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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Royalistische Aphorismen.
I. Der Erbprinz.

"Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in monarchischen Staaten auf
die Person des Monarchen fast Alles ankommt und selbst diejenigen Länder,
welche sich eines wahrhaft verfassungsmäßigen Zustandes erfreuen, in denen
also Fürst und Volk neben einander nicht in einander bestehen, wie dies
in Despotien und Republiken der Fall ist, geben Beweise genug an die
Hand, daß die Art und Weise, wie der Regent an Geist und Gemüth per¬
sönlich beschaffen ist und ans die ihm zugefallenen Rechte und Pflichten ein¬
geht, oft auf lange entscheidet über das Geschick deS Staats, ja daß die beste
Verfassung kaum im Stande ist, die schiefe Richtung, welche der Fürst einge¬
schlagen hat, wieder in's Grade zu bringen. Kein Wunder, wenn schon öfter
das Verlangen sich geltend machte, daß die Erziehung des künftigen Regen¬
ten nicht nur mit der größten Sorgfalt eingerichtet, sondern sogar unter die
Obhut und Aufsicht des Volkes gestellt werde, als welches hieran so außer¬
ordentlich betheiligt sei. Doch nur reden uicht vom werdenden, sondern vom
wirklichen Regenten, und da drängt sich die Frage auf, woher es wohl
komme, daß so mancher Fürst die von ihm als Erbprinzen gehegten Erwar¬
tungen nicht erfülle? Einmal mag dies wohl daher rühren, daß die Voller,
wie die Einzelnen immer hoffend, in die Zukunft blicken, nur über die ihnen
ungenügend erscheinende Gegenwart sich zu trösten. Die Zukunft der Voller
ist aber in den Thronfolgern bereits personifizirt und so hängt sich die Hoff¬
nung an die Person des Thronerben, selbst wenn kein besonderer Grund vor¬
handen ist, größere Erwartung von ihm zu hegen. Oft ist aber Grund ge¬
nug hiezu vorhanden und die Umstände sind dein Thronerben so günstig,
daß er seine Stellung gänzlich verkennen muß, wenn er sie nicht sür sich
benutzt. Der Erbprinz hat außerdem noch in der Regel den Vortheil für
sich, daß er in Hoffnung erregender und Zukunft versprechender Ingend steht,
indeß der Regent in bekanntem Geleise der Staatslenkung mit jedem Tage
mehr sich dem Grabe nähernd, nur die Ansichten und Grundsätze in seinen


Royalistische Aphorismen.
I. Der Erbprinz.

"Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in monarchischen Staaten auf
die Person des Monarchen fast Alles ankommt und selbst diejenigen Länder,
welche sich eines wahrhaft verfassungsmäßigen Zustandes erfreuen, in denen
also Fürst und Volk neben einander nicht in einander bestehen, wie dies
in Despotien und Republiken der Fall ist, geben Beweise genug an die
Hand, daß die Art und Weise, wie der Regent an Geist und Gemüth per¬
sönlich beschaffen ist und ans die ihm zugefallenen Rechte und Pflichten ein¬
geht, oft auf lange entscheidet über das Geschick deS Staats, ja daß die beste
Verfassung kaum im Stande ist, die schiefe Richtung, welche der Fürst einge¬
schlagen hat, wieder in's Grade zu bringen. Kein Wunder, wenn schon öfter
das Verlangen sich geltend machte, daß die Erziehung des künftigen Regen¬
ten nicht nur mit der größten Sorgfalt eingerichtet, sondern sogar unter die
Obhut und Aufsicht des Volkes gestellt werde, als welches hieran so außer¬
ordentlich betheiligt sei. Doch nur reden uicht vom werdenden, sondern vom
wirklichen Regenten, und da drängt sich die Frage auf, woher es wohl
komme, daß so mancher Fürst die von ihm als Erbprinzen gehegten Erwar¬
tungen nicht erfülle? Einmal mag dies wohl daher rühren, daß die Voller,
wie die Einzelnen immer hoffend, in die Zukunft blicken, nur über die ihnen
ungenügend erscheinende Gegenwart sich zu trösten. Die Zukunft der Voller
ist aber in den Thronfolgern bereits personifizirt und so hängt sich die Hoff¬
nung an die Person des Thronerben, selbst wenn kein besonderer Grund vor¬
handen ist, größere Erwartung von ihm zu hegen. Oft ist aber Grund ge¬
nug hiezu vorhanden und die Umstände sind dein Thronerben so günstig,
daß er seine Stellung gänzlich verkennen muß, wenn er sie nicht sür sich
benutzt. Der Erbprinz hat außerdem noch in der Regel den Vortheil für
sich, daß er in Hoffnung erregender und Zukunft versprechender Ingend steht,
indeß der Regent in bekanntem Geleise der Staatslenkung mit jedem Tage
mehr sich dem Grabe nähernd, nur die Ansichten und Grundsätze in seinen


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[0352] Royalistische Aphorismen. I. Der Erbprinz. "Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in monarchischen Staaten auf die Person des Monarchen fast Alles ankommt und selbst diejenigen Länder, welche sich eines wahrhaft verfassungsmäßigen Zustandes erfreuen, in denen also Fürst und Volk neben einander nicht in einander bestehen, wie dies in Despotien und Republiken der Fall ist, geben Beweise genug an die Hand, daß die Art und Weise, wie der Regent an Geist und Gemüth per¬ sönlich beschaffen ist und ans die ihm zugefallenen Rechte und Pflichten ein¬ geht, oft auf lange entscheidet über das Geschick deS Staats, ja daß die beste Verfassung kaum im Stande ist, die schiefe Richtung, welche der Fürst einge¬ schlagen hat, wieder in's Grade zu bringen. Kein Wunder, wenn schon öfter das Verlangen sich geltend machte, daß die Erziehung des künftigen Regen¬ ten nicht nur mit der größten Sorgfalt eingerichtet, sondern sogar unter die Obhut und Aufsicht des Volkes gestellt werde, als welches hieran so außer¬ ordentlich betheiligt sei. Doch nur reden uicht vom werdenden, sondern vom wirklichen Regenten, und da drängt sich die Frage auf, woher es wohl komme, daß so mancher Fürst die von ihm als Erbprinzen gehegten Erwar¬ tungen nicht erfülle? Einmal mag dies wohl daher rühren, daß die Voller, wie die Einzelnen immer hoffend, in die Zukunft blicken, nur über die ihnen ungenügend erscheinende Gegenwart sich zu trösten. Die Zukunft der Voller ist aber in den Thronfolgern bereits personifizirt und so hängt sich die Hoff¬ nung an die Person des Thronerben, selbst wenn kein besonderer Grund vor¬ handen ist, größere Erwartung von ihm zu hegen. Oft ist aber Grund ge¬ nug hiezu vorhanden und die Umstände sind dein Thronerben so günstig, daß er seine Stellung gänzlich verkennen muß, wenn er sie nicht sür sich benutzt. Der Erbprinz hat außerdem noch in der Regel den Vortheil für sich, daß er in Hoffnung erregender und Zukunft versprechender Ingend steht, indeß der Regent in bekanntem Geleise der Staatslenkung mit jedem Tage mehr sich dem Grabe nähernd, nur die Ansichten und Grundsätze in seinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/352>, abgerufen am 29.06.2024.