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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Um das aber zu begreifen, um das zu üben, müßten die praktischen Leute
ein ganz klein wenig Poctcugesühl haben.

Lord John Rüssel und Lamartine, die Zukunft wird nicht zweifelhaft sein,
wer von ihnen allein ein wahrhaft-praktischer Politiker war, wenn sie
daran denkt, was der Poet im September vorhersagte und was der Politikus
I-^-Y- im Mai nachhersagte. Wird's was nutzen?

1'. 8. Man hat in den letzten Tagen aus "authentischen" Quellen
einen Vorfall in deutscheu Blättern zur Sprache gebracht, über den Sie nur ein
paar Worte erlauben werden. Der deutsche Schriftsteller, der von dem hiesigen
Pvlizeipräfcctcn befragt wurde, ob er diesen oder jenen Artikel in den Grenzbo-
ten geschrieben habe, antwortete einfach und ohne unnöthige Bravour: Ja! aber
daß er nicht glaube, dem Herrn Präfecten in irgend einer Art Rechenschaft über
das, was er schreibe, schuldig zu sein. Es war dann von der Gastfreundschaft die
Rede, und der "blonde" Schriftsteller antwortete, daß er dem Gastrecht nur das
schuldig zu sein glaube, nicht zu verhehlen, wie er denke; und daß er trotz aller
Gefahr und aller Warnungen stets schreiben werde, wie er nach Pflicht und Ge¬
wissen schreiben zu müssen glaube. Und der deutsche Schriftsteller wurde nicht
fortgejagt, und hat auch nicht Angst, daß ihm dergleichen bevorsteht, was auch
andere nicht blonde deutsche Schriftsteller oder Nichtschriftstcller in Zeitungen oder
sonst wo thun mögen, um ein klein wenig nachzuhelfen. Es thut dem "blon¬
den" deutschen Schriftsteller leid, daß diese Sache öffentlich zur Sprache kommt.
Ich glaube dies, wie den Rest aus "authentischer" Quelle versichern zu können.


I. -Y.
II.
Bon" preußisch?" Landtage.

Die Ereignisse der vorletzten Woche haben die Theilnahme an den Verhand¬
lungen des vereinigten Landtags, die hier schon einigermaßen nachzulassen anfing,
von Neuem belebt. Die Verweigerung der Garantie für das Capital zur Er¬
richtung bäuerlicher Rentenbanken mit so überwiegender Majorität (448 zu 101)
läßt hoffen, daß bei allen Geldfragen, selbst nach Abzug der Abgeordneten, die
nur aus materiellen Gründen gegen die Garantie gestimmt haben, der Landtag
dem Prinzip treu bleiben wird, daß so lange das Gesetz vom 17- Jan. 1820
nicht in seiner Integrität zur Ausführung gebracht ist, unter keinerlei Form eine
Anleihe oder Garantie zu bewilligen. Dies ist bei dem jetzigen Stande der
Dinge das beste Bollwerk, hinter welches sich die Vertheidiger der verfassungs-
mäßigen Rechte des Landes zurückziehen können. In allen übrigen Politischen
Fragen ist auf die Majorität des Landtags nicht insofern mit Sicherheit zu rech¬
nen, daß sie consequent einem entschieden liberalen Prinzipe nachfolgen werde.
Unter vielen höchst lobenswerthen Beschlüssen finden sich wieder illiberale, oft
kaum erklärliche Rückschritte. Dies liegt größtentheils daran, daß erstens die


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Um das aber zu begreifen, um das zu üben, müßten die praktischen Leute
ein ganz klein wenig Poctcugesühl haben.

Lord John Rüssel und Lamartine, die Zukunft wird nicht zweifelhaft sein,
wer von ihnen allein ein wahrhaft-praktischer Politiker war, wenn sie
daran denkt, was der Poet im September vorhersagte und was der Politikus
I-^-Y- im Mai nachhersagte. Wird's was nutzen?

1'. 8. Man hat in den letzten Tagen aus „authentischen" Quellen
einen Vorfall in deutscheu Blättern zur Sprache gebracht, über den Sie nur ein
paar Worte erlauben werden. Der deutsche Schriftsteller, der von dem hiesigen
Pvlizeipräfcctcn befragt wurde, ob er diesen oder jenen Artikel in den Grenzbo-
ten geschrieben habe, antwortete einfach und ohne unnöthige Bravour: Ja! aber
daß er nicht glaube, dem Herrn Präfecten in irgend einer Art Rechenschaft über
das, was er schreibe, schuldig zu sein. Es war dann von der Gastfreundschaft die
Rede, und der „blonde" Schriftsteller antwortete, daß er dem Gastrecht nur das
schuldig zu sein glaube, nicht zu verhehlen, wie er denke; und daß er trotz aller
Gefahr und aller Warnungen stets schreiben werde, wie er nach Pflicht und Ge¬
wissen schreiben zu müssen glaube. Und der deutsche Schriftsteller wurde nicht
fortgejagt, und hat auch nicht Angst, daß ihm dergleichen bevorsteht, was auch
andere nicht blonde deutsche Schriftsteller oder Nichtschriftstcller in Zeitungen oder
sonst wo thun mögen, um ein klein wenig nachzuhelfen. Es thut dem „blon¬
den" deutschen Schriftsteller leid, daß diese Sache öffentlich zur Sprache kommt.
Ich glaube dies, wie den Rest aus „authentischer" Quelle versichern zu können.


I. -Y.
II.
Bon» preußisch?« Landtage.

Die Ereignisse der vorletzten Woche haben die Theilnahme an den Verhand¬
lungen des vereinigten Landtags, die hier schon einigermaßen nachzulassen anfing,
von Neuem belebt. Die Verweigerung der Garantie für das Capital zur Er¬
richtung bäuerlicher Rentenbanken mit so überwiegender Majorität (448 zu 101)
läßt hoffen, daß bei allen Geldfragen, selbst nach Abzug der Abgeordneten, die
nur aus materiellen Gründen gegen die Garantie gestimmt haben, der Landtag
dem Prinzip treu bleiben wird, daß so lange das Gesetz vom 17- Jan. 1820
nicht in seiner Integrität zur Ausführung gebracht ist, unter keinerlei Form eine
Anleihe oder Garantie zu bewilligen. Dies ist bei dem jetzigen Stande der
Dinge das beste Bollwerk, hinter welches sich die Vertheidiger der verfassungs-
mäßigen Rechte des Landes zurückziehen können. In allen übrigen Politischen
Fragen ist auf die Majorität des Landtags nicht insofern mit Sicherheit zu rech¬
nen, daß sie consequent einem entschieden liberalen Prinzipe nachfolgen werde.
Unter vielen höchst lobenswerthen Beschlüssen finden sich wieder illiberale, oft
kaum erklärliche Rückschritte. Dies liegt größtentheils daran, daß erstens die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/359>, abgerufen am 29.06.2024.