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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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rissen worden -- die Weißrussen daher eigentliche Russen. Also eine
Geschichte in n""in n<,n"Il, vielleicht nach Anleitung des Ministern der Aufklä¬
rung! Ein ganz neuer Gedanke, oder aus China übergeführt -- abscheulich, aber
nicht groß! würde Nathan der Weise ausrufen. Außerdem machte der Verfasser
eine gute Carriere (er ist jetzt Professor der Geschichte und Staatsrath, oder viel¬
mehr Staatsrath und Professor der Geschichte) -- und so hat nicht nur dieser
Sajz nachträglich eine Autorität erhalten, sondern scharfblickende Gelehrte können
sich auch sagen: gehe hin und thue desgleichen.

Für die Disciplin ist in Gymnasien und ähnlichen Instituten minder gesorgt,
als man glauben sollte, wenigstens kann der Lehrer nnr höchst unbedeutende Stra¬
fen selbst verhängen, daher gehört immer ein tüchtiger Mann dazu, mit seinen
Zöglingen fertig zu werden, ohne Intervention des Jnspectors, die der Wissen¬
schaft nicht weniger schadet, als eine": innigern Einverständnisse zwischen den ersten
beiden Theilen. Ist es aber uach dem Obigen wohl zu weit gegangen, wenn man's
für möglich hält, daß gerade dies beabsichtigt wird? obgleich vielen Lehrern nicht gut
freie Hand gelassen werden darf. Ich bin übrigens hierbei weniger Partei, als Ihr
denken mögt, weil ich in der Regel nach meinem Rechtsgefühle handle und mir
kein graues Haar wachse" lasse wegen deu desfallsigen Vorschriften. Wo nichts
erlaubt ist, geht unter Umständen Alles durch -- und diese werden sür mich sein,
so lange ich unabhängig bin. Ohnedem hab' ich die Ueberzeugung, daß die rus¬
sisch - weitläufigen Notizen über die Fehler der Zöglinge und ihre Bestrafung nur
deu Fähigsten der Klasse ganz verständlich sind. Und obwohl ich glaube, daß ein
gewissenhafter Lehrer gute Schüler hin und wieder aufmuntern muß durch ein
zweckmäßiges Lob zu rechter Stunde, so halte ich doch anch die hiesige Art der
Anerkennung sür höchst verderblich/ Sie besteht in Censnrscheinen, Belobungs¬
karten von mehreren Graden u. f. w. (der Prinz von Oldenburg läßt ans den
öffentlichen Acten in seinen Anstalten sogar einen Trompetentusch blaßen, wenn
dieselben Jedem einzeln eingehändigt werden), gleicht somit dem vermaledeiten
Rang - )>ut Ordenswescn ans ein Haar und weckt bei den jungen Leuten einen
Ehrgeiz, der die Vorstellung gar nicht aufkommen läßt, man müsse das Gute um
des Guten willen thun. Aber anch hierbei sehe ich mit dem besten Willen nur
die Absicht, deu Egoismus möglichst früh auszubilden, das alte, infame ilividv et
immer-t ans das einzelne Jnvidunm angewandt. So vergiftet man schon die zar¬
teste Jugend -- es ist gräßlich. Bewahre Zeus Kronion jedes Volk vor russi¬
schen Zuständen, die sicher des Orkus flüstern Mächten entsprungen sind!




rissen worden — die Weißrussen daher eigentliche Russen. Also eine
Geschichte in n«»in n<,n»Il, vielleicht nach Anleitung des Ministern der Aufklä¬
rung! Ein ganz neuer Gedanke, oder aus China übergeführt — abscheulich, aber
nicht groß! würde Nathan der Weise ausrufen. Außerdem machte der Verfasser
eine gute Carriere (er ist jetzt Professor der Geschichte und Staatsrath, oder viel¬
mehr Staatsrath und Professor der Geschichte) — und so hat nicht nur dieser
Sajz nachträglich eine Autorität erhalten, sondern scharfblickende Gelehrte können
sich auch sagen: gehe hin und thue desgleichen.

Für die Disciplin ist in Gymnasien und ähnlichen Instituten minder gesorgt,
als man glauben sollte, wenigstens kann der Lehrer nnr höchst unbedeutende Stra¬
fen selbst verhängen, daher gehört immer ein tüchtiger Mann dazu, mit seinen
Zöglingen fertig zu werden, ohne Intervention des Jnspectors, die der Wissen¬
schaft nicht weniger schadet, als eine»: innigern Einverständnisse zwischen den ersten
beiden Theilen. Ist es aber uach dem Obigen wohl zu weit gegangen, wenn man's
für möglich hält, daß gerade dies beabsichtigt wird? obgleich vielen Lehrern nicht gut
freie Hand gelassen werden darf. Ich bin übrigens hierbei weniger Partei, als Ihr
denken mögt, weil ich in der Regel nach meinem Rechtsgefühle handle und mir
kein graues Haar wachse» lasse wegen deu desfallsigen Vorschriften. Wo nichts
erlaubt ist, geht unter Umständen Alles durch — und diese werden sür mich sein,
so lange ich unabhängig bin. Ohnedem hab' ich die Ueberzeugung, daß die rus¬
sisch - weitläufigen Notizen über die Fehler der Zöglinge und ihre Bestrafung nur
deu Fähigsten der Klasse ganz verständlich sind. Und obwohl ich glaube, daß ein
gewissenhafter Lehrer gute Schüler hin und wieder aufmuntern muß durch ein
zweckmäßiges Lob zu rechter Stunde, so halte ich doch anch die hiesige Art der
Anerkennung sür höchst verderblich/ Sie besteht in Censnrscheinen, Belobungs¬
karten von mehreren Graden u. f. w. (der Prinz von Oldenburg läßt ans den
öffentlichen Acten in seinen Anstalten sogar einen Trompetentusch blaßen, wenn
dieselben Jedem einzeln eingehändigt werden), gleicht somit dem vermaledeiten
Rang - )>ut Ordenswescn ans ein Haar und weckt bei den jungen Leuten einen
Ehrgeiz, der die Vorstellung gar nicht aufkommen läßt, man müsse das Gute um
des Guten willen thun. Aber anch hierbei sehe ich mit dem besten Willen nur
die Absicht, deu Egoismus möglichst früh auszubilden, das alte, infame ilividv et
immer-t ans das einzelne Jnvidunm angewandt. So vergiftet man schon die zar¬
teste Jugend — es ist gräßlich. Bewahre Zeus Kronion jedes Volk vor russi¬
schen Zuständen, die sicher des Orkus flüstern Mächten entsprungen sind!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/112>, abgerufen am 22.07.2024.