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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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bleiben kann. Die ersten musikalisch-kritischen Kräfte haben sich an die
Spitze des Unternehmens gestellt: Truhe, Kossak, Lange, Geyer, Weiß,
auch sind ausgezeichnete Correspondenten in Leipzig, Dresden, Cöln,
Wien und im Auslande, in Rom und Paris zum Theil mit nicht ge¬
A. Z. ringen Opfern gewonnen worden.


III.
Der "ldenburgische Verfassungsstreit.

Während das übrige Deutschland, und gewiß mit großem Rechte,
nicht ermüdet, die preußische Verfassungsfrage bald auf wirkliche Veran¬
lassung, bald nach bloßen Gerüchten zu besprechen, wird, wie die Aache¬
ner Zeitung vor einiger Zeit bemerkte, über dieselbe Angelegenheit Olden¬
burgs und über dessen übrigen Zustände, so weit sie für Deutschland von
Wichtigkeit sind, nicht einmal in den beiden Zeitungen des benachbarten
Bremen ein Wort laut und der Proceß der kleinen Grafen Bentink macht
hundertmal mehr zu schreiben, als das ganze übrige Großherzogthum.

Und doch ist Oldenburg eines der sechs Großherzogthümer Deutsch¬
lands, größer als Sachsen-Weimar, größer als die Herzogthümer Braun¬
schweig und Nassau, Alles konstitutionelle Staaten, welche im Lichte der
Oeffentlichkeit und unter der Controle der öffentlichen Meinung stehen.

Die freisinnige, unter preußischer Censur erschienene Schrift des Pro¬
fessors Hinrichs in Halle, eines geborenen Oldenburgers: "Der Olden¬
burgische Verfassungsstreit nach gedruckten und ungedruckten Quellen"
gibt uns die merkwürdigsten Aufschlüsse über diefen in Deutschland kaum
gekannten Bundesstaat in welchem eine nirgends so hierarchisch orga-
nisirte Beamtenmacht jeden freiern Hauch, jedes über Theatergeschwätz
hinausgehende Wort unterdrückt und sowohl die guten Absichten eines
freundlich gesinnten und das Rechte und Gute wollenden Fürsten verei¬
telt, als die Keime freierer Gesinnung in einigen Theilen des Landes erstickt.

Hinrichs sagt S. 104: "Ich kannte die frühere Opposition der Jc-
verschen Landschaft gegen die Oldenburgische Regierung nur dem Namen
nach. Ich hatte wohl davon gehört, aber als von einer Angelegenheit,
die längst vorüber und vergessen sei. Da bekam ich während meiner An¬
wesenheit in Jever zufällig die als ""Manuscript für die Einwohner""
gedruckten Actenstücke der neuesten Geschichte der Herrschaft Jever (d. h.
Eingaben an die Regierung, worin die Jeverländer den Zustand ihres
Landes schildern, ihre Rechte und Privilegien oder Ersatz für sie durch
allgemeine landstandische Verfassung des Großherzogthums auf die loyalste
und gemäßigtste Weise fordern) in die Hände und man sagte mir, daß
Dragoner diese Actenstücke wegnahmen, wo sie sie fänden. Ich las mit
steigender Verwunderung diese Actenstücke der neuesten Geschichte meiner



") Schlosser in Heidelberg, auch ein geborner Oldenburger, nennt in seiner
Geschichte des 18. Jahrhunderts seine Heimath "einen recht finstern Winkel."
59*

bleiben kann. Die ersten musikalisch-kritischen Kräfte haben sich an die
Spitze des Unternehmens gestellt: Truhe, Kossak, Lange, Geyer, Weiß,
auch sind ausgezeichnete Correspondenten in Leipzig, Dresden, Cöln,
Wien und im Auslande, in Rom und Paris zum Theil mit nicht ge¬
A. Z. ringen Opfern gewonnen worden.


III.
Der «ldenburgische Verfassungsstreit.

Während das übrige Deutschland, und gewiß mit großem Rechte,
nicht ermüdet, die preußische Verfassungsfrage bald auf wirkliche Veran¬
lassung, bald nach bloßen Gerüchten zu besprechen, wird, wie die Aache¬
ner Zeitung vor einiger Zeit bemerkte, über dieselbe Angelegenheit Olden¬
burgs und über dessen übrigen Zustände, so weit sie für Deutschland von
Wichtigkeit sind, nicht einmal in den beiden Zeitungen des benachbarten
Bremen ein Wort laut und der Proceß der kleinen Grafen Bentink macht
hundertmal mehr zu schreiben, als das ganze übrige Großherzogthum.

Und doch ist Oldenburg eines der sechs Großherzogthümer Deutsch¬
lands, größer als Sachsen-Weimar, größer als die Herzogthümer Braun¬
schweig und Nassau, Alles konstitutionelle Staaten, welche im Lichte der
Oeffentlichkeit und unter der Controle der öffentlichen Meinung stehen.

Die freisinnige, unter preußischer Censur erschienene Schrift des Pro¬
fessors Hinrichs in Halle, eines geborenen Oldenburgers: „Der Olden¬
burgische Verfassungsstreit nach gedruckten und ungedruckten Quellen"
gibt uns die merkwürdigsten Aufschlüsse über diefen in Deutschland kaum
gekannten Bundesstaat in welchem eine nirgends so hierarchisch orga-
nisirte Beamtenmacht jeden freiern Hauch, jedes über Theatergeschwätz
hinausgehende Wort unterdrückt und sowohl die guten Absichten eines
freundlich gesinnten und das Rechte und Gute wollenden Fürsten verei¬
telt, als die Keime freierer Gesinnung in einigen Theilen des Landes erstickt.

Hinrichs sagt S. 104: „Ich kannte die frühere Opposition der Jc-
verschen Landschaft gegen die Oldenburgische Regierung nur dem Namen
nach. Ich hatte wohl davon gehört, aber als von einer Angelegenheit,
die längst vorüber und vergessen sei. Da bekam ich während meiner An¬
wesenheit in Jever zufällig die als „„Manuscript für die Einwohner""
gedruckten Actenstücke der neuesten Geschichte der Herrschaft Jever (d. h.
Eingaben an die Regierung, worin die Jeverländer den Zustand ihres
Landes schildern, ihre Rechte und Privilegien oder Ersatz für sie durch
allgemeine landstandische Verfassung des Großherzogthums auf die loyalste
und gemäßigtste Weise fordern) in die Hände und man sagte mir, daß
Dragoner diese Actenstücke wegnahmen, wo sie sie fänden. Ich las mit
steigender Verwunderung diese Actenstücke der neuesten Geschichte meiner



") Schlosser in Heidelberg, auch ein geborner Oldenburger, nennt in seiner
Geschichte des 18. Jahrhunderts seine Heimath „einen recht finstern Winkel."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/447>, abgerufen am 05.12.2024.