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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Das Herzogthttm Westphalen.
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Südlich von den Städten Unna, Werk, Soest erhebt sich der Ge-
birgszug der Haar, welcher, einzelne kleine Ausnahmen abgerechnet,
die evangelische Bevölkerung von der katholischen trennt. Von den
Höhen dieses Gebirges IM mau eine weite Aussicht, nach dieser Seite
hin aus die fruchtbaren, bevölkerten Ebenen der Grafschaft Mark, ja
sogar des Münsterlandes, nach der andern Seite hin auf die wilden,
waldbewachsenen Gebirge des Herzogthums Westphalen. Es fehlt hier
die eigentliche Vermittlung zwischen der Ebene und dem Gebirgsland,
welche uns an dieses gewöhnt, während wir jene noch nicht verlassen
zu haben glauben. Ein einstündiger Spaziergang ist hinreichend, um
uns aus der Mitte wogender Saatfelder in düstere, einsame Wald¬
thäler zu bringen, um die Einförmigkeit einer weiten, unendlichen Ebene
mit dem anmuthigen Wechsel von Thal und Berg zu vertauschen.
Da die Natur hier einen solchen Sprung macht, warum sollten wir
uns darüber wundern, daß auch die Bevölkerungen sich so schroff von
einander unterscheiden? In jeder Beziehung, in Rücksicht auf Bildung
Gewohnheiten, Volkssitten, Religion, Beschäftigung sind die Bewohner
des Berglandes von ihren Nachbarn ans der Ebene verschieden und
man muß sich wundern, daß die preußische Verwaltung diese einander
widersprechenden Landestheile in einen Regierungsbezirk zusammenge¬
fügt hat.

Arnsberg, der Sitz dieser Regierung, ist die bedeutendste Stadt
deS Herzogthums Westphalen, aber in jeder Hinsicht den großen,
Städten in der Grafschaft Mark nachstehend. Die Lage derselben er¬
innert an Tübingen ; auf dein Rücken eines Berges gelegen, zieht sie
sich nach drei Seiten zum Flusse, zur Ruhr, hinunter, welcher sie in
einem weiten Halbzirkel umgibt. Auf der Spitze dieses Berges erblickt
man die kolossalen Trümmer des Schlosses der frühern Grafen von


Grenzboten. "V. i"ÄV. ^
Das Herzogthttm Westphalen.
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Südlich von den Städten Unna, Werk, Soest erhebt sich der Ge-
birgszug der Haar, welcher, einzelne kleine Ausnahmen abgerechnet,
die evangelische Bevölkerung von der katholischen trennt. Von den
Höhen dieses Gebirges IM mau eine weite Aussicht, nach dieser Seite
hin aus die fruchtbaren, bevölkerten Ebenen der Grafschaft Mark, ja
sogar des Münsterlandes, nach der andern Seite hin auf die wilden,
waldbewachsenen Gebirge des Herzogthums Westphalen. Es fehlt hier
die eigentliche Vermittlung zwischen der Ebene und dem Gebirgsland,
welche uns an dieses gewöhnt, während wir jene noch nicht verlassen
zu haben glauben. Ein einstündiger Spaziergang ist hinreichend, um
uns aus der Mitte wogender Saatfelder in düstere, einsame Wald¬
thäler zu bringen, um die Einförmigkeit einer weiten, unendlichen Ebene
mit dem anmuthigen Wechsel von Thal und Berg zu vertauschen.
Da die Natur hier einen solchen Sprung macht, warum sollten wir
uns darüber wundern, daß auch die Bevölkerungen sich so schroff von
einander unterscheiden? In jeder Beziehung, in Rücksicht auf Bildung
Gewohnheiten, Volkssitten, Religion, Beschäftigung sind die Bewohner
des Berglandes von ihren Nachbarn ans der Ebene verschieden und
man muß sich wundern, daß die preußische Verwaltung diese einander
widersprechenden Landestheile in einen Regierungsbezirk zusammenge¬
fügt hat.

Arnsberg, der Sitz dieser Regierung, ist die bedeutendste Stadt
deS Herzogthums Westphalen, aber in jeder Hinsicht den großen,
Städten in der Grafschaft Mark nachstehend. Die Lage derselben er¬
innert an Tübingen ; auf dein Rücken eines Berges gelegen, zieht sie
sich nach drei Seiten zum Flusse, zur Ruhr, hinunter, welcher sie in
einem weiten Halbzirkel umgibt. Auf der Spitze dieses Berges erblickt
man die kolossalen Trümmer des Schlosses der frühern Grafen von


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[0545] Das Herzogthttm Westphalen. >'!>l Südlich von den Städten Unna, Werk, Soest erhebt sich der Ge- birgszug der Haar, welcher, einzelne kleine Ausnahmen abgerechnet, die evangelische Bevölkerung von der katholischen trennt. Von den Höhen dieses Gebirges IM mau eine weite Aussicht, nach dieser Seite hin aus die fruchtbaren, bevölkerten Ebenen der Grafschaft Mark, ja sogar des Münsterlandes, nach der andern Seite hin auf die wilden, waldbewachsenen Gebirge des Herzogthums Westphalen. Es fehlt hier die eigentliche Vermittlung zwischen der Ebene und dem Gebirgsland, welche uns an dieses gewöhnt, während wir jene noch nicht verlassen zu haben glauben. Ein einstündiger Spaziergang ist hinreichend, um uns aus der Mitte wogender Saatfelder in düstere, einsame Wald¬ thäler zu bringen, um die Einförmigkeit einer weiten, unendlichen Ebene mit dem anmuthigen Wechsel von Thal und Berg zu vertauschen. Da die Natur hier einen solchen Sprung macht, warum sollten wir uns darüber wundern, daß auch die Bevölkerungen sich so schroff von einander unterscheiden? In jeder Beziehung, in Rücksicht auf Bildung Gewohnheiten, Volkssitten, Religion, Beschäftigung sind die Bewohner des Berglandes von ihren Nachbarn ans der Ebene verschieden und man muß sich wundern, daß die preußische Verwaltung diese einander widersprechenden Landestheile in einen Regierungsbezirk zusammenge¬ fügt hat. Arnsberg, der Sitz dieser Regierung, ist die bedeutendste Stadt deS Herzogthums Westphalen, aber in jeder Hinsicht den großen, Städten in der Grafschaft Mark nachstehend. Die Lage derselben er¬ innert an Tübingen ; auf dein Rücken eines Berges gelegen, zieht sie sich nach drei Seiten zum Flusse, zur Ruhr, hinunter, welcher sie in einem weiten Halbzirkel umgibt. Auf der Spitze dieses Berges erblickt man die kolossalen Trümmer des Schlosses der frühern Grafen von Grenzboten. »V. i»ÄV. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/545>, abgerufen am 23.07.2024.