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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Wandertage in Qberösterreich
i.

Das schöne Land von Oberösterreich ist zu wenig bekannt, zu wenig
gefeiert. Die branne Coquette Italien, die üppige, theure Schweiz machen
dein anspruchlosen Gebirgskinde all' die irrenden Ritter der Touristik abspen¬
stig. Und doch ist sie so schon die stille, innige Schöne mit den blauen
Angen ihrer Seen, mit dem grünen Kleide ihrer Wälder und Tristen!
Phantastisch grüßt es mich wie mit weißen Eisenbanden aus der Zeit, die
ich bei ihr verlebt und ich höre wie im Traume ein verhallendes Jodeln
und den geisterhaften Klang der Alpenzither. -- Es war ein Heller, warmer
Herbstnachmittag als ich auf das Dampfboot ging, das eben von Ebensee
angekommen war. Vor mir lag das weiße Gmunden, hinter mir der pracht¬
volle Traunstein, wie ein dunkler Amethystkrystall in den lichten Himmel hin¬
anfragend. Bote mit Segeln zogen wie Schwäne durch den See, liebliches
Glockengeläute voll der Kapelle am Berge scholl durch die stille Lust. Nach
einer Zeit voll Unzufriedenheit und innerem Kampfe labte ich mich zum
ersten Male wieder an der Schönheit der Natur. Indessen wurde geheizt,
der Rauch stieg wirbelnd aus dein Schlote, die Passagiere kamen allmälig
mit Sack und Pack in die Arche. Als ich einmal anstehe, fahre ich freudig
erschrocken zusammen; die schöne Wittwe, die in Karlsbad so viel Anflehn
gemacht hatte -- war eingestiegen, Papa und Mama folgten nach. Noch
vor ein paar Tagen hatte ich alles Mögliche und Unmögliche versucht mit
ihr bekannt zu werden und nnn führte sie mir der Genius der Reisenden
an der Hand entgegen. Sie trug noch das blaue Kleid und den Basthut
mit dem rosenfarbigen Schleier, der wie ein rosenfarbiger Traum so oft
durch meine Nächte gezogen war! Auch sie hatte mich erkannt. Das sah
ich gleich an Blick und Lächeln, und während ich noch nicht recht wußte wie ich
an sie kommen sollte, da war sie mir schon voraus. Auf ein paar Worte,
die sie mit ihrem Vater gesprochen, kam der alte Herr gleich heran.

"Ein schöner See!" sagte er. -- "Die Schweiz hat keinen schöneren,"


Grenzten. l"-^. 25
Wandertage in Qberösterreich
i.

Das schöne Land von Oberösterreich ist zu wenig bekannt, zu wenig
gefeiert. Die branne Coquette Italien, die üppige, theure Schweiz machen
dein anspruchlosen Gebirgskinde all' die irrenden Ritter der Touristik abspen¬
stig. Und doch ist sie so schon die stille, innige Schöne mit den blauen
Angen ihrer Seen, mit dem grünen Kleide ihrer Wälder und Tristen!
Phantastisch grüßt es mich wie mit weißen Eisenbanden aus der Zeit, die
ich bei ihr verlebt und ich höre wie im Traume ein verhallendes Jodeln
und den geisterhaften Klang der Alpenzither. — Es war ein Heller, warmer
Herbstnachmittag als ich auf das Dampfboot ging, das eben von Ebensee
angekommen war. Vor mir lag das weiße Gmunden, hinter mir der pracht¬
volle Traunstein, wie ein dunkler Amethystkrystall in den lichten Himmel hin¬
anfragend. Bote mit Segeln zogen wie Schwäne durch den See, liebliches
Glockengeläute voll der Kapelle am Berge scholl durch die stille Lust. Nach
einer Zeit voll Unzufriedenheit und innerem Kampfe labte ich mich zum
ersten Male wieder an der Schönheit der Natur. Indessen wurde geheizt,
der Rauch stieg wirbelnd aus dein Schlote, die Passagiere kamen allmälig
mit Sack und Pack in die Arche. Als ich einmal anstehe, fahre ich freudig
erschrocken zusammen; die schöne Wittwe, die in Karlsbad so viel Anflehn
gemacht hatte — war eingestiegen, Papa und Mama folgten nach. Noch
vor ein paar Tagen hatte ich alles Mögliche und Unmögliche versucht mit
ihr bekannt zu werden und nnn führte sie mir der Genius der Reisenden
an der Hand entgegen. Sie trug noch das blaue Kleid und den Basthut
mit dem rosenfarbigen Schleier, der wie ein rosenfarbiger Traum so oft
durch meine Nächte gezogen war! Auch sie hatte mich erkannt. Das sah
ich gleich an Blick und Lächeln, und während ich noch nicht recht wußte wie ich
an sie kommen sollte, da war sie mir schon voraus. Auf ein paar Worte,
die sie mit ihrem Vater gesprochen, kam der alte Herr gleich heran.

„Ein schöner See!" sagte er. — „Die Schweiz hat keinen schöneren,"


Grenzten. l»-^. 25
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[0197] Wandertage in Qberösterreich i. Das schöne Land von Oberösterreich ist zu wenig bekannt, zu wenig gefeiert. Die branne Coquette Italien, die üppige, theure Schweiz machen dein anspruchlosen Gebirgskinde all' die irrenden Ritter der Touristik abspen¬ stig. Und doch ist sie so schon die stille, innige Schöne mit den blauen Angen ihrer Seen, mit dem grünen Kleide ihrer Wälder und Tristen! Phantastisch grüßt es mich wie mit weißen Eisenbanden aus der Zeit, die ich bei ihr verlebt und ich höre wie im Traume ein verhallendes Jodeln und den geisterhaften Klang der Alpenzither. — Es war ein Heller, warmer Herbstnachmittag als ich auf das Dampfboot ging, das eben von Ebensee angekommen war. Vor mir lag das weiße Gmunden, hinter mir der pracht¬ volle Traunstein, wie ein dunkler Amethystkrystall in den lichten Himmel hin¬ anfragend. Bote mit Segeln zogen wie Schwäne durch den See, liebliches Glockengeläute voll der Kapelle am Berge scholl durch die stille Lust. Nach einer Zeit voll Unzufriedenheit und innerem Kampfe labte ich mich zum ersten Male wieder an der Schönheit der Natur. Indessen wurde geheizt, der Rauch stieg wirbelnd aus dein Schlote, die Passagiere kamen allmälig mit Sack und Pack in die Arche. Als ich einmal anstehe, fahre ich freudig erschrocken zusammen; die schöne Wittwe, die in Karlsbad so viel Anflehn gemacht hatte — war eingestiegen, Papa und Mama folgten nach. Noch vor ein paar Tagen hatte ich alles Mögliche und Unmögliche versucht mit ihr bekannt zu werden und nnn führte sie mir der Genius der Reisenden an der Hand entgegen. Sie trug noch das blaue Kleid und den Basthut mit dem rosenfarbigen Schleier, der wie ein rosenfarbiger Traum so oft durch meine Nächte gezogen war! Auch sie hatte mich erkannt. Das sah ich gleich an Blick und Lächeln, und während ich noch nicht recht wußte wie ich an sie kommen sollte, da war sie mir schon voraus. Auf ein paar Worte, die sie mit ihrem Vater gesprochen, kam der alte Herr gleich heran. „Ein schöner See!" sagte er. — „Die Schweiz hat keinen schöneren," Grenzten. l»-^. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/197>, abgerufen am 29.06.2024.