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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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man nach Pariser Methode einen Rothfeder und U'ebersetzcr Abends in notes ge¬
halten, um hei der spät eintreffenden Post rasch die Thronrede noch liefern zu
tonnen. Wie groß mag aber das Erstannen der Pariser Redactionen gewesen
sein, als sie, die vielleicht mir auf50--6l) Zeilen gefaßt waren, das umfangreiche
Aktenstück zu Gesicht bekamen! -- Das .lomnitl "los iM-its scheint zu einer
großen Polemik auszuholen. Die Stelle der Thronrede über Frankreich und
Louis Philipp wird aus lange eine große Rolle in der französischen Presse spie¬
len. Oourier Lr"ih"i6, National und Ooinmvrc" wüthen!

?. 8. Seit gestern dreht sich die Konversation der ganze" Stadt um die
bedenklichen Zeichen, welche in einzelnen Volkshaufen sich kundgeben/ Es haben
wiederholte Unruhen, Plünderungen der Marktverkäufe!, Angriffe aus Bäckerladen,
Jnsultirung der Polizeibeamten an verschiedenen großen Plätzen stattgefunden.
Der Molkenmarkt, 'der GcnsdVmncnmarkt, Charlotten - und Friedrichstraße sind
der Schauplatz von Zusammenrottungen gewesen, die zwar mit der Tagespolitik
auch nicht den mindesten Zusammenhang haben, die aber doch den Politikern große
Ursache zum Nachdenken geben. Wie überall urtheilt jede Partei in ihren? Sinne.
Die Absolutisten beweisen daraus die Nothwendigkeit einer gröfiern Centralmächr,
die Constitutionellen beweisen daraus die Nöthigung zu einer ausgedehnteren und
einflußreichern Vertretung des Volks. Jedenfalls wird diese Episode Nicht ohne Ein¬
fluß aus einige unserer nächsten Landtagsvcrhandlungen sein. Der Polizeipräsi¬
dent hat einige sehr zweckmäßige Proclamationen erlassen; die Mannschaft, Gen¬
darmerie ze. ist überall verstärkt. Es ist mit dein Berliner Pöbel, oculi er ein¬
mal anfängt, eben so wenig gut Kirschen essen wie mit großen Herren! Hoffen
wir, daß er wenigstens mit Mehl und Kartoffeln versehen wird. Von den gestern
aus der Eisenbahn hier angelangten Kartoffeln ward der Wispcl, der sonst 8
bis >N Thlr. galt, mit 4:5 Thlrn. bezahlt! Die Regierung hat bekanntlich die
Mahlstcucr, so wie auch die Kopfsteuer (für die unterste Stufe) bis zum I . Au¬
gust d. I. suspendirt.


Ä. w
Die AdreHdebatte des pvensnschen Landtages.

In der Sitzung des >2. April hatte die Versammlung den Antrag des
Grafen Schwerin angenommen, eine Adresse an den König zu entwerfen, in wel¬
chem neben dem Dank für die Einberufung der Landstände zugleich die Äcchts-
bedenten ausgesprochen werden sollten, welche sich gegen den neuen Verfassungsent-
wurf erhoben. Der Landtagsmarschall hatte in Folge dieses Beschlusses das Comite
ernannt, welches sich mit der Eniwerfung der Adresse beschäftigen sollte. Das
Comite nahm nach zweitägiger Berathung mit einer Majorität von 13 gegen 5
Stimmen den Entwurf des Rheinischen Abgeordneten v. Beckerath an.

Dieser bestand aus zwei Theilen. Der erste sprach in schicklichen Ausdrücken
den Dank der Stände für ihre Einberufung aus. Der zweite sollte die Rechts-


man nach Pariser Methode einen Rothfeder und U'ebersetzcr Abends in notes ge¬
halten, um hei der spät eintreffenden Post rasch die Thronrede noch liefern zu
tonnen. Wie groß mag aber das Erstannen der Pariser Redactionen gewesen
sein, als sie, die vielleicht mir auf50—6l) Zeilen gefaßt waren, das umfangreiche
Aktenstück zu Gesicht bekamen! — Das .lomnitl «los iM-its scheint zu einer
großen Polemik auszuholen. Die Stelle der Thronrede über Frankreich und
Louis Philipp wird aus lange eine große Rolle in der französischen Presse spie¬
len. Oourier Lr»ih»i6, National und Ooinmvrc« wüthen!

?. 8. Seit gestern dreht sich die Konversation der ganze» Stadt um die
bedenklichen Zeichen, welche in einzelnen Volkshaufen sich kundgeben/ Es haben
wiederholte Unruhen, Plünderungen der Marktverkäufe!, Angriffe aus Bäckerladen,
Jnsultirung der Polizeibeamten an verschiedenen großen Plätzen stattgefunden.
Der Molkenmarkt, 'der GcnsdVmncnmarkt, Charlotten - und Friedrichstraße sind
der Schauplatz von Zusammenrottungen gewesen, die zwar mit der Tagespolitik
auch nicht den mindesten Zusammenhang haben, die aber doch den Politikern große
Ursache zum Nachdenken geben. Wie überall urtheilt jede Partei in ihren? Sinne.
Die Absolutisten beweisen daraus die Nothwendigkeit einer gröfiern Centralmächr,
die Constitutionellen beweisen daraus die Nöthigung zu einer ausgedehnteren und
einflußreichern Vertretung des Volks. Jedenfalls wird diese Episode Nicht ohne Ein¬
fluß aus einige unserer nächsten Landtagsvcrhandlungen sein. Der Polizeipräsi¬
dent hat einige sehr zweckmäßige Proclamationen erlassen; die Mannschaft, Gen¬
darmerie ze. ist überall verstärkt. Es ist mit dein Berliner Pöbel, oculi er ein¬
mal anfängt, eben so wenig gut Kirschen essen wie mit großen Herren! Hoffen
wir, daß er wenigstens mit Mehl und Kartoffeln versehen wird. Von den gestern
aus der Eisenbahn hier angelangten Kartoffeln ward der Wispcl, der sonst 8
bis >N Thlr. galt, mit 4:5 Thlrn. bezahlt! Die Regierung hat bekanntlich die
Mahlstcucr, so wie auch die Kopfsteuer (für die unterste Stufe) bis zum I . Au¬
gust d. I. suspendirt.


Ä. w
Die AdreHdebatte des pvensnschen Landtages.

In der Sitzung des >2. April hatte die Versammlung den Antrag des
Grafen Schwerin angenommen, eine Adresse an den König zu entwerfen, in wel¬
chem neben dem Dank für die Einberufung der Landstände zugleich die Äcchts-
bedenten ausgesprochen werden sollten, welche sich gegen den neuen Verfassungsent-
wurf erhoben. Der Landtagsmarschall hatte in Folge dieses Beschlusses das Comite
ernannt, welches sich mit der Eniwerfung der Adresse beschäftigen sollte. Das
Comite nahm nach zweitägiger Berathung mit einer Majorität von 13 gegen 5
Stimmen den Entwurf des Rheinischen Abgeordneten v. Beckerath an.

Dieser bestand aus zwei Theilen. Der erste sprach in schicklichen Ausdrücken
den Dank der Stände für ihre Einberufung aus. Der zweite sollte die Rechts-


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[0142] man nach Pariser Methode einen Rothfeder und U'ebersetzcr Abends in notes ge¬ halten, um hei der spät eintreffenden Post rasch die Thronrede noch liefern zu tonnen. Wie groß mag aber das Erstannen der Pariser Redactionen gewesen sein, als sie, die vielleicht mir auf50—6l) Zeilen gefaßt waren, das umfangreiche Aktenstück zu Gesicht bekamen! — Das .lomnitl «los iM-its scheint zu einer großen Polemik auszuholen. Die Stelle der Thronrede über Frankreich und Louis Philipp wird aus lange eine große Rolle in der französischen Presse spie¬ len. Oourier Lr»ih»i6, National und Ooinmvrc« wüthen! ?. 8. Seit gestern dreht sich die Konversation der ganze» Stadt um die bedenklichen Zeichen, welche in einzelnen Volkshaufen sich kundgeben/ Es haben wiederholte Unruhen, Plünderungen der Marktverkäufe!, Angriffe aus Bäckerladen, Jnsultirung der Polizeibeamten an verschiedenen großen Plätzen stattgefunden. Der Molkenmarkt, 'der GcnsdVmncnmarkt, Charlotten - und Friedrichstraße sind der Schauplatz von Zusammenrottungen gewesen, die zwar mit der Tagespolitik auch nicht den mindesten Zusammenhang haben, die aber doch den Politikern große Ursache zum Nachdenken geben. Wie überall urtheilt jede Partei in ihren? Sinne. Die Absolutisten beweisen daraus die Nothwendigkeit einer gröfiern Centralmächr, die Constitutionellen beweisen daraus die Nöthigung zu einer ausgedehnteren und einflußreichern Vertretung des Volks. Jedenfalls wird diese Episode Nicht ohne Ein¬ fluß aus einige unserer nächsten Landtagsvcrhandlungen sein. Der Polizeipräsi¬ dent hat einige sehr zweckmäßige Proclamationen erlassen; die Mannschaft, Gen¬ darmerie ze. ist überall verstärkt. Es ist mit dein Berliner Pöbel, oculi er ein¬ mal anfängt, eben so wenig gut Kirschen essen wie mit großen Herren! Hoffen wir, daß er wenigstens mit Mehl und Kartoffeln versehen wird. Von den gestern aus der Eisenbahn hier angelangten Kartoffeln ward der Wispcl, der sonst 8 bis >N Thlr. galt, mit 4:5 Thlrn. bezahlt! Die Regierung hat bekanntlich die Mahlstcucr, so wie auch die Kopfsteuer (für die unterste Stufe) bis zum I . Au¬ gust d. I. suspendirt. Ä. w Die AdreHdebatte des pvensnschen Landtages. In der Sitzung des >2. April hatte die Versammlung den Antrag des Grafen Schwerin angenommen, eine Adresse an den König zu entwerfen, in wel¬ chem neben dem Dank für die Einberufung der Landstände zugleich die Äcchts- bedenten ausgesprochen werden sollten, welche sich gegen den neuen Verfassungsent- wurf erhoben. Der Landtagsmarschall hatte in Folge dieses Beschlusses das Comite ernannt, welches sich mit der Eniwerfung der Adresse beschäftigen sollte. Das Comite nahm nach zweitägiger Berathung mit einer Majorität von 13 gegen 5 Stimmen den Entwurf des Rheinischen Abgeordneten v. Beckerath an. Dieser bestand aus zwei Theilen. Der erste sprach in schicklichen Ausdrücken den Dank der Stände für ihre Einberufung aus. Der zweite sollte die Rechts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/142>, abgerufen am 29.06.2024.