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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Sinn für wissenschaftliche Unterhaltung und Antheil an den Fortschritten der
neueren Zeit zu finden ist. Doch hat auch Schwerin in deu letzten Jahren ei¬
nige Fortschritte gemacht, wie z. B. uach dem Muster der Rostocker in neuerer
Zeit daselbst anch eine "Philomatische Gesellschaft" errichtet wurde. Sind der¬
artige Gesellschaften und überhaupt eine Vermehrung der geistigen Unterhaltung
aller Art für irgend einen Ort ein Bedürfniß, so ist dies gewiß sür Schwerin
der Fall, was bisher so auffallend arm daran war. Ueberhaupt ist es ein großer
Nachtheil sür die Stadt, daß sie so sehr wenig literarische Persönlichkeiten, die
geeignet wären, einem größeren Kreis als Mittelpunkt zu dienen, besitzt. Fast
Jeder ist hier Geschäftsmann und hat sür alle andern Angelegenheiten wenig
Zeit. Die einzelnen Ausnahmen sind sehr spärlich und stehen so vereinzelt da,
daß sie ans das Ganze nur geringen Einfluß ausüben können.

Das Theater ist im Allgemeinen gut, ja für die Theater zweite" Ranges
ist es sogar auffallend gut zu nennen. Der'Hof gibt eine beträchtliche Unter¬
stützung, das Abonnement des Publikums ist nicht unbedeutend, zumal da es
Sitte ist, das Theater recht häufig zu besuchen, und der Intendant, geheime Hof¬
rath Zöllner, versteht gut zu wirthschaften und hat in der Wahl seiner Mitglie¬
der stets Glück und Geschmack gezeigt. Als einzelne Persönlichkeiten sind rüh¬
mend zu nennen Herr Baumeister, der als Heldenspieler und erster Liebhaber
auch an der größten Bühne an seinem Platze sein würde; Herr Glicmann, ein
guter Charaktcrspieler, und Herr Peters, ein gewandter humoristischer, nur oft
zu sehr outrirender Komiker. Unter den Damen des Schauspieles zeichnen sich
besonders ans: Mad. Parrot, in seinen und namentlich koketten Charakteren des
Lustspieles sehr viel Talent zeigend, und eine junge Anfängerin, Fräul. Schrö¬
der, die ans gleichem Feld recht gut zu werden verspricht. In der Oper, über
welche ich mir jedoch kein vollgültiges eigenes Urtheil erlauben darf, da ich mich
uicht im Geringsten dafür intercsstrc, werden die beiden ersten Sängerinnen, Frl.
Kirchberger und Limbach, wie auch Herr Hinze, sehr oft mit Lob vom Publi¬
kum genannt.

Dies ein kurzer Umriß von Schwerin, der natürlich auf Vollständigkeit kei¬
nen Anspruch machen kann mild, will.


I. v. w.
IV.
Aus Dresden.

Blicke nach Berlin. -- Die Stenoqmphcn. -- Die Theuer""". -- Rölschcr'6 Vorlesun¬
gen. -- Unglückliche Gastspieler. -- Maria Bayer.

Was wollen Sie mir jetzt aus Ihrem stillbürgerlichen Dresden schreiben?
werden Sie fragen, jetzt, wo die Kongestionen des politischen, Interesses alle nach
Berlin wallen, daß es den Herren dort auf dem Höhepunkte, mo von Osten
und Westen scharfe Blicke sie spähend beobachten, schier schwindeln mochte. Wir
dürfen es zugestehen: Berlin ist gegenwärtig ein deutsches Paris, ob freilich das


Grenzl'oder. l>. 1847. 2!"

Sinn für wissenschaftliche Unterhaltung und Antheil an den Fortschritten der
neueren Zeit zu finden ist. Doch hat auch Schwerin in deu letzten Jahren ei¬
nige Fortschritte gemacht, wie z. B. uach dem Muster der Rostocker in neuerer
Zeit daselbst anch eine „Philomatische Gesellschaft" errichtet wurde. Sind der¬
artige Gesellschaften und überhaupt eine Vermehrung der geistigen Unterhaltung
aller Art für irgend einen Ort ein Bedürfniß, so ist dies gewiß sür Schwerin
der Fall, was bisher so auffallend arm daran war. Ueberhaupt ist es ein großer
Nachtheil sür die Stadt, daß sie so sehr wenig literarische Persönlichkeiten, die
geeignet wären, einem größeren Kreis als Mittelpunkt zu dienen, besitzt. Fast
Jeder ist hier Geschäftsmann und hat sür alle andern Angelegenheiten wenig
Zeit. Die einzelnen Ausnahmen sind sehr spärlich und stehen so vereinzelt da,
daß sie ans das Ganze nur geringen Einfluß ausüben können.

Das Theater ist im Allgemeinen gut, ja für die Theater zweite» Ranges
ist es sogar auffallend gut zu nennen. Der'Hof gibt eine beträchtliche Unter¬
stützung, das Abonnement des Publikums ist nicht unbedeutend, zumal da es
Sitte ist, das Theater recht häufig zu besuchen, und der Intendant, geheime Hof¬
rath Zöllner, versteht gut zu wirthschaften und hat in der Wahl seiner Mitglie¬
der stets Glück und Geschmack gezeigt. Als einzelne Persönlichkeiten sind rüh¬
mend zu nennen Herr Baumeister, der als Heldenspieler und erster Liebhaber
auch an der größten Bühne an seinem Platze sein würde; Herr Glicmann, ein
guter Charaktcrspieler, und Herr Peters, ein gewandter humoristischer, nur oft
zu sehr outrirender Komiker. Unter den Damen des Schauspieles zeichnen sich
besonders ans: Mad. Parrot, in seinen und namentlich koketten Charakteren des
Lustspieles sehr viel Talent zeigend, und eine junge Anfängerin, Fräul. Schrö¬
der, die ans gleichem Feld recht gut zu werden verspricht. In der Oper, über
welche ich mir jedoch kein vollgültiges eigenes Urtheil erlauben darf, da ich mich
uicht im Geringsten dafür intercsstrc, werden die beiden ersten Sängerinnen, Frl.
Kirchberger und Limbach, wie auch Herr Hinze, sehr oft mit Lob vom Publi¬
kum genannt.

Dies ein kurzer Umriß von Schwerin, der natürlich auf Vollständigkeit kei¬
nen Anspruch machen kann mild, will.


I. v. w.
IV.
Aus Dresden.

Blicke nach Berlin. — Die Stenoqmphcn. — Die Theuer»»«. — Rölschcr'6 Vorlesun¬
gen. — Unglückliche Gastspieler. — Maria Bayer.

Was wollen Sie mir jetzt aus Ihrem stillbürgerlichen Dresden schreiben?
werden Sie fragen, jetzt, wo die Kongestionen des politischen, Interesses alle nach
Berlin wallen, daß es den Herren dort auf dem Höhepunkte, mo von Osten
und Westen scharfe Blicke sie spähend beobachten, schier schwindeln mochte. Wir
dürfen es zugestehen: Berlin ist gegenwärtig ein deutsches Paris, ob freilich das


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[0229] Sinn für wissenschaftliche Unterhaltung und Antheil an den Fortschritten der neueren Zeit zu finden ist. Doch hat auch Schwerin in deu letzten Jahren ei¬ nige Fortschritte gemacht, wie z. B. uach dem Muster der Rostocker in neuerer Zeit daselbst anch eine „Philomatische Gesellschaft" errichtet wurde. Sind der¬ artige Gesellschaften und überhaupt eine Vermehrung der geistigen Unterhaltung aller Art für irgend einen Ort ein Bedürfniß, so ist dies gewiß sür Schwerin der Fall, was bisher so auffallend arm daran war. Ueberhaupt ist es ein großer Nachtheil sür die Stadt, daß sie so sehr wenig literarische Persönlichkeiten, die geeignet wären, einem größeren Kreis als Mittelpunkt zu dienen, besitzt. Fast Jeder ist hier Geschäftsmann und hat sür alle andern Angelegenheiten wenig Zeit. Die einzelnen Ausnahmen sind sehr spärlich und stehen so vereinzelt da, daß sie ans das Ganze nur geringen Einfluß ausüben können. Das Theater ist im Allgemeinen gut, ja für die Theater zweite» Ranges ist es sogar auffallend gut zu nennen. Der'Hof gibt eine beträchtliche Unter¬ stützung, das Abonnement des Publikums ist nicht unbedeutend, zumal da es Sitte ist, das Theater recht häufig zu besuchen, und der Intendant, geheime Hof¬ rath Zöllner, versteht gut zu wirthschaften und hat in der Wahl seiner Mitglie¬ der stets Glück und Geschmack gezeigt. Als einzelne Persönlichkeiten sind rüh¬ mend zu nennen Herr Baumeister, der als Heldenspieler und erster Liebhaber auch an der größten Bühne an seinem Platze sein würde; Herr Glicmann, ein guter Charaktcrspieler, und Herr Peters, ein gewandter humoristischer, nur oft zu sehr outrirender Komiker. Unter den Damen des Schauspieles zeichnen sich besonders ans: Mad. Parrot, in seinen und namentlich koketten Charakteren des Lustspieles sehr viel Talent zeigend, und eine junge Anfängerin, Fräul. Schrö¬ der, die ans gleichem Feld recht gut zu werden verspricht. In der Oper, über welche ich mir jedoch kein vollgültiges eigenes Urtheil erlauben darf, da ich mich uicht im Geringsten dafür intercsstrc, werden die beiden ersten Sängerinnen, Frl. Kirchberger und Limbach, wie auch Herr Hinze, sehr oft mit Lob vom Publi¬ kum genannt. Dies ein kurzer Umriß von Schwerin, der natürlich auf Vollständigkeit kei¬ nen Anspruch machen kann mild, will. I. v. w. IV. Aus Dresden. Blicke nach Berlin. — Die Stenoqmphcn. — Die Theuer»»«. — Rölschcr'6 Vorlesun¬ gen. — Unglückliche Gastspieler. — Maria Bayer. Was wollen Sie mir jetzt aus Ihrem stillbürgerlichen Dresden schreiben? werden Sie fragen, jetzt, wo die Kongestionen des politischen, Interesses alle nach Berlin wallen, daß es den Herren dort auf dem Höhepunkte, mo von Osten und Westen scharfe Blicke sie spähend beobachten, schier schwindeln mochte. Wir dürfen es zugestehen: Berlin ist gegenwärtig ein deutsches Paris, ob freilich das Grenzl'oder. l>. 1847. 2!»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/229>, abgerufen am 29.06.2024.