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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Cine ganz gewöhnliche Geschichte.



Rolandseck ist den Reisenden wegen seiner paradiesischen Lage, den Bonner
Studenten wegen seiner nicht minder trefflichen Punschbowlen bekannt. Dort werden
die fidelsten Cvnunerße gefeiert, dorthin die meisten Ausflüge gemacht, und zu den
Schulden, welche die betrübten Eltern am Ende des Semesters bezahlen müssen,
haben die Weinrechunngen Gröger's -- so heißt der Wirth -- keinen unwichtigen
Beitrag geliefert. Es kommt aber auch in der That auf diesem Punkte Alles zu¬
sammen, was nur einen Menschen, besonders einen Jüngling, zu dem Glauben
verleiten kann, daß er der Erde mit ihren Trivialitäten und Zerwürfnissen ent¬
rückt sei und in überirdischen Regionen schwebe, in so herrliche" Gegenden, wie
sie sich nur die Phantasie der Utopisten und Se. Simonisten ausmalen könnte.
Hegel sagt irgendwo von der Wahrheit, daß bei ihrem Namen das Herz des
Mensche" höher schlage. Die Bonner Studenten sind so große Philosophen nicht,
um der Wahrheit diese Ehre anzuthun, aber wenn sie von Rolandseck hören,
dann schlägt allerdings ihr Herz höher, ihr Auge wird glänzend und ihr Fuß
setzt sich in schnelle Bewegung, um den Dampfer nicht zu versäumen, der sie nach
dem Ziele ihrer Sehnsucht hintragen soll. Dort begeistern sie sich an den reizen¬
den Frauengestalten, welche die Dampfschiffe ans allen Theilen der Welt Hieher
bringen, an dem herrlichen Wein, der so trefflich paßt zum klaren, heitern Him¬
mel droben und den rauschenden grünen Wellen unter, an den graue" Ruinen,
an dere" Ma"er so schöne Lieder aus alter, ritterlicher Zeit geschrieben stehen,
und an der mährchenhafte" Jusel, auf der Bulwer Feen wohnen läßt, welche aber
der Erzluschvf von Cöln durch Nonnen hat vertrieben. Wenn dann die Sonne
hinter den Weinbergen untergeht und die ersten Sterne sich in dem ruhig fließen¬
den Strome spiegeln, wenn fröhliche Lieder ans den Nachen unten emporsteige",
die oben auf den Berge" ein lustiges Echo finden -- welcher Mensch könnte wohl
ein so hartes Herz i" der Brust'trage", daß es in einem solche" Augenblicke
uicht ganz in Wonne und Lust zerschmelzen sollte?

Als ich das letzte Mal dort war, befand ich mich in Gesellschaft trauter,
lieber Freunde. Das Semester neigte sich zu Ende; es war für uns Alle das
letzte, das wir in Bonn zubringe,! konnte". Mancher von uns glaubte schon ge-


G,lnMe". >V. 1847' 8
Cine ganz gewöhnliche Geschichte.



Rolandseck ist den Reisenden wegen seiner paradiesischen Lage, den Bonner
Studenten wegen seiner nicht minder trefflichen Punschbowlen bekannt. Dort werden
die fidelsten Cvnunerße gefeiert, dorthin die meisten Ausflüge gemacht, und zu den
Schulden, welche die betrübten Eltern am Ende des Semesters bezahlen müssen,
haben die Weinrechunngen Gröger's — so heißt der Wirth — keinen unwichtigen
Beitrag geliefert. Es kommt aber auch in der That auf diesem Punkte Alles zu¬
sammen, was nur einen Menschen, besonders einen Jüngling, zu dem Glauben
verleiten kann, daß er der Erde mit ihren Trivialitäten und Zerwürfnissen ent¬
rückt sei und in überirdischen Regionen schwebe, in so herrliche» Gegenden, wie
sie sich nur die Phantasie der Utopisten und Se. Simonisten ausmalen könnte.
Hegel sagt irgendwo von der Wahrheit, daß bei ihrem Namen das Herz des
Mensche» höher schlage. Die Bonner Studenten sind so große Philosophen nicht,
um der Wahrheit diese Ehre anzuthun, aber wenn sie von Rolandseck hören,
dann schlägt allerdings ihr Herz höher, ihr Auge wird glänzend und ihr Fuß
setzt sich in schnelle Bewegung, um den Dampfer nicht zu versäumen, der sie nach
dem Ziele ihrer Sehnsucht hintragen soll. Dort begeistern sie sich an den reizen¬
den Frauengestalten, welche die Dampfschiffe ans allen Theilen der Welt Hieher
bringen, an dem herrlichen Wein, der so trefflich paßt zum klaren, heitern Him¬
mel droben und den rauschenden grünen Wellen unter, an den graue» Ruinen,
an dere» Ma»er so schöne Lieder aus alter, ritterlicher Zeit geschrieben stehen,
und an der mährchenhafte» Jusel, auf der Bulwer Feen wohnen läßt, welche aber
der Erzluschvf von Cöln durch Nonnen hat vertrieben. Wenn dann die Sonne
hinter den Weinbergen untergeht und die ersten Sterne sich in dem ruhig fließen¬
den Strome spiegeln, wenn fröhliche Lieder ans den Nachen unten emporsteige»,
die oben auf den Berge» ein lustiges Echo finden — welcher Mensch könnte wohl
ein so hartes Herz i» der Brust'trage», daß es in einem solche» Augenblicke
uicht ganz in Wonne und Lust zerschmelzen sollte?

Als ich das letzte Mal dort war, befand ich mich in Gesellschaft trauter,
lieber Freunde. Das Semester neigte sich zu Ende; es war für uns Alle das
letzte, das wir in Bonn zubringe,! konnte». Mancher von uns glaubte schon ge-


G,lnMe». >V. 1847' 8
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[0065] Cine ganz gewöhnliche Geschichte. Rolandseck ist den Reisenden wegen seiner paradiesischen Lage, den Bonner Studenten wegen seiner nicht minder trefflichen Punschbowlen bekannt. Dort werden die fidelsten Cvnunerße gefeiert, dorthin die meisten Ausflüge gemacht, und zu den Schulden, welche die betrübten Eltern am Ende des Semesters bezahlen müssen, haben die Weinrechunngen Gröger's — so heißt der Wirth — keinen unwichtigen Beitrag geliefert. Es kommt aber auch in der That auf diesem Punkte Alles zu¬ sammen, was nur einen Menschen, besonders einen Jüngling, zu dem Glauben verleiten kann, daß er der Erde mit ihren Trivialitäten und Zerwürfnissen ent¬ rückt sei und in überirdischen Regionen schwebe, in so herrliche» Gegenden, wie sie sich nur die Phantasie der Utopisten und Se. Simonisten ausmalen könnte. Hegel sagt irgendwo von der Wahrheit, daß bei ihrem Namen das Herz des Mensche» höher schlage. Die Bonner Studenten sind so große Philosophen nicht, um der Wahrheit diese Ehre anzuthun, aber wenn sie von Rolandseck hören, dann schlägt allerdings ihr Herz höher, ihr Auge wird glänzend und ihr Fuß setzt sich in schnelle Bewegung, um den Dampfer nicht zu versäumen, der sie nach dem Ziele ihrer Sehnsucht hintragen soll. Dort begeistern sie sich an den reizen¬ den Frauengestalten, welche die Dampfschiffe ans allen Theilen der Welt Hieher bringen, an dem herrlichen Wein, der so trefflich paßt zum klaren, heitern Him¬ mel droben und den rauschenden grünen Wellen unter, an den graue» Ruinen, an dere» Ma»er so schöne Lieder aus alter, ritterlicher Zeit geschrieben stehen, und an der mährchenhafte» Jusel, auf der Bulwer Feen wohnen läßt, welche aber der Erzluschvf von Cöln durch Nonnen hat vertrieben. Wenn dann die Sonne hinter den Weinbergen untergeht und die ersten Sterne sich in dem ruhig fließen¬ den Strome spiegeln, wenn fröhliche Lieder ans den Nachen unten emporsteige», die oben auf den Berge» ein lustiges Echo finden — welcher Mensch könnte wohl ein so hartes Herz i» der Brust'trage», daß es in einem solche» Augenblicke uicht ganz in Wonne und Lust zerschmelzen sollte? Als ich das letzte Mal dort war, befand ich mich in Gesellschaft trauter, lieber Freunde. Das Semester neigte sich zu Ende; es war für uns Alle das letzte, das wir in Bonn zubringe,! konnte». Mancher von uns glaubte schon ge- G,lnMe». >V. 1847' 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/65>, abgerufen am 22.07.2024.