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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Richard Cobden's Meisen durch Deutschland



Wir Deutschen sind dafür bekannt, daß wir gern fremdes Verdienst ans alle
mögliche Weise zu feiern suchen und uns so recht darin gefallen, demselben auf
überschwengliche Art Weihrauch zu streuen. Mag ein nur irgendwie bekannter
Mann, sei es woher es wolle, zu uns kommen, mögen seine Verdienste auch oft
noch so zweideutiger Art, ja seine Anstrengungen stets gegen uns gerichtet gewesen
sein, er kann sicher darauf rechnen, bei uns nicht allein die vollste Gastfreiheit,
denn das Gegentheil davon wäre mit Recht zu tadeln, sondern auch Huldigungen
über Huldigungen zu finden.

Ein neues, recht scharfes Beispiel dieser Unterthänigkeit gegen jede fremde
Größe hat jetzt wieder die Reise des Sir Richard Cod den in Norddeutschland
gegeben; daß dieser ein Manu vou großen Talente" und besonders von bedeu¬
tender Kraft und Ausdauer in der Verfolgung des sich einmal gesteckten Zieles
ist, wird wohl kein Unbefangener bestreiten wollen. Er hat für das englische
Volk ungemeine Verdienste gehabt, hat in schwierigem Kampfe mit unendlicher
Ausdauer die Macht der englischen Grundbesitzer gebrochen, den Arbeitern durch
Aushebung der Korn- und Fleischzvlle wohlfeileres Brot und Fleisch verschafft,
und dadurch wieder der englischen Fabrikation, die jetzt wohlfeiler zu arbeiten
vermag, ungemein genützt. Wenn das englische Volk dies anerkannte, wenn
Cobden von seiner Nation eine großartige Belohnung dafür erhielt, so war dies
recht und wir wünschten von Herzen, daß anch unser Vaterland sich auf gleiche
Weise dankbar gegen seine ausgezeichneten Männer bewähre. Aber wir speciell
in Deutschland haben von diesen Anstrengungen nicht den mindesten Vortheil,
sondern mir Schaden, ja indirect sind dieselben gegen uns gerichtet gewesen, wir
sind Cobden in keiner Weise den mindesten Dank schuldig. Es wird, suchen wir
uns nicht dagegen zu schützen, noch mehr Korn und Fleisch, d. h. die unumgäng¬
lichsten Lebensmittel, wie bisher, uach England ausgeführt werden, und unsere
Armen werden noch mehr wie früher hungern, unser Mittelstand immer mehr
und mehr sich einschränken müssen. Dagegen werden wir, suchen wir uns auf
der andern Seite auch nicht minder dagegen zu schützen, noch mehr wie früher


G"°nzl>oder. IV. 1847. 14
Richard Cobden's Meisen durch Deutschland



Wir Deutschen sind dafür bekannt, daß wir gern fremdes Verdienst ans alle
mögliche Weise zu feiern suchen und uns so recht darin gefallen, demselben auf
überschwengliche Art Weihrauch zu streuen. Mag ein nur irgendwie bekannter
Mann, sei es woher es wolle, zu uns kommen, mögen seine Verdienste auch oft
noch so zweideutiger Art, ja seine Anstrengungen stets gegen uns gerichtet gewesen
sein, er kann sicher darauf rechnen, bei uns nicht allein die vollste Gastfreiheit,
denn das Gegentheil davon wäre mit Recht zu tadeln, sondern auch Huldigungen
über Huldigungen zu finden.

Ein neues, recht scharfes Beispiel dieser Unterthänigkeit gegen jede fremde
Größe hat jetzt wieder die Reise des Sir Richard Cod den in Norddeutschland
gegeben; daß dieser ein Manu vou großen Talente» und besonders von bedeu¬
tender Kraft und Ausdauer in der Verfolgung des sich einmal gesteckten Zieles
ist, wird wohl kein Unbefangener bestreiten wollen. Er hat für das englische
Volk ungemeine Verdienste gehabt, hat in schwierigem Kampfe mit unendlicher
Ausdauer die Macht der englischen Grundbesitzer gebrochen, den Arbeitern durch
Aushebung der Korn- und Fleischzvlle wohlfeileres Brot und Fleisch verschafft,
und dadurch wieder der englischen Fabrikation, die jetzt wohlfeiler zu arbeiten
vermag, ungemein genützt. Wenn das englische Volk dies anerkannte, wenn
Cobden von seiner Nation eine großartige Belohnung dafür erhielt, so war dies
recht und wir wünschten von Herzen, daß anch unser Vaterland sich auf gleiche
Weise dankbar gegen seine ausgezeichneten Männer bewähre. Aber wir speciell
in Deutschland haben von diesen Anstrengungen nicht den mindesten Vortheil,
sondern mir Schaden, ja indirect sind dieselben gegen uns gerichtet gewesen, wir
sind Cobden in keiner Weise den mindesten Dank schuldig. Es wird, suchen wir
uns nicht dagegen zu schützen, noch mehr Korn und Fleisch, d. h. die unumgäng¬
lichsten Lebensmittel, wie bisher, uach England ausgeführt werden, und unsere
Armen werden noch mehr wie früher hungern, unser Mittelstand immer mehr
und mehr sich einschränken müssen. Dagegen werden wir, suchen wir uns auf
der andern Seite auch nicht minder dagegen zu schützen, noch mehr wie früher


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[0113] Richard Cobden's Meisen durch Deutschland Wir Deutschen sind dafür bekannt, daß wir gern fremdes Verdienst ans alle mögliche Weise zu feiern suchen und uns so recht darin gefallen, demselben auf überschwengliche Art Weihrauch zu streuen. Mag ein nur irgendwie bekannter Mann, sei es woher es wolle, zu uns kommen, mögen seine Verdienste auch oft noch so zweideutiger Art, ja seine Anstrengungen stets gegen uns gerichtet gewesen sein, er kann sicher darauf rechnen, bei uns nicht allein die vollste Gastfreiheit, denn das Gegentheil davon wäre mit Recht zu tadeln, sondern auch Huldigungen über Huldigungen zu finden. Ein neues, recht scharfes Beispiel dieser Unterthänigkeit gegen jede fremde Größe hat jetzt wieder die Reise des Sir Richard Cod den in Norddeutschland gegeben; daß dieser ein Manu vou großen Talente» und besonders von bedeu¬ tender Kraft und Ausdauer in der Verfolgung des sich einmal gesteckten Zieles ist, wird wohl kein Unbefangener bestreiten wollen. Er hat für das englische Volk ungemeine Verdienste gehabt, hat in schwierigem Kampfe mit unendlicher Ausdauer die Macht der englischen Grundbesitzer gebrochen, den Arbeitern durch Aushebung der Korn- und Fleischzvlle wohlfeileres Brot und Fleisch verschafft, und dadurch wieder der englischen Fabrikation, die jetzt wohlfeiler zu arbeiten vermag, ungemein genützt. Wenn das englische Volk dies anerkannte, wenn Cobden von seiner Nation eine großartige Belohnung dafür erhielt, so war dies recht und wir wünschten von Herzen, daß anch unser Vaterland sich auf gleiche Weise dankbar gegen seine ausgezeichneten Männer bewähre. Aber wir speciell in Deutschland haben von diesen Anstrengungen nicht den mindesten Vortheil, sondern mir Schaden, ja indirect sind dieselben gegen uns gerichtet gewesen, wir sind Cobden in keiner Weise den mindesten Dank schuldig. Es wird, suchen wir uns nicht dagegen zu schützen, noch mehr Korn und Fleisch, d. h. die unumgäng¬ lichsten Lebensmittel, wie bisher, uach England ausgeführt werden, und unsere Armen werden noch mehr wie früher hungern, unser Mittelstand immer mehr und mehr sich einschränken müssen. Dagegen werden wir, suchen wir uns auf der andern Seite auch nicht minder dagegen zu schützen, noch mehr wie früher G»°nzl>oder. IV. 1847. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/113>, abgerufen am 22.07.2024.