024.