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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Theil und das mit frischem Geiste geschriebene Feuilleton. Daß
dieses neue Organ von den hiesigen drei Zeitungen seit seiner Ent¬
stehung mit Mißgunst betrachtet worden, darf keinen der literarischen
Verhältnisse Kundigen Wunder nehmen, daß aber kleine Institute, wie
z. B. die Königstädtische Bühne sich auf das hohe Pferd setzen, gehört
in das Gebiet der fabelhaften Lächerlichkeit, die Alles charakterisirt, was
von der Direktion dieser Bühne seit einigen Monaten ausgegangen ist.
Auf den Antrag des Julius, um Bewilligung der freien Euerem
für die Referenten seines Feuilletons, antwortete ihm die Direktion nach
monatlicher Frist, daß sie ihm für neue Vorstellungen, ein Parterre¬
billet zu bewilligen gedenke. Natürlich wurde diese beleidigende Gunst
mit Protest zurückgewiesen, da der Redaction nicht unbekannt sein konnte,
daß hiesige Winkelblätter sich im Besitz Mehrerer Parquetlogenplätze befin¬
den, daß der Hofschauspieler Rott allabendlich zwei Parquetplätze dis¬
ponibel halte und daß man Freibillets an Tagen der Leere und Einöde
dutzendweise verschleudert. Wie anders die Intendantur des Königl.
Schauspiels! sie gibt z. B. der Spenerschen Zeitung 6 Platze. Eine Ant¬
wort ist bis jetzt noch nicht erfolgt und läßt sich nicht voraussehen,
welche Stellung diese Bühne durch ihre Wunderlichkeit der Presse gegen¬
über Noch einnehmen wird. Der größte Uebelstand liegt in der geschäfts¬
unkundigen Hand der jetzigen Direktion, die sich wie aus der neuerdings
von ihm angestellten Klage hervorgeht, mit dem Impressario Graf
Gritti in einen der einfältigsten Eontracte von der Welt eingelassen
hat. Derselbe lautet wie folgt: "Graf Gritti stellt der ?c. Bühne so
viel Sänger für dieses, so viel für jenes Fach und erhält dafür die
Hälfte der Einnahme und monatlich 5l)<1 Thaler." Nach diesem Contract
stand es nun dem ze. Gritti frei, sechs Nachtwächter und sechs Harfenmäd¬
chen in der italienischen Oper singen zu lassen und er hat sich dieser Frei¬
heit redlich bedient, so daß mit Opfern fremde Sänger aus Italien ver-
schrieben und dieser Contract mit ihm gebrochen werden mußte, daß man
die brauchbarsten seiner Mitglieder engagirte. Berlin kann nun und
nimmermehr 7 Monate lang italienische Oper erhalten, wenn Wien,
wo doch die Noblesse größtentheils italienisch spricht, nur 3 Monate lang
sich mit ihr begnügt Und die italienische Oper in Wien ist denn doch
am Ende eine andere als die unsere.

Ein junger österreichischer Dichter, Herr Alfred Meißner, der seit
einiger Zeit zu Besuche hier weilt, verräth durch seine liebenswürdige
und bescheidene Persönlichkeit eben so viele Theilnahme als seine Dich¬
tung "Iiska", die so eben erschienen ist, durch glühende Phantasie und
tiefsinnigen Ernst wahre Verehrer findet.

Von neuen literarischen Unternehmungen beginnt am ersten Januar
die neue Berliner musikalische Zeitung im Verlag der Herren Bote und
Bock ihre Laufbahn. Die noch näher zu veröffentlichenden Abonnements¬
bedingungen sind, so viel ich bis jetzt erfahren, so vortheilhaft gestellt,
daß der Zeitung, wenn sie sich befleißigt, gerecht und strenge ihre Bahn
zu verfolgen, ein größerer Kreis als der n u r Musikverständiger nicht aus-


Theil und das mit frischem Geiste geschriebene Feuilleton. Daß
dieses neue Organ von den hiesigen drei Zeitungen seit seiner Ent¬
stehung mit Mißgunst betrachtet worden, darf keinen der literarischen
Verhältnisse Kundigen Wunder nehmen, daß aber kleine Institute, wie
z. B. die Königstädtische Bühne sich auf das hohe Pferd setzen, gehört
in das Gebiet der fabelhaften Lächerlichkeit, die Alles charakterisirt, was
von der Direktion dieser Bühne seit einigen Monaten ausgegangen ist.
Auf den Antrag des Julius, um Bewilligung der freien Euerem
für die Referenten seines Feuilletons, antwortete ihm die Direktion nach
monatlicher Frist, daß sie ihm für neue Vorstellungen, ein Parterre¬
billet zu bewilligen gedenke. Natürlich wurde diese beleidigende Gunst
mit Protest zurückgewiesen, da der Redaction nicht unbekannt sein konnte,
daß hiesige Winkelblätter sich im Besitz Mehrerer Parquetlogenplätze befin¬
den, daß der Hofschauspieler Rott allabendlich zwei Parquetplätze dis¬
ponibel halte und daß man Freibillets an Tagen der Leere und Einöde
dutzendweise verschleudert. Wie anders die Intendantur des Königl.
Schauspiels! sie gibt z. B. der Spenerschen Zeitung 6 Platze. Eine Ant¬
wort ist bis jetzt noch nicht erfolgt und läßt sich nicht voraussehen,
welche Stellung diese Bühne durch ihre Wunderlichkeit der Presse gegen¬
über Noch einnehmen wird. Der größte Uebelstand liegt in der geschäfts¬
unkundigen Hand der jetzigen Direktion, die sich wie aus der neuerdings
von ihm angestellten Klage hervorgeht, mit dem Impressario Graf
Gritti in einen der einfältigsten Eontracte von der Welt eingelassen
hat. Derselbe lautet wie folgt: „Graf Gritti stellt der ?c. Bühne so
viel Sänger für dieses, so viel für jenes Fach und erhält dafür die
Hälfte der Einnahme und monatlich 5l)<1 Thaler." Nach diesem Contract
stand es nun dem ze. Gritti frei, sechs Nachtwächter und sechs Harfenmäd¬
chen in der italienischen Oper singen zu lassen und er hat sich dieser Frei¬
heit redlich bedient, so daß mit Opfern fremde Sänger aus Italien ver-
schrieben und dieser Contract mit ihm gebrochen werden mußte, daß man
die brauchbarsten seiner Mitglieder engagirte. Berlin kann nun und
nimmermehr 7 Monate lang italienische Oper erhalten, wenn Wien,
wo doch die Noblesse größtentheils italienisch spricht, nur 3 Monate lang
sich mit ihr begnügt Und die italienische Oper in Wien ist denn doch
am Ende eine andere als die unsere.

Ein junger österreichischer Dichter, Herr Alfred Meißner, der seit
einiger Zeit zu Besuche hier weilt, verräth durch seine liebenswürdige
und bescheidene Persönlichkeit eben so viele Theilnahme als seine Dich¬
tung „Iiska", die so eben erschienen ist, durch glühende Phantasie und
tiefsinnigen Ernst wahre Verehrer findet.

Von neuen literarischen Unternehmungen beginnt am ersten Januar
die neue Berliner musikalische Zeitung im Verlag der Herren Bote und
Bock ihre Laufbahn. Die noch näher zu veröffentlichenden Abonnements¬
bedingungen sind, so viel ich bis jetzt erfahren, so vortheilhaft gestellt,
daß der Zeitung, wenn sie sich befleißigt, gerecht und strenge ihre Bahn
zu verfolgen, ein größerer Kreis als der n u r Musikverständiger nicht aus-


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[0446] Theil und das mit frischem Geiste geschriebene Feuilleton. Daß dieses neue Organ von den hiesigen drei Zeitungen seit seiner Ent¬ stehung mit Mißgunst betrachtet worden, darf keinen der literarischen Verhältnisse Kundigen Wunder nehmen, daß aber kleine Institute, wie z. B. die Königstädtische Bühne sich auf das hohe Pferd setzen, gehört in das Gebiet der fabelhaften Lächerlichkeit, die Alles charakterisirt, was von der Direktion dieser Bühne seit einigen Monaten ausgegangen ist. Auf den Antrag des Julius, um Bewilligung der freien Euerem für die Referenten seines Feuilletons, antwortete ihm die Direktion nach monatlicher Frist, daß sie ihm für neue Vorstellungen, ein Parterre¬ billet zu bewilligen gedenke. Natürlich wurde diese beleidigende Gunst mit Protest zurückgewiesen, da der Redaction nicht unbekannt sein konnte, daß hiesige Winkelblätter sich im Besitz Mehrerer Parquetlogenplätze befin¬ den, daß der Hofschauspieler Rott allabendlich zwei Parquetplätze dis¬ ponibel halte und daß man Freibillets an Tagen der Leere und Einöde dutzendweise verschleudert. Wie anders die Intendantur des Königl. Schauspiels! sie gibt z. B. der Spenerschen Zeitung 6 Platze. Eine Ant¬ wort ist bis jetzt noch nicht erfolgt und läßt sich nicht voraussehen, welche Stellung diese Bühne durch ihre Wunderlichkeit der Presse gegen¬ über Noch einnehmen wird. Der größte Uebelstand liegt in der geschäfts¬ unkundigen Hand der jetzigen Direktion, die sich wie aus der neuerdings von ihm angestellten Klage hervorgeht, mit dem Impressario Graf Gritti in einen der einfältigsten Eontracte von der Welt eingelassen hat. Derselbe lautet wie folgt: „Graf Gritti stellt der ?c. Bühne so viel Sänger für dieses, so viel für jenes Fach und erhält dafür die Hälfte der Einnahme und monatlich 5l)<1 Thaler." Nach diesem Contract stand es nun dem ze. Gritti frei, sechs Nachtwächter und sechs Harfenmäd¬ chen in der italienischen Oper singen zu lassen und er hat sich dieser Frei¬ heit redlich bedient, so daß mit Opfern fremde Sänger aus Italien ver- schrieben und dieser Contract mit ihm gebrochen werden mußte, daß man die brauchbarsten seiner Mitglieder engagirte. Berlin kann nun und nimmermehr 7 Monate lang italienische Oper erhalten, wenn Wien, wo doch die Noblesse größtentheils italienisch spricht, nur 3 Monate lang sich mit ihr begnügt Und die italienische Oper in Wien ist denn doch am Ende eine andere als die unsere. Ein junger österreichischer Dichter, Herr Alfred Meißner, der seit einiger Zeit zu Besuche hier weilt, verräth durch seine liebenswürdige und bescheidene Persönlichkeit eben so viele Theilnahme als seine Dich¬ tung „Iiska", die so eben erschienen ist, durch glühende Phantasie und tiefsinnigen Ernst wahre Verehrer findet. Von neuen literarischen Unternehmungen beginnt am ersten Januar die neue Berliner musikalische Zeitung im Verlag der Herren Bote und Bock ihre Laufbahn. Die noch näher zu veröffentlichenden Abonnements¬ bedingungen sind, so viel ich bis jetzt erfahren, so vortheilhaft gestellt, daß der Zeitung, wenn sie sich befleißigt, gerecht und strenge ihre Bahn zu verfolgen, ein größerer Kreis als der n u r Musikverständiger nicht aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/446>, abgerufen am 23.07.2024.