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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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lor der nicht existirenden Akademie ohne Aussicht auf deren Realisirung. Das
Aktenstück befindet sich jetzt in den Händen des BundcstagSgcsandtc", des Grafen
Münch-Bellinghausen.

Vor mehrern Tagen hat Meyerbeer Wien verlassen, es sind ihm die glän¬
zendsten Auszeichnungen in künstlerischen und gesellschaftlichen Kreisen zu Theil
geworden. Was den Hof betrifft, so scheint der Sängerin Lind über den schöpfe¬
rischen Künstler der Vorzug eingeräumt zu sein. Der Erzherzog Franz Karl
warf der Sängerin einen Kranz auf die Bühne und die Erzherzogin nahm in
ihrem Salon ein Braselet vom Arm und legte es der Lind an. Selbst die
officielle Wicnerzcituug, die noch immer dem groben Kanzleistyl des vorigen Jahr¬
hunderts huldigt und kurzweg zu berichten pflegt: der Kaiser hat dem Professor
oder dem Grafen so und so das und das verliehen, berichtete: der Kaiser hat
"die ausgezeichnete Künstlerin", Jenny Lind, zur Kammersängerin ernannt, llc-
brigcns hat die Lind hier den Ruf einer rücksichtslosen Launenhaftigkeit, eines er-
ziehungslosen Benehmens, gegen Personen und Familien die ihr mit dem größten
Wohlwollen, das die Sängerin auch annahm, entgegengekommen sind, zurückge¬
lassen. Nur dem Publikum sagte sie bei ihrem letzten Auftreten: "man habe sie
in Wien am besten verstanden." Was meinen die Berliner dazu? Leider ver¬
steht man in Wien alle geschminkte Kunst besser als die ungeschminkten wichtigsten
Wahrheiten und einige Staatsmänner sollen dies nicht ungern bemerken.


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2.

Das Anlehen. -- Die große und die kleine Bank. -- Eine Brrcckmung. -- Die Re¬
duktion des Milltäretatö und die Bureaukratie. -- Macht und llnmacht. --

Kaum hat sich der Wienerwitz über die providentielle Lota Montez be¬
schwichtigt, an der er sich vermuthlich aus Theilnahme für den Hos so leb¬
hast interessirte, kaum erfreut sich der Wiener des Vortheils, daß Kam (kein)
Minister ist, seit Adel abgetreten; so will hier die öffentliche Meinung im Ge¬
fühle ihres Berufs als Puls- und Taktschlag des staatlichen Lebens, unserm treff¬
lichen Hvfkammcrpräsidcnten, diesem energischsten aller Staatsmännern Oesterreich",
die Zumuthung unterschieden, gleichfalls abzutreten, weil gegen seinen Willen,
ganz mit Vergcssung des glänzenden Lobes, das die Augsburger Allgemeine dem
blühenden Zustande unserer Finanzen spendete, dennoch ein solch enormes und
abnormes Anlehen gemacht werden konnte, durfte und mußte. Dieser ",no vvav
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trägt 80 Millionen zum Kours von 1.05; Provisionen n. s. w. abgezogen,
reduciren ihn jedoch auf 102, so daß der Staat 102 bekömmt für jede 100,
die er ausstellt, immer aber zum Cours von 5> Prozenten. Es ist in 05 monat¬
lichen Raten zahlbar, wo die erste am 1. Juni 1847 beginnt. Die erste Hälfte
von 40 Millionen besteht in 5 Proz. Staatspapieren, d. h. der Staat creirt um
40 Millionen Metalliques wehr z" 5 Prozent. Für die übrigen 40 Millionen


lor der nicht existirenden Akademie ohne Aussicht auf deren Realisirung. Das
Aktenstück befindet sich jetzt in den Händen des BundcstagSgcsandtc», des Grafen
Münch-Bellinghausen.

Vor mehrern Tagen hat Meyerbeer Wien verlassen, es sind ihm die glän¬
zendsten Auszeichnungen in künstlerischen und gesellschaftlichen Kreisen zu Theil
geworden. Was den Hof betrifft, so scheint der Sängerin Lind über den schöpfe¬
rischen Künstler der Vorzug eingeräumt zu sein. Der Erzherzog Franz Karl
warf der Sängerin einen Kranz auf die Bühne und die Erzherzogin nahm in
ihrem Salon ein Braselet vom Arm und legte es der Lind an. Selbst die
officielle Wicnerzcituug, die noch immer dem groben Kanzleistyl des vorigen Jahr¬
hunderts huldigt und kurzweg zu berichten pflegt: der Kaiser hat dem Professor
oder dem Grafen so und so das und das verliehen, berichtete: der Kaiser hat
„die ausgezeichnete Künstlerin", Jenny Lind, zur Kammersängerin ernannt, llc-
brigcns hat die Lind hier den Ruf einer rücksichtslosen Launenhaftigkeit, eines er-
ziehungslosen Benehmens, gegen Personen und Familien die ihr mit dem größten
Wohlwollen, das die Sängerin auch annahm, entgegengekommen sind, zurückge¬
lassen. Nur dem Publikum sagte sie bei ihrem letzten Auftreten: „man habe sie
in Wien am besten verstanden." Was meinen die Berliner dazu? Leider ver¬
steht man in Wien alle geschminkte Kunst besser als die ungeschminkten wichtigsten
Wahrheiten und einige Staatsmänner sollen dies nicht ungern bemerken.


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2.

Das Anlehen. — Die große und die kleine Bank. — Eine Brrcckmung. — Die Re¬
duktion des Milltäretatö und die Bureaukratie. — Macht und llnmacht. —

Kaum hat sich der Wienerwitz über die providentielle Lota Montez be¬
schwichtigt, an der er sich vermuthlich aus Theilnahme für den Hos so leb¬
hast interessirte, kaum erfreut sich der Wiener des Vortheils, daß Kam (kein)
Minister ist, seit Adel abgetreten; so will hier die öffentliche Meinung im Ge¬
fühle ihres Berufs als Puls- und Taktschlag des staatlichen Lebens, unserm treff¬
lichen Hvfkammcrpräsidcnten, diesem energischsten aller Staatsmännern Oesterreich«,
die Zumuthung unterschieden, gleichfalls abzutreten, weil gegen seinen Willen,
ganz mit Vergcssung des glänzenden Lobes, das die Augsburger Allgemeine dem
blühenden Zustande unserer Finanzen spendete, dennoch ein solch enormes und
abnormes Anlehen gemacht werden konnte, durfte und mußte. Dieser »,no vvav
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trägt 80 Millionen zum Kours von 1.05; Provisionen n. s. w. abgezogen,
reduciren ihn jedoch auf 102, so daß der Staat 102 bekömmt für jede 100,
die er ausstellt, immer aber zum Cours von 5> Prozenten. Es ist in 05 monat¬
lichen Raten zahlbar, wo die erste am 1. Juni 1847 beginnt. Die erste Hälfte
von 40 Millionen besteht in 5 Proz. Staatspapieren, d. h. der Staat creirt um
40 Millionen Metalliques wehr z» 5 Prozent. Für die übrigen 40 Millionen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/100>, abgerufen am 29.06.2024.